Galerie "Schwartzsche Villa" Ausstellung arbeitet die Verquickung von Apollinaris und der SS auf

BAD NEUENAHR · Wer heute Apollinaris aus Bad Neuenahr trinkt, liest ganz klein auf dem Etikett, dass die vor 140 Jahren gegründete Brunnengesellschaft heute zu Coca-Cola gehört. Seit 2006. Was aber im Haupthaus des Weltkonzerns in Atlanta kaum einer wissen dürfte ist, dass die Herren über die braune Brause einen ehemaligen Nazi-Betrieb gekauft haben. Denn Apollinaris gehörte vor dem Ende des zweiten Weltkriegs zum Mineralwasserimperium von Heinrich Himmlers SS.

 Ein Blick auf das Bad Neuenahrer Apollinaris-Werk im Jahre 1928.

Ein Blick auf das Bad Neuenahrer Apollinaris-Werk im Jahre 1928.

Foto: Schmitt

Die deutsche Coca-Cola-Zentrale in Berlin weiß hingegen um die Geschichte, die im Ahrtal nur vom Hörensagen her einigen Älteren bekannt ist. Sie wird aktuell in einer Ausstellung des Kulturamtes Steglitz-Zehlendorf in Berlin unter dem Titel "Hitlers Schreibtischtäter" aufgearbeitet. Und unter der Rubrik "Schwarzes Wasser" erfährt der Besucher, dass die Übernahme von Mineralwasserfirmen wie Apollinaris oder Sudetenquell durch die SS in den 1940er Jahren vor allem einem Zweck dienen sollte: Die SS-Männer und die deutsche Bevölkerung vom Alkohol fernzuhalten.

"Bereits 1939 gab es Übernahmeversuche der Apollinaris AG durch die SS", erklärte Stefan Dölling von der Humboldt-Universität Berlin zur Ausstellung in der Bundeshauptstadt. "Das schien Himmler schon wegen der angeschlossenen Rhein-Ahr-Glasfabrik ein lohnenswertes Unterfangen."

Kaufen kam für die SS mit ihrem Wirtschaftsführer Alfred Pohl nicht inFrage. Erstens gehörte der Brunnen den Briten und zweitens wurde die Apollinaris AG mit Eintritt Großbritanniens in den Krieg als "feindliches Vermögen angesehen". Und dieses unterstand dem Bankier und Reichskommissar Friedrich Ernst. Aber auch die Oberfinanzdirektion Köln mischte mit, denn sie ermittelte gegen das Apollinaris-Management wegen damals schon im Trend liegender Devisenvergehen und Steuerhinterziehung.

Deshalb stand das Unternehmen unter Verwaltung des Kölner Wirtschaftsprüfers Heinrich Wirtz. In einem Schreiben vom 6. Januar 1940 heißt es daher laut Döllings Recherchen: "Eine Einziehung der Apollinaris-Mineralbrunnen AG in Bad Neuenahr zugunsten des Reichsführers SS ist nicht möglich."

Da wurde die Rechnung allerdings ohne den Reichssicherheitsdienst gemacht. Dieser unterbreitete Berlin "unaufgefordert" den Vorschlag, durch eine "geeignete Zusammenarbeit" mit der Oberfinanzdirektion Steuer- und Devisenforderungen sowie die Strafen so festzusetzen, dass "Apollinaris liquidieren muss" und so von der SS übernommen werden könne.

Die SS strickte förmlich an einem Mineralwasserimperium. Das vorgeschobene Ziel, das Pohl auch Himmler unterbreitete, nennt Dölling die "Heilung der Volksgemeinschaft vom Alkohol durch die Bereitstellung billigen Wassers".

Die Folge: Himmler mischte sich ein und sein Scherge Reinhard Heydrich beschlagnahmte am 28. Februar 1941 die Apollinaris AG im Auftrag seines Chefs zugunsten der SS. Verwalter im Auftrag Pohls wurde der SS-Technokrat Hans Hohberg. Eine Rechnung, die allerdings ohne den Steuerberater Wirtz gemacht wurde. Dieser leistete mit Friedrich Ernst erfolgreichen Widerstand gegen die Übernahme, so dass diese letztlich in einen Pachtvertrag mündete. Mit der dann teilweisen Eingliederung von Apollinaris herrschte Oswald Pohl von Berlin aus über gut Dreiviertel des Mineralwassermarktes in den von Deutschland besetzten Ländern.

Auch heute noch bekannte Marken wie Fachinger oder Selters gehörten zum Imperium des "Schwarzen Wassers".

Die Ausstellung in Berlin jedenfalls interessiert auch KreisstadtBürgermeister Guido Orthen. Zumindest den Part Apollinaris könnte er sich auch bei der Rathaus-Kultur vorstellen.

Die Ausstellung in der Galerie "Schwartzsche Villa" in Stegligtz Zehlendorf ist noch bis zum 23. Februar zu sehen.

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