Woelki im Dom "Hey Kölle, du bes e Jeföhl"

KÖLN · Seinen ersten Auftritt in der Domstadt verbindet Meisner-Nachfolger Rainer Maria Woelki mit einer Liebeserklärung an die Heimat.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki in Köln neuer Erzbischof würde, am Freitag wurde die Nachricht offiziell, und am Samstag schon trat Woelki zum ersten Mal in seiner Heimatstadt auf - beim Mittagsgebet im Dom und zuvor bei einer Pressekonferenz im Diözesanmuseum Kolumba. Dort erzählte er auch recht launig, wie er von seiner Wahl erfuhr.

Als er nach einem anstrengenden Dekanatstag in Fürstenwalde am Sonntag voriger Woche nach Hause kam, "hatte ich zu nichts mehr richtig Lust und hab vor dem Fernseher abgehangen". Ein Film mit Til Schweiger bot Abwechslung, die richtige offenbar, "denn ich habe lange nicht mehr so gelacht wie an diesem Abend". Dann aber klingelte das Handy. "Ich sehe die Nummer von Stefan Heße und denke, was will der jetzt." Woelki wollte den Anruf des Kölner Diözesanadministrators ignorieren, der Film war zu schön. Doch da begann die Werbepause, und er ging dran.

"Ich habe Rainer Woelki noch nie so platt und überwältigt erlebt", sagt Stefan Heße am Samstagmittag im Dom. Weil Dompropst Norbert Feldhoff nicht schnell genug Woelkis Nummer zur Hand hatte, rief Heße in Berlin an, um dem früheren Kölner Weihbischof die Kunde von der Wahl des Domkapitels zu übermitteln. "Seine erste Reaktion war: Ihr seid bekloppt", berichtet Heße. Ein großes Lachen geht durch den Dom. "Wir haben aber gewusst, was wir getan haben", fügt Heße noch hinzu.

Woelki spricht im Dom von seinem Abschied in Köln vor drei Jahren genau an dieser Stelle, sagt, dass er seitdem nicht mehr im Dom war und setzt zu einer Liebeserklärung an seine Heimatstadt an. "Hey Kölle du bes e Jeföhl", zitiert er den Song der Höhner, spricht vom FC, dem Rhein, dem Müllemer Böötche, Willi Ostermann und Willy Millowitsch und "unserem Dom". Wie kaum eine Kirche in einer Stadt verbinde sie alle - "ob sie Deutsche sind oder nicht, ob sie glauben oder nicht, ob sie eine andere Konfession haben. Der Dom eint und versöhnt." Immer wieder wird er von Beifall unterbrochen.

Er kniet vor dem Dreikönigsschrein nieder, besucht mit den Domkapitularen die Gräber der früheren Erzbischöfe in der Krypta und geht durch den Mittelgang wieder aus der Kirche. Andreas Kirsch sitzt in der ersten Reihe und ist begeistert. "Der scheint ganz normal zu sein, trägt die Nase nicht so hoch wie andere Priester", sagt der Küster aus Vechta. Drei Reihen dahinter hat Barbara Weidenbach aus Köln-Porz Platz genommen: "Ich hoffe, dass er so natürlich bleibt, wie er sich jetzt gezeigt hat." Und der Österreicher Manfred Nechwatal sagt: "Der ist jung, schaut gesund aus, hat Humor und kann gut predigen, Glückwunsch an die Kölner." Auf der Domplatte geht Gertrud Richartz aus Köln-Niehl auf Woelki zu und wünscht "alles Gute". Sie freue sich, dass er gewählt worden sei, sagt die 73-Jährige danach dem General-Anzeiger. "Ich glaube, er ist ein bisschen mehr den Leuten zugewandt als sein Vorgänger."

In zahlreichen Porträts ist Woelki als Ziehsohn Meisners bezeichnet worden. Ob er sich auch so fühlte, war er in der Pressekonferenz gefragt worden. "Ein Mensch hat viele Erzieher, das sind die Eltern, Freunde, Mitbrüder, ich glaube, dass jede Begegnung, die existenziell ist, einen Menschen trägt, positiv und negativ, und dass dann jeder für sich seinen Weg geht." Anders als früher wird es vermutlich mehr Aufstiegschancen für Frauen geben. "Es gibt kein Bistum in Deutschland, in dem so viele Frauen Verantwortung tragen wie in Berlin", sagt der künftige Kölner Erzbischof und zählt auf: Caritasdirektorin, Chefjuristin, Seelsorgeamtsleiterin, Amtsleiterin Weltkirche, seine Büroleiterin. "Wenn wir aus einer Glaubensüberzeugung auch künftig das Weiheamt den Männern vorbehalten, müssen wir auch Frauen Beteiligung geben an Leitung und Gestaltung von Kirche."

Auch das Verhältnis zu Homosexuellen dürfte sich entspannen. "Wir reduzieren niemanden auf irgendwelche Orientierungen oder Verhaltensweisen." Jeder Christ sei ein Ebenbild Gottes, sagt Woelki und fügt hinzu, Kirche sei "nicht in erster Linie Moralanstalt, sondern Weg- und Zeugengemeinschaft". Der Glaube wolle die Menschen nicht unterdrücken und knechten, sondern frei machen.

Wohnen wird Woelki im Erzbischöflichen Haus. Und dann und wann wird er auch auf der Tribüne des Kölner Stadions sein. Zu jedem FC-Heimspiel werde er wohl nicht kommen, aber er freue sich, dass der Weg zu seinem Verein nicht mehr so weit sei. In Berlin sei er trotz aller Abwerbeversuche von Hertha und Union dem FC treu geblieben. "Ich habe deren Spiele besucht, aber gefreut und gelitten habe ich nur mit einem." Sein kölsches Jeföhl war in Berlin immer dabei. Demnächst wird es noch präsenter sein.

Woelki: Erfahrungen aus Berlin in Köln nutzen

Viel gemeinsam haben nach Meinung von Rainer Maria Woelki das "Hillije Köln" und das "angeblich so gottlose Berlin". So sei die Bundeshauptstadt für viele Menschen wie die Insel Lampedusa Sehnsuchts- und Hoffnungs-Ort geworden. "Auch das Erzbistum Köln ist keine Insel der Seligen." Er nannte Chorweiler, Vingst und Kalk und sagte, er sei dankbar, "dass wir einen Mitbruder wie Franz Meurer haben", der dort segensreich arbeite. "Als Kirche und ihre Caritas sind wir aufgerufen, in diese Gegenden zu gehen."

Woelki lobte das Engagement der Katholiken in der Diaspora. "Wer dort sein Christsein lebt, ist viel häufiger in der Situation, sich dazu bekennen zu müssen. Da werden wir uns in Köln manches von Berlin abgucken können." Es gebe Schulklassen, aus denen nur ein Kind zur Erstkommunion gehe. In Berlin habe er den Prozess "Wo Glauben Raum gewinnt" angestoßen. Ähnliche Prozesse wolle er auch in Köln voranbringen.

Religion dürfe "nie und nimmer Privatsache" sein. Christen müssten öffentlich für den Glauben einstehen. Aufgrund der geringen Anzahl von Christen sei Ökumene in Berlin "nahezu lebensnotwendig". Von daher wolle er sich auch in Köln "um ein geschwisterliches ökumenisches Miteinander bemühen". Wie in Berlin wolle er das Gespräch mit anderen Religionen und Nicht-Glaubenden suchen. Er kündigte "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Politik" an - so wie er es auch in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erlebt habe.

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