Warnstreik in Bonn und der Region Flughafenbetreiber legten die Arbeit nieder

BONN/REGION · "So leer hab ich den Flughafen noch nie gesehen", sagte Roswitha Puscher kopfschüttelnd. Die Rentnerin aus Rheinhessen gehörte zu den wenigen Reisenden, die am Donnerstag trotz des Warnstreiks zum Frankfurter Flughafen gekommen waren.

Erst am Schalter erfuhr sie, dass sich ihr Turkish-Airlines-Flug nach Istanbul auf den späten Nachmittag verschiebt. Andere Fluggesellschaften hatten direkt nach Ankündigung des Warnstreiks einen Teil ihrer Verbindungen gestrichen, allein die Lufthansa sagte jeden dritten ihrer weltweit 1800 geplanten Flüge ab.

Betroffen seien 67.000 Passagiere, sagte eine Konzernsprecherin. Außer in Frankfurt legten auch in Köln/Bonn, Stuttgart, München, Düsseldorf, Hamburg und Hannover Tausende Beschäftigte der Flughafenbetreiber die Arbeit nieder. Rund 550 Flüge wurden in Frankfurt komplett gestrichen. Bundesweit waren es noch weitaus mehr.

Die Absagen der Airlines kamen für einige Fluggäste zu spät. Ben Joyal beispielsweise wurde um 7 Uhr morgens beim Einchecken in Paris von der Mitteilung überrascht, sein Lufthansa-Flug nach Frankfurt sei gestrichen. Stattdessen beförderte Air France den Kanadier und seine Familie nach Frankfurt, doch dort saßen die Joyals am Vormittag erst einmal fest. "Eigentlich sollten wir um 12 Uhr mittags in Vancouver ankommen, nun wird es wohl eher 22 Uhr", seufzte der Familienvater. In Kanada sei undenkbar, dass Gewerkschaften den Flugverkehr lahmlegten: "Das betrifft so viele Menschen, das ist doch eine essenzielle Dienstleistung."

Auch Rentnerin Puscher zeigte sich genervt: "Ganz Deutschland wird ja bald bestreikt", meinte sie mit Blick auf die Arbeitsniederlegungen auch im Öffentlichen Nahverkehr. "Wo soll das wirtschaftlich noch hinführen?" Die Lufthansa bezifferte die Kosten des Streiks auf eine Million Euro.

Erst im Februar hatte ein Arbeitskampf der Flughafen-Sicherheitskräfte in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland den Betrieb aufgehalten. Für diese Gruppe setzte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in einem am Mittwochabend geschlossenen Tarifvertrag Lohnerhöhungen von bis zu 27 Prozent durch. Dieses Mal waren es vor allem Mitarbeiter der Bodenverkehrsdienste, die ihre Arbeit niederlegten. Allein in Frankfurt streikten nach Verdi-Angaben 1500 von 1800 in der Frühschicht eingesetzten Beschäftigten.

"Wir verdienen viel zu wenig Geld für die harte körperliche Arbeit, die wir leisten", schimpfte ein Streikposten. Zum Bodenverkehrsdienst gehört beispielsweise das Be- und Entladen von Flugzeugen, die Beförderung von Besatzung und Passagieren auf dem Flugfeld sowie Hilfe beim Anlassen der Triebwerke.

"Wenn ich Arbeitslosengeld kriegte, stünde ich als Vater von zwei Kindern nicht schlechter da als mit meinem jetzigen Gehalt", sagte ein Mitarbeiter. Laut Verdi verdienen die Beschäftigten im Bodenverkehrsdienst für eine 39-Stunden-Woche im Schnitt 2000 Euro brutto pro Monat. Die Gewerkschaft fordert eine Erhöhung der Löhne um 3,5 Prozent plus 100 Euro mehr für jeden Beschäftigten.

Während der Streik in Frankfurt deutlich spürbar war, wirkten sich die Arbeitsniederlegungen auf den Betrieb des Köln-Bonner Flughafens nur in geringem Umfang aus, am Morgen. Viele Mitarbeiter des Bodenverkehrsdienstes hatten ab 5.30 Uhr gestreikt, und auch die Flughafenfeuerwehr beteiligte sich kurzzeitig, sodass der reguläre Betrieb für 20 Minuten unterbrochen werden musste.

Einige Fluggesellschaften hatten jedoch bereits am Vortag auf die Streik-Ankündigung reagiert und vorsorglich Abflüge von Köln aus abgesagt. Neben der Air France sowie der niederländischen Gesellschaft KLM war vor allem die Deutsche Lufthansa von den Maßnahmen betroffen: Vier Flüge nach München entfielen, insgesamt wurden 13 von 80 Flugbewegungen verschiedener Gesellschaften gestrichen. Auch sonst kam es nur zu geringen Verspätungen.

Etwaige überraschte Passagiere waren jedoch nicht in Köln gestrandet, wie Flughafen-Pressesprecher Walter Römer erklärte: "Da die Maßnahmen bekannt waren, sind viele betroffene Flugreisende offenbar vorzeitig auf andere Verkehrsmittel umgestiegen." Das Publikumsverkehrsaufkommen am Airport unterschied sich in der Folge auch bis zum Ende des Streiks am Nachmittag kaum von dem gewöhnlicher Reisetage.

Überrascht von den für den Geschäftsbetrieb verhältnismäßig geringen Auswirkungen zeigten sich vor allem die im näheren Umfeld des Flughafens Beschäftigten. So kam es weder an den Informationsschaltern zu gehäuften Nachfragen, noch hatten selbst einige Flughafenangestellte das Geschehen überhaupt realisiert: "Von dem Streik habe ich gar nichts mitbekommen. Bloß, dass da hinten so ein Verdi-Häuschen stand", äußerte sich etwa ein Mitarbeiter der Flughafensicherheit.

Dies lag dem Vernehmen nach auch daran, dass einige Dienstleistungen im Bodenverkehrsbereich mittlerweile von externen Unternehmen ausgeführt werden, deren Mitarbeitern das Streiken untersagt ist.

Auch die am Airport ansässigen Taxifahrer konnten keine gestiegene Nachfrage nach Fahrten verzeichnen: "Hier am Flughafen habe ich heute von dem Streik nichts zu spüren bekommen, das war eher tags zuvor in der Stadt der Fall. Es kamen vielleicht etwas weniger Leute hier in Köln an, aber für uns war es ein Tag wie jeder andere", sagte etwa Taxifahrer Detlef Schlosser.

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