Wolfgang Bosbach über die Krawalle "Eine neue Herausforderung für den Staat"

Köln/Bonn · Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach über die Krawalle von Köln und die Folgen.

 "Das Ganze wird auf dem Rücken der Polizei ausgetragen", sagt Wolfgang Bosbach.

"Das Ganze wird auf dem Rücken der Polizei ausgetragen", sagt Wolfgang Bosbach.

Foto: dpa

Für die Hooligans war die angeblich geplante Demonstration gegen den Salafismus nur ein Vorwand, um Gewalt auszuleben, sagt Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses.

Herr Bosbach, in Köln haben wir gerade ein neues Gewaltphänomen erlebt. Wie gefährlich ist der Zusammenschluss von Hooligans und Rechtsextremen?
Wolfgang Bosbach: Dieses Gewaltpotenzial ist eine neue Herausforderung für den Staat. Denn hier prallen religiöser Fanatismus, politischer Extremismus und hohe Gewaltbereitschaft aufeinander. Diese Mischung ist ein bisher nicht gekanntes Phänomen. Und dann kommen natürlich Jene dazu, die ohne jede politische Überzeugung für jede Schlägerei dankbar sind.

Was ist dabei die größere Kraft: die hohe Gewaltbereitschaft oder der Kampf gegen extremistischen Salafismus?
Bosbach: Wir müssen davon ausgehen, dass jedenfalls am Sonntag der Kampf gegen gewaltbereiten Salafismus ein Vorwand war und dass es im Kern darum ging, Gewalt auszuleben. Dabei soll der Eindruck erweckt werden, als sei der Staat gegen religiösen Fanatismus und gegen religiös motivierte Gewalt macht- und hilflos. Und deswegen brauche es den starken Arm der Rechtsradikalen, um Ordnung zu schaffen. Genau das darf ein demokratischer Rechtsstaat nicht dulden.

Was kann man dagegen tun, dass Rechtsradikale den Fußball unterwandern und aufmarschieren, weil sie vorgeben, den Salafismus bekämpfen zu wollen?
Bosbach: Das Phänomen ist in beiden Fällen vergleichbar. Die große Masse der friedlichen Fußballfans muss sich konsequent von den Gewaltbereiten unter ihnen trennen und darf ihnen unter keinen Umständen Deckung bieten. Das gilt auch für alle, die mit friedlichen Absichten gegen den Salafismus demonstrieren. Auch sie dürfen Gewalttäter nicht unfreiwillig schützen. Vielmehr sollten diese konsequent isoliert werden.

Hat der Veranstalter, ein Funktionär der Anti-Islam-Partei Pro NRW, das Risiko unterschätzt?
Bosbach: Das Interessante an den Ausschreitungen in Köln ist doch, dass der Veranstalter offenbar von einer friedlichen Demonstration mit einer überschaubaren Teilnehmerzahl ausgegangen war. Die starke Polizeipräsenz zeigt aber, dass die Lagebeurteilung der Polizei eine ganz andere und viel realistischer war. Mir stellt sich die Frage: Welche Abstimmungsgespräche hat es vor der Demonstration zwischen der zuständigen Behörde und dem Veranstalter gegeben? Und war die Polizei überhaupt beteiligt? Denn wenn via Facebook zur Teilnahme aufgerufen wird, dann kann die erwartete Teilnehmerzahl deutlich überschritten werden, und die Gewaltbereiten finden dann leichter Deckung. Das Ganze wird dann auf dem Rücken der Polizei ausgetragen.

Wer ist jetzt gefordert - die Deutsche Fußball-Liga, die Vereine über ihre Fanbeauftragten oder die Innen- und Justizminister?Bosbach: Fußball und der Gewaltexzess in Köln sind zwei verschiedene Dinge. Für die Fußballszene gilt, dass nie mehr Anstrengungen in punkto Fanarbeit und Prävention unternommen wurden als in den vergangenen Jahren. Die Vereine sind hier inzwischen wesentlich professioneller aufgestellt als noch vor zehn oder 15 Jahren. Aber leider lassen sich Ausschreitungen nie ganz verhindern, denn die geschehen zumindest in Deutschland schon lange nicht mehr im Stadion, sondern auf dem Weg dahin. Oft haben die gewaltbereiten Trupps überhaupt keine Eintrittskarte für das Spiel. Das zeigt: Ihnen geht es gar nicht um den Fußball, ihnen geht es um Gewalt.

War der Polizeieinsatz entschieden genug, um für eine eventuell geplante Wiederholung abzuschrecken?
Bosbach: Die Polizei hat versucht, aus einer schwierigen Situation das Beste zu machen. Sie ist mit einer massiven Präsenz angetreten. Aber das Ausmaß der Gewaltbereitschaft und die Teilnehmerzahl hat die Erwartungen übertroffen. Die Polizei hat da eine schwierige Aufgabe: Sie hat die Pflicht, das Demonstrationsrecht zu schützen, und sie soll zugleich gegen jede Form von Gewalt konsequent vorgehen.

Muss der Staat bei vorhersehbar schwerer Gewalt das Demonstrationsrecht einschränken?
Bosbach: Schon nach geltender Rechtslage sind Einschränkungen des Demonstrationsrechtes zur Abwehr schwerer Gefahren möglich. Aber die Hürden hierfür sind sehr hoch. Wenn die zuständigen Behörden versucht haben, aus Gründen der Gefahrenabwehr das Demonstrationsrecht einzuschränken, sind deren Verfügungen in aller Regel von Karlsruhe im Wege von Eilentscheidungen aufgehoben worden. Deshalb sind die Behörden bei Auflagen sehr zurückhaltend, weil der Nachweis, dass es zu schweren Straftaten kommen könnte, nur sehr schwer zu führen ist.

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