Start von Kapellmeister François-Xavier Roth "Wir sind ein Orchester für alle!"

KÖLN · Der neue Gürzenich-Kapellmeister und Kölner Generalmusikdirektor François-Xavier Roth macht als Referent einen recht professionellen Eindruck.

 Das Gürzenich-Orchester spielt in der Kölner Philharmonie seit 1986 jährlich über 50 Konzerte.

Das Gürzenich-Orchester spielt in der Kölner Philharmonie seit 1986 jährlich über 50 Konzerte.

Foto: Paul Leclaire

Seine erste Gürzenich-Saison brachte der 43-jährige Franzose seinen Zuhörern im Foyer der Philharmonie, vor einer Leinwand stehend, in einer Power-Point-Präsentation nahe. Dabei redete er frei und auf Deutsch.

Der Nachfolger von Markus Stenz schwärmte bei dieser Gelegenheit von der langen Geschichte des Gürzenich-Orchesters. Dass dies mehr ist als eine Höflichkeitsfloskel, wird der (Noch-)Chef des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg beim Festkonzert zu seiner Kölner Amtseinführung am 13. September zeigen. Dann stehen mit Strauss' "Till Eulenspiegel", Brahms' Doppelkonzert sowie Bartóks "Der wunderbare Mandarin" drei Klassiker auf dem Programm, die das Gürzenich-Orchester einst uraufgeführt hat. Roth mag solche Programme, deren Werkzusammenstellung einer bestimmten Grundidee folgt.

"Ein Statement" nennt er den Hinweis auf die drei Gürzenich-Uraufführungen. Ein anderes Statement will er zur Saisoneröffnung am 6./7./8. September abgeben. "In unserer Zeit sehe ich das Orchester als eine Maschine, die sehr viel kann", sagte er. Und das zeigt er mit drei Werken, deren Besetzungsstärke immer weiter anwächst: mit Arnold Schönbergs Kammersinfonie, Pierre Boulez' "Notations" und Anton Bruckners vierter Sinfonie. Mit Blick auf die Wiedereröffnung des Kölner Opernhauses im November, wenn Roth bei "Benvenuto Cellini" von Hector Berlioz im Orchestergraben stehen wird, gibt es am 25./26./27. Oktober ein Programm, das Kompositionen der Berlioz-Zeitgenossen Ferdinand Hiller, Franz Liszt und Robert Schumann der Konzertouvertüre "Le carnaval romain" von Berlioz gegenüberstellt.

Im Februar nächsten Jahres startet Roth einen Beethoven-Zyklus. Dessen Musik sei noch kein bisschen veraltet, meint er. Im Gegenteil: "Sie spricht uns mehr und mehr an." In Köln wird der Komponist mit neuer Musik konfrontiert. So stellt Roth der sechsten Sinfonie ("Pastorale") das Violinkonzert "Seven" von Peter Eötvös gegenüber (Solistin: Akiko Suwanai).

Das Mozart-Programm am 22./23./24. Mai 2016 wird durch ein Auftragswerk des Orchesters ergänzt: Philippe Manoury werde sein Werk ganz auf die Architektur der Philharmonie abstimmen, verriet Roth. Alle diese Programme leitet François-Xavier Roth selbst. Bei den anderen sind mit dem Ersten Gastdirigenten des Orchester, James Gaffigan, und dem Ehrendirigenten Dmitrij Kitajenko zwei sehr gute Bekannte im Spiel, Kollegen wie Hannu Lintu, Louis Langrée, Michael Francis, Hartmut Haenchen, Nicholas Collon und Pablo Gonzáles bringen zusätzlich Farbe hinein.

"Köln ist eine fantastische Stadt für Kunst und Kultur", sagte Roth. Das will er nutzen für unkonventionelle Ideen, für die er außerhalb der Abo-Konzertreihen mit anderen Institutionen kooperiert: So gibt es am Freitag, 2. Oktober, ein Konzert im Kölner Dom mit französischen Werken, im Rahmen der Léger-Ausstellung im Museum Ludwig ist die Aufführung von Milhauds "La Création du Monde" geplant, und Gustav Holsts Zyklus "Die Planeten" wird mit Hilfe jugendlicher Musiker und Tänzer im Juni 2016 im E-Werk aufgeführt. Darüber hinaus soll das Kinder- und Jugendprogramm "Ohren auf!" erweitert werden.

Allerdings muss sich das Publikum auch von einer lieb gewonnenen Tradition verabschieden: Die CD nach dem Konzert wird es nicht mehr geben. Dafür soll der Online-Auftritt ausgebaut werden. So sollen in einer "Media Box" unter anderem Mitschnitte von Gürzenich-Konzerten als Stream veröffentlicht werden. "Wir sind ein Orchester für alle", sagte Roth gestern. Die aktuellen Zahlen mögen das belegen. In der vergangenen Saison sorgten 90 166 Besucher für eine Auslastung von 93 Prozent, 2009/2010 waren es noch 81 Prozent.

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