Uni-Professor analysiert Krebse auf dem Wrackteil Kölner auf der Spur von MH370

KÖLN · 9310 Kilometer von der Fundstelle La Réunion entfernt, steht ein Mann vor dem geologischen Institut der Universität, der glaubt, bei der Lösung eines der größten Rätsel der letzten Jahre mithelfen zu können. Der Kölner Geologieprofessor Hans-Georg Herbig sah in den Tagesthemen einen Bildausschnitt, der ihn elektrisierte.

 Das gefundene Flugzeugwrackteil wird jetzt im französischen Luftfahrttechnikzentrum begutachtet.

Das gefundene Flugzeugwrackteil wird jetzt im französischen Luftfahrttechnikzentrum begutachtet.

Foto: dpa

Es war eine Vergrößerung des Wrackteils, das aller Wahrscheinlichkeit nach vom seit fast 17 Monaten vermissten Flugzeug der Malaysia Airlines stammt, dem mysteriösen Flug MH370. Der Kölner Forscher identifizierte mit geübten Blick sogenannte Entenmuscheln, Krebse der Gattung Lepas, die auf dem Trümmerstück wachsen.

Da Herbig mit dem Biologen Dr. Philipp Schiffer das Vorkommen einzelner Lepas-Arten kartographiert hat, war es ihm möglich, Rückschlüsse auf den möglichen Absturzort zu ziehen. "Wenn sich herausstellt, dass wir an dem Wrackteil Lepas australis identifizieren können, dann ist klar, dass das bisher vermutete Absturzgebiet richtig ist. Denn diese Art kommt in Meeresbereichen westlich von Perth in Australien vor", sagte Herbig gestern bei einer improvisierten Pressekonferenz im Hof des Kölner Uni-Instituts. Zwischen dem 25. und 35. Breitengrad verortet Herbig die Herkunft des gefundenen Trümmerstücks. "Anhand des Treibstoffvorrats könnte man errechnen, wie weit das Flugzeug nach Süden fliegen konnte", sagt er.

Dem 60-Jährigen mit dem weiß-blau karierten Hemd ist die Aufregung anzumerken. In den Augen blitzt das Forscherglück. Seit er vor sieben Jahren bei einem Urlaub am Strand auf Lepas stieß, hat ihn das Thema nicht mehr losgelassen. Er hat sich die Krebse aus der ganzen Welt zuschicken lassen, sie bestimmt und kartiert. Und jetzt scharren sich drei TV-Kamerateams um den Geologen. Erst eine Stunde zuvor hatte die Universität die Öffentlichkeit über Herbigs Entdeckung informiert.

Dabei ist es, und das betont Herbig immer wieder, keinesfalls gesichert, dass es sich um Lepas australis handelt. Genauso gut könnten es Lepas anatiferas sein, dann ließe sich das Gebiet kaum eingrenzen.

Bei der Australis-Variante, da ist sich der Professor auch nach Analyse der Meeresströmungen sicher, muss der Absturzort eben westlich von Australien in den südlichen kalten Gewässern liegen. "Wir müssen erst die Schalen analysieren, um sicher zu sein", sagt Herbig. Die Analyse könnte im französischen Toulouse erfolgen. Im Luftfahrttechnikzentrum des französischen Verteidigungsministeriums soll das Wrackteil am heutigen Samstag eintreffen.

Dort soll dann auch zweifelsfrei ermittelt werden, ob es vom vermissten Flugzeug stammt. Ergebnisse werden kommende Woche erwartet. Lepas-Experte Herbig hat seine Beobachtung bei den zuständigen Behörden gemeldet.

Laut Herbig passe auch das Alter der Lepas-Krebse zu seiner Theorie. "Das Trümmerstück war sehr dicht besiedelt, das kann nicht aus den letzten zwei, drei Monaten stammen" , sagt der Kölner Forscher. Die Krebse haften sich an Gegenstände, die mindestens zwei Monate an der Meeresoberfläche treiben. Das Wrackteil ist bislang das einzige, das in La Réunion angespült worden ist. Australische Experten hoffen, dass weitere folgen. "Wenn es da draußen noch mehr Teile gibt, erwarten wir, dass jetzt dafür der richtige Zeitpunkt ist", sagte Meeresforscher Charitha Pattiaratchi von der Universität Westaustralien.

Auch er geht wie Herbig von einem Absturzgebiet westlich von Perth aus, Tausende Kilometer von La Réunion entfernt. In dem Fall Flug MH370 haben jetzt die Wissenschaftler das Wort, Ende nächster Woche könnten wieder Suchmannschaft ausrücken.

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