Aus dem Wald bis zum Fass Wenn Dauben getoastet werden

MAYSCHOSS · Eichenholz ist eine Leidenschaft von Astrid Rickert und außerdem ihr Spezialgebiet. Wenn die zweite Kellermeisterin der Mayschosser Winzergenossenschaft an einem neuen, noch unbelegten Fass vorbei kommt, nimmt sie gern eine Nase voll Holzduft zu sich und freut sich auf künftige Genüsse: "Das Fass schreit nach Rotwein", ist dann ihr Befund.

 Astrid Rickert ist stolz auf ihre 6000 Euro teuren Eichenfässer, die 80 bis 100 Jahre lang genutzt werden können.

Astrid Rickert ist stolz auf ihre 6000 Euro teuren Eichenfässer, die 80 bis 100 Jahre lang genutzt werden können.

Foto: Martin Gausmann

Seit einigen Jahren verwendet die Genossenschaft Eichenholz aus der Region für ihre großen Lagerfässer. Traubeneiche, wenn auch der Name nichts mit den Früchten des Rebstocks zu tun hat. Traubeneiche eignet sich einfach besser als Lager für anspruchsvolle Weine als die hier ebenfalls heimische Stieleiche.

Neuerdings kommt das Holz für Mayschosser Doppelstück-Fässer aus dem Grafschafter Wald, dem "Bölinger Büsch", wie Rickert den alten Forst nennt. Auch das Walporzheimer Weingut Kriechel gibt derzeit Bölingen den Vorzug. Da sind die Kellermeister vor Ort, wenn Fass-Holz gebraucht wird, wie im vergangenen Winter, als 40 Kubikmeter eingeschlagen werden sollten.

"Wie auf einem Basar", fühlt sich Rickert bei diesem Geschäft. "Wir gehen mit dem Förster in den Wald", beschreibt sie das Verfahren. "Können wir den Baum haben", ist dann die Frage vor einem stattlichen Exemplar. "Lieber den anderen da drüben", kommt es vom Förster, bis man sich schließlich einig wird.

Mit "Raubbau" am Grafschafter Wald hat der Holzkauf der Winzer übrigens nichts zu tun. Der Förster kennt die Bäume, die entnommen werden müssen, damit ihre Nachbarn sich besser entwickeln können. Die verkauft er. Und der Vorrat aus vergangenem Winter reicht für einige Jahre.

Die Daubenhauerei Müller-Schick in Kaiserslautern-Mölschbach ist nächste Station für Grafschafter Holz, das zur Veredlung von Ahr-Weinen bestimmt ist. Dort werden die Dauben gemäß dem Spiegelschnitt aus den Stammstücken geschlagen und kommen anschließend in die Küferei Hösch in Hackenheim an der Nahe, wo sie luftig aufgeschichtet drei Jahre lang - in Schnee und Regen - zum Trocknen bleiben.

Auch das ist wichtig, um kleine Schäden noch erkennen zu können. Zum Biegen müssen die Dauben schließlich übers offene Feuer. Sie werden getoastet, das macht sie weich, und die dabei entstehenden Aromen passen bestens in einen guten Wein.

"Holz ist eine würdige Ausstattung für unseren alten Gewölbekeller."

Für rote Burgunderweine, wie sie an der Ahr reifen, ist Traubeneiche aus der Region richtig, sagt Rickert. Sie ist allerdings nicht so weit Lokalpatriotin, dass sie hiesigem Holz eine besondere magische Kraft beimisst. "Europäische Eiche unterscheidet sich nicht", sagt sie. Allenfalls könnte der Standort, ob trocken oder nass, eine Rolle spielen. Eichen von trockenen Standorten wüchsen langsamer, bildeten engere Jahresringe und lieferten damit besonders festes Holz.

Der Vorteil von Holz aus dem "Bölinger Büsch" ist für Rickert die Nähe und die Kenntnis des Werdegangs. "Man hat den Baum im Wald gesehen, ist damit vertraut, kennt seine Veredelung, und die Fässer sind super gut", zählt sie Argumente auf. Eines ist ihr außerdem wichtig: "Holz ist eine würdige Ausstattung für unseren alten Gewölbekeller."

Vor gut 20 Jahren haben die Mayschosser begonnen, alte Fässer auszumustern und neue anzuschaffen. Jahr für Jahr investieren sie dafür 25.000 Euro. Schließlich kostet ein Doppelstückfass fast 6000 Euro, an Holz gebraucht werden zwei Festmeter aus dem Wald, was einen Kubikmeter fertiges Holz ergibt. Ein 1700-Liter- Fass kostet 4300 Euro, der Holzverbrauch liegt bei 1,4 Festmetern beziehungsweise 0,7 Kubikmetern. Die Ausgaben rechnen sich bestens, da Lagerfässer 80 bis 100 Jahre lang genutzt werden können.

Astrid Rickert (46) ist Weinküfer-Meisterin. Gelernt hat sie im Weingut Brogsitter und arbeitet seit 1992 als zweite Kellermeisterin bei der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr. Sie ist ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Aromen durch die Atmung

Lagerung des Weins in Holzfässern ist eine alte Kulturtechnik. Durch die Poren kann Sauerstoff eindringen und Kohlensäure austreten, was zur Reifung erforderlich ist. Durch die Atmung bindet der Wein Gerbstoffe und nimmt Holzaromen auf, die den guten Tropfen den letzten Schliff geben können. Aber nur Wein mit Potenzial kommt ins Holz, meist für ein Jahr. Die Holz-Aromen sollen die Weinaromen ergänzen, nicht überdecken.

Eine Frage der Dichtigkeit

Zum Fassbau eignet sich nicht jeder Baum. Brauchbare Exemplare sind etwa 120 bis 170 Jahre alt. Erforderlich ist Holz der A- oder der B-Klasse, Stämme ohne Astreiser, Knoten, Schädlingsbefall, Rückeschäden oder etwa Metalleinschlüsse aus dem Krieg.

Auch Veteranen mit Spechthöhlen scheiden aus, denn die Vögel arbeiten ihre Behausungen bis zu 1,50 Meter tief ins Holz, weiß Kellermeisterin Astrid Rickert. Beim Weinfass kann jede kleine Undichtigkeit Probleme machen, und für die 1,80 Meter langen Fassdauben sind entsprechend lange fehlerlose Stamm-Abschnitte erforderlich.

Folglich geht es beim Kauf nicht um ganze Eichenstämme, sondern immer nur um makellose Stücke. "Wir bekommen nur das, das wir brauchen können", sagt Rickert. Was übrig bleibe verkaufe der Förster etwa als Parkett- oder Brettholz.

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