Deutsche Telekom Künstler Rudolf Schneider revanchierte sich

KREUZBERG · Wie reagiert ein Künstler aus dem Ahrtal, der sich gewaltig über einen Weltkonzern geärgert hat? Mit einer Performance. Weil ihm das Marktgebaren der Telekom "windig vorkam", ließ der Kreuzberger Bildhauer Rudolf Schneider (54) dem Vorstandsvorsitzenden René Obermann ein mannshohes Gebilde aus Holz mit dem Titel "Wind" zukommen.

 Persönlich brachte Künstler Rudolf Schneider das Kunstwerk in die Bonner Telekom-Firmenzentrale.

Persönlich brachte Künstler Rudolf Schneider das Kunstwerk in die Bonner Telekom-Firmenzentrale.

Foto: GA

Genauer gesagt, er platzte am 11.11. ungewollt in den Cybersicherheitsgipfel der Deutschen Telekom in Bonn, kam aber trotz weitreichender Absperrungen zur persönlichen Übergabe des zweiteiligen Werkes aus Stahl und Kirschbaum zumindest bis in die Poststelle des Unternehmens.

Was hat Schneider geärgert? Eine nicht beauftragte Leistung namens "DeutschlandLAN Connect S Vouchercode iMeet" mit der Nummer "31333-0102-PM0106EBLIWOW", die dem 54-Jährigen am 13. September in sein Atelier flatterte. Bei den Worten "Vielen Dank für Ihren Auftrag. Gern bestätigen wir Ihnen die gebuchten Leistungen" geriet der Chef der Kreuzberger Feuerwehr ins Stutzen.

Denn unter Erläuterungen war zu lesen, dass er nun in der Lage sei, "neben Telefonie und Internet die kostenlose Nutzung von iMeet Basic, eines Online-Meeting-Raums zur Durchführung von Audio- und/oder Videokonferenzen" durchzuführen und dass die Nutzung lediglich die Aktivierung auf dem Business Marketplace erfordere.

Schneider: "Da ich weder mündlich noch schriftlich einen Auftrag erteilt hatte, fühlte ich mich einerseits nicht ernst genommen, andererseits dazu gezwungen, mich mit dieser Angelegenheit zu beschäftigen."

Ein erstes Telefonat mit einem Mitarbeiter der Kunden-Hotline, der erklärte, dass er diese Zusatzleistung auch nicht genau kenne, dass aber kein Schaden entstünde, da sie kostenlos sei, machte den Kreuzberger nicht wirklich schlauer. Heute weiß er: Die Bereitstellung ist kostenlos, die Nutzung jedoch gebührenpflichtig.

Eine zweite freundliche Dame in der Hotline empfahl ihm, doch sicherheitshalber binnen 14 Tagen zu widersprechen. Was Schneider dann auch tat. Es reifte die Idee in ihm, dem Kommunikations-Giganten den Spiegel vorzuhalten, auch wenn er wusste, dass er sich auf ein David-gegen-Goliath-Match einließ. Doch das juckte Rudolf Schneider, der in einer Mail an Obermann formulierte "Vertragsänderungen ohne Auftrag zu versenden, ist doch hoffentlich nicht Stil der Deutschen Telekom", wenig. Im Gegenteil: Er lud am Schluss der Mail den Telekom-Chef ein, seine nächste Vernissage in der Alten Schule des Burgdorfes zu besuchen.

Auge um Auge, dachte sich der bibelfeste Bildhauer, der wegen einer Grundstücks-Auseinandersetzung auch schon mal den Kopf eines Bürgermeisters aus Beton modelliert hatte, und erfand den Obermann-Auftrag vom 19. Oktober mit den Worten " Vielen Dank für Ihren Auftrag - gerne bestätige ich Ihnen Ihre Bestellung. Werktitel ?Wind" aus dem Jahr 2008, Liefertermin 11. 11. 13, 10 Uhr, zum Preis von 12 733 Euro".

Da aus dem Mutterhaus des Konzerns an der Friedrich-Ebert-Allee binnen 14 Tagen kein Widerruf eintraf, machte sich der Kreuzberger am 11. 11. auf den Weg. "Nur wenige Stunden, nachdem ?Wind? die Vorstandsetage erreicht hatte, meldete sich das Vorzimmer Obermann mit dem Hinweis, dass nie ein Auftrag erteilt worden sei, und mit der Frage, wie nun am besten das Zurücksenden des Kunstwerkes vonstatten gehen solle", so Schneider. In der Antwort per Mail brachte er sein Erstaunen darüber zum Ausdruck, dass die schon mehr als 14 Tage vorliegenden Auftragsbestätigung von seiten des Konzerns nie widerrufen worden sei.

Als dann eine Woche später der Leiter Betrugsbekämpfung, Hans-Jürgen Schütz-Jaritz, anrief und den erteilten Auftrag schwarz auf weiß sehen wollte, löste der Künstler die Aktion als Performance auf. Auf der einen Seite blieb die Erleichterung, weil man kurzfristig eine Bombe im Kunstwerk befürchtet hatte, "ich bat im Gegenzug um ein Gespräch mit einem Mitarbeiter in verantwortlicher Stellung", so Schneider.

Doch dann wurde der Wind eisiger, das Vorzimmer Obermann war nicht mehr ansprechbar, eine Mail von Schütz-Jaritz erreichte Schneider beim ersten Anlauf nicht. Dafür erhielt er per Paketdienst seine Arbeit zurück, durch nicht fachgerechte Verpackung an der Spitze und anderen Stellen stark beschädigt. Beide Seiten streben jedoch, was die Schadensregulierung angeht, eine gütliche Einigung an.

"Ich glaube, wir haben Ihre Performance verstanden", so Schütz-Jaritz in einer Mail an Schneider, die dem GA vorliegt: "Im Nachgang möchten wir uns für Ihre Unannehmlichkeiten nochmals entschuldigen. Wir gehen davon aus, dass inzwischen alle Beschwerden und Beanstandungen ausgeräumt und zu Ihrer Zufriedenheit erledigt wurden."

Auf die GA-Anfrage in der Pressestelle, ob es üblich sei, Vertragsänderungen ohne Auftrag zu versenden, und wie viele Kunden betroffen seien, wenn Schneider kein Einzelfall sei, kam die Antwort: "Grundsätzlich ändern wir Verträge nicht ohne Auftrag des Kunden. Bedauerlicherweise ist in diesem Einzelfall aufgrund eines Systemfehlers allerdings nicht mehr nachvollziehbar, warum die Option, 'DeutschlandLAN Connect S' hinzugebucht wurde."

Schneider weiß übrigens von einer ebenfalls betroffenen Telekom-Kundin im nahen Ahrbrück.

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