Ehemaliger Luftwaffenübungsplatz Kanonendonner statt Ackerbau

AHRBRÜCK · Bei der Fahrt durch die schwach besiedelte Mittelgebirgslandschaft von Kesseling nach Kaltenborn erinnert auf den ersten Blick nichts an die fünf Jahre des Zweiten Weltkriegs, als den Wäldern, Wiesen und Dörfern eine andere Aufgabe als Ackerbau, Holz- und Viehwirtschaft zugedacht worden war.

 Ein Bild aus alten Tagen: Das ehemalige Casino für Görings Luftwaffenoffiziere ist das einzige Gebäude, das heute noch an den früheren Luftwaffenübungsplatz im Kesselinger Tal erinnert. Für den Übungsplatz wurden von den Nazis die Dörfer von Denn bis Cassel evakuiert.

Ein Bild aus alten Tagen: Das ehemalige Casino für Görings Luftwaffenoffiziere ist das einzige Gebäude, das heute noch an den früheren Luftwaffenübungsplatz im Kesselinger Tal erinnert. Für den Übungsplatz wurden von den Nazis die Dörfer von Denn bis Cassel evakuiert.

Foto: Martin Gausmann

Nichts sieht man von dem einstigen Luftwaffenübungsplatz, den die Nazis zwischen Brück, Niederadenau, Kaltenborn, Lederbach, Ramersbach und Kesseling angelegt hatten. Arno Furth hat bei Zeitzeugen und vor Ort sowie in Archiven geforscht, er hat eine Fülle von Literatur ausgewertet und jetzt ein Buch über die militärische Einrichtung im Ahrtal auf den Markt gebracht.

Dabei liegt der Schwerpunkt seiner Untersuchung nicht auf dem Schicksal der Menschen aus den zwölf Dörfern, die fürs Militär geräumt werden mussten: Denn und Weidenbach, Herschbach und Kaltenborn, Nieder- und Oberheckenbach, Watzel, Fronrath, Cassel, Blasweiler, Beilstein und Lederbach. Arno Furth richtet sein Augenmerk auf das, was in der für die Truppen entsiedelten Fläche von zehn mal zehn Kilometern geschehen ist.

Er hat als ehemaliger Oberst der Bundeswehr einen guten Blick auf Militär und Waffen von einst, betrachtet den "Luftwaffenübungsplatz Ahrbrück" in Zusammenhang mit anderen Einrichtungen der Wehrmacht und bringt seine Funktion mit dem militärischen und dem Kriegsgeschehen in Zusammenhang.

Was weitgehend unbekannt sein mag: Der sogenannte "Gutsbezirk Ahrbrück" war wohl in der Versorgung teilweise selbstständig beziehungsweise kooperierte mit den umliegenden Ortschaften. Geld wurde eingenommen durch die Forstwirtschaft, durch die Vergabe von Fischereirechten sowie die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen und Weiden. Die Obstbäume des ehemaligen Obst- und Gartenbauvereins Denn wurden bis Herbst 1944 gepflegt und abgeerntet.

In der Waldarbeitersiedlung Hochacht wurde Gemüse angebaut. Folglich konnte Geld für die Versorgung eingespart werden, was dann für den Bau eines Sportplatzes, eines Schwimmbads, einer Bibliothek und eines Kinosaals auf dem Gelände zur Verfügung stand. Unter den zahlreichen Fotografien in dem Band zeigt eine die Einheit "Florian Geyer" des Reichsarbeitsdienstes beim Ausheben des Schwimmbads im Denntal.

Während die Häuser in den abgesiedelten Orten weitgehend abgebrochen wurden, entstanden neue Funktionsbauten für die Soldaten und zivilen Mitarbeiter. Zur Stammbesatzung gehörten etwa 500 Soldaten, weitaus mehr konnten untergebracht werden. Bei der Fahrt durch die Landschaft fällt auf, dass einige durchaus stattliche Kirchen auf dem fürs Schießen bestimmten Gelände überdauert haben.Wie Furth ausführt, war der Übungsplatz Ahrbrück zunächst nur für das Schießen der Flak-Artillerie (Flugabwehrkanonen) und für den Bombenabwurf vorgesehen. Später übten Angehörige aller Waffengattungen, Marschflugkörper vom Typ V1 waren dort stationiert, und Kriegsgefangene aus verschiedenen Ländern wurden zur Arbeit herangezogen.

Ahrbrück blieb vom Luftkrieg verschont

Munition lagerte in acht Bunkern um die Rochus-Kapelle in Ahrbrück herum. Regulären Flugbetrieb gab es nicht, wohl aber Landemöglichkeiten für kleinere Flugzeuge.

Wohl aufgrund seiner Lage im engen Seitental der Ahr blieb Ahrbrück bis Herbst 1944 vom Luftkrieg verschont. "Ahrbrück im Loch, wir finden dich doch", zitiert Furth ein Flugblatt der Alliierten, das über der Bahnstrecke bei Brück abgeworfen worden war. Ab November flogen amerikanische Jagdbomber jedoch auch Ziele auf dem Übungsplatz an, von dem die Luftwaffe bis Anfang März 1945 abzog. Danach erhielten in Ahrbrück Jugendliche und nicht wehrpflichtige Männer eine kurze Ausbildung zum Soldaten.

Aus einer Fülle von Material hat Arno Furth ein interessantes und wichtiges Buch verfasst, das mehr Licht in die Aktivitäten der Nazis im Ahrtal bringt. Darum hätte diese Arbeit auch ein sorgfältigeres Lektorat verdient gehabt.

Arno Furth, Jahrgang 1951, stammt aus Lohr am Main. Er trat 1969 in die Luftwaffe ein, schied 2011 als Oberst aus dem aktiven Dienst in der Bundeswehr aus und wohnt seit Jahren in Ahrbrück.

Arno Furth: Der Luftwaffenübungsplatz Ahrbrück 1938 - 1945. 72 Seiten Hardcover, DIN A 4. Helios-Verlag Aachen 2015, ISBN 978-3-86933-144-7.

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