Seniorchef des Recher Weingutes Ahr-Winzer Gerhard Stodden ist tot

Rech · Ein ganzes Tal ist geschockt und trauert: die Bürger um einen von ihnen, die Winzer der Ahr um einen ihrer Größten. Gerhard Stodden, Seniorchef des Recher Weingutes Jean Stodden, von allen nur Gerd genannt, ist am Mittwoch völlig unerwartet verstorben.

Tragisch ist, dass der 64-Jährige in einem Fitnessstudio in Bad Neuenahr eigentlich etwas für seine Gesundheit tun wollte - und dann dort am späten Vormittag auf dem Ergometer mit Herzproblemen zusammenbrach. Die Soforthilfe des Studioleiters und einer Medizinerin aus dem benachbarten Kursanatorium konnte das Unabwendbare nicht aufhalten.

Gerd Stodden verstarb wenig später im Bad Neuenahrer Krankenhaus. Er hinterlässt seine Frau Brigitta, eine Tochter, zwei Söhne und fünf Enkelkinder. Sohn Alexander ist der Juniorchef des Weingutes, das zum Verband der deutschen Prädikatsweingüter zählt. Gerd Stoddens Geschichte ist eine Erfolgsstory. Auch wenn er mit einem Blick zurück in einem GA-Interview mal zugab: "Ich hatte keine Ahnung von Wein."

Er studierte Volkswirtschaft, schrieb an seiner Doktorarbeit - Thema: Systemvergleich Ost-West -, als er 1973 im Familienweingut einspringen musste. Er wechselte die Literatur: Troost statt Neues Deutschland. Und das Fach: Kellerwirtschaft statt Steuerrecht. "Ich hatte niemand, der mir etwas vorschrieb", also hinterfragte er alles - und wurde dafür schon 1977 mit dem Bundesehrenpreis ausgezeichnet.

Er baute die heimischen Spätburgunder erstmals trocken aus, kam dahinter, dass die malolaktische Gärung ihre prägnante Säure milderte, stellte sich Barriques in den Keller. Als er dann auch noch mit der grünen Lese anfing, weigerte sich die Mutter zu helfen: "Du versündigst dich am Herrgott!" Der scheint ihm vergeben zu haben, denn es entstanden bei Stodden, der seit Jahren Hand in Hand mit seinem Sohn Alexander in Wingert und Keller arbeitete, himmlische Spätburgunder mit markantem Tanningerüst.

Hatte er früher den Vergleich mit dem Burgund gescheut, so stand er zuletzt auf Augenhöhe: "Als ich beim Gourmet Festival im Singapurer Hotel Raffles die Roten präsentieren durfte und Ponsot seine Weißweine, meinte dieser etwas pikiert: Die Welt steht Kopf." Das Aufzählen der zahllosen Auszeichnungen, die Stodden eingeheimst hat, würde kein Ende finden. Attribute wie "Überflieger" oder "Visionär" finden sich in den Weinführern ebenso wieder wie "grandiose Kollektion" oder "Spitzen-Spätburgunder".

Erst im vergangenen Jahr wurde ein 2009er "Ahrweiler Rosenthal Spätburgunder Großes Gewächs" in der Kategorie "Kultwein" zum Ahrwein des Jahres gekürt. Ob Erfolge bei den Wein-Guides "Eichelmann" oder "Gault & Millau", ob Verkostungen in London oder Asien: Stodden hob nie ab, blieb stets einer von der Ahr, ein Bodenständiger, Bescheidener, der auch den Recher Dialekt nie ablegte. An seinem Wissen ließ er teilhaben, ohne belehrend oder besserwisserisch zu wirken.

Er hatte zu vielen, nicht nur zu Wein-Themen, eine kompetente Meinung. Er war aber auch einer, der das Leben liebte und mit seinem Humor mitreißen konnte. Mit ihm hatte man immer jede Menge Gesprächsstoff und ohne Ende Spaß. Die Stunden mit ihm, die alle vermissen werden, waren im Gegensatz zu seinen großen Weinen nie trocken.

Reaktionen zum Tode Gerd Stoddens

  • Um die Ahr nach vorne zu bringen, war Gerd Stodden neben Sternekoch Hans Stefan Steinheuer auch einer der Mitbegründer der "Gourmet & Wein"-Serie, deren Eröffnungsgala 2013 morgen stattfindet. Steinheuer: "Es ist dramatisch. Wir verlieren einen guten Freund und sind sehr traurig. 1984 begann unser gemeinsamer Weg mit Werner Näkel, weil uns klar war, dass es Zeit für ein neues Bild der Ahr ist. Gerd war unser intellektueller Querdenker, der Genießer, der uns alle angetrieben hat. Wir waren jung, hatten die väterlichen Betriebe übernommen, und wir mussten was ändern und waren bereit dazu. Gerd ist es gelungen, der Ahr einen nationalen und internationalen Anstrich zu verleihen."
  • Auch Weinbaupräsident Hubert Pauly vom Weinbauverband Ahr äußerte sich zutiefst betroffen über den Tod des von allen geschätzten, kompetenten Kollegen. Pauly, auf dem Weg zur "Grünen Woche" nach Berlin, zum GA: "Wir verlieren in ihm einen liebenswürdigen Winzer, der sich in allen Belangen für sein Weinanbaugebiet Ahr und auch darüber hinaus eingesetzt hat. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner gesamten Familie."
  • Stodden war seit 1980 Mitglied des Rotary Clubs der Kreisstadt, 1997/98 sein Präsident. Wolfgang Frisch, heutiger Präsident: "Gerd Stodden stellte schon immer sehr hohe Leistungs- und Qualitätsanforderungen, besonders an sich selbst, aber auch an die anderen. Er verfolgte seine Ziele stets sehr konsequent, auch wenn es dabei häufig gegen den Strom ging. Schon früh, mit 32 Jahren, trat er unserem Club bei, der gerade vier Jahre zuvor gegründet worden war. In diese Gemeinschaft hat er sich immer sehr stark persönlich, fair und geradlinig eingebracht, in die Diskussionen, in die Clubangelegenheiten und ihre Zukunftsperspektiven, beim sozialen Engagement, im Kontakt zu unseren belgischen Freunden in Genk und auch beim gemeinsamen Feiern, denn er war Rheinländer, der richtig und gerne genießen konnte. Für den Rotary Club war Gerd Stodden eine starke, charaktervolle Persönlichkeit, der verlässliche Freundschaft, Toleranz und würdiger Umgang miteinander sehr viel bedeuteten".
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