Verfahren gegen Salafistenprediger Ibrahim Abou-Nagie Die Anklageschrift bleibt in der Tasche

KÖLN · Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch, das Medienaufgebot groß, und auch an Anhängern Ibrahim Abou-Nagies mangelt es nicht am Donnerstagmorgen im Amtsgericht Köln.

Der salafistische Prediger Ibrahim Abou-Nagie erscheint gestern mit Sympathisanten vor dem Kölner Amtsgericht zu seinem Prozess wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betrugs.

Der salafistische Prediger Ibrahim Abou-Nagie erscheint gestern mit Sympathisanten vor dem Kölner Amtsgericht zu seinem Prozess wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betrugs.

Foto: dpa

Gewerbsmäßiger Betrug, so lautet der Vorwurf, gegen den sich der bekannte Salafistenprediger seit gestern verantworten muss. Erst einmal aber ist der Prozess nun vertagt und dürfte sich um Wochen verzögern.

Die Rede ist von 53 000 Euro, die der Initiator der Koran-Verteilaktion "Lies!" über zwei Jahre zu Unrecht vom Jobcenter bezogen haben soll. Wer in Köln mit einer schnellen, womöglich gar eintätigen Verhandlung gerechnet hat, wird schnell eines besseren belehrt: Zunächst wird die Hauptverhandlung nach mehreren formalen Anträgen der Verteidigung zwar mit Verspätung eröffnet - um sodann noch vor Verlesung der Anklageschrift auf unbestimmte Zeit vertagt zu werden. Abou Nagie, so entscheidet das Gericht, soll ebenso wie sein Mitangeklagter einen Pflichtverteidiger benennen; andernfalls werde ihnen das Gericht diese beiordnen. Pflichtverteidiger müssen - anders als Wahlverteidiger - zu anberaumten Terminen erscheinen. Genau das sieht das Amtsgericht im konkreten Fall offenbar nicht als gewährleistet an, zumal nun unverhofft weitere Termine nötig werden.

Bei den Wahlverteidigern handelt es sich mit den Bonner Strafverteidigern Mutlu Günal und Carsten Rubarth um bekannte Gesichter, wenn es um Beschuldigte aus der Salafistenszene geht. Auch in zwei Prozessen vor dem OLG Düsseldorf - dort geht es um den gescheiterten Bombenanschlag vom Bonner Hauptbahnhof sowie um die mutmaßliche Unterstützung der Terrororganisation Islamischer Staat - haben sie Mandate inne. Auch an diese Verfahren könnte Richter Bernd Krieg gestern denken, als er auf "mögliche Terminüberschneidungen" verweist, die die Beiordnung von Pflichtverteidigern "unverzichtbar" machten.

Anders interpretieren es die Verteidiger, die den Richter am Morgen erst einmal mit einem Befangenheitsantrag konfrontiert hatten: Das Gericht habe sie aus dem Prozess drängen wollen, der nunmehr wohl "geplatzt" sei, sagt einer der Anwälte und wirkt dabei keineswegs unzufrieden: Vielmehr verweist er auf die gesetzlichen Fristen und die Erfordernis, dass sich die Verteidigung zugleich in gebotener Weise in das Verfahren einarbeiten können müsse. Rein theoretisch können sich auch die bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger bestellen lassen.

Um die Sache geht es an diesem ersten Prozesstag somit nur vor den Saaltüren. Vor den Kameras weist Anwalt Mutlu Günal die Vorwürfe gegen seinen Mandanten entschieden zurück. Unweit warten knapp 40 Männer, die äußerlich der Salafistenszene zuzuordnen sind und die Besucherbänke nahezu vollständig in Beschlag nehmen. Per Videobotschaft hatte Abou-Nagie seine "Geschwister" dazu aufgerufen, ihm im Gerichtssaal beizustehen. Der Vorwurf gegen ihren Mitstreiter, er bestreite vom Spendenkonto für seine religiösen Aktivitäten womöglich auch den privaten Lebensunterhalt seiner fünfköpfigen Familie, scheint sie nicht zu irritieren.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat Abou-Nagie das "Hartz-IV"-Geld in Höhe von mehr als 53 000 Euro nämlich deshalb zu Unrecht bezogen, weil ihm aus den Spenden für seine Koran-Aktion bereits ein stattliches Privatvermögen zur Verfügung gestanden habe. 21 000 Euro soll allein der von Abou-Nagie genutzte Mercedes verschlungen haben. Davon allerdings wusste das Jobcenter nichts. Dort, heißt es, habe sich der Protagonist des politischen Salafismus in Deutschland als mittellos ausgegeben. Neben den Koranverteilungen engagiert sich der 50-Jährige seit Jahren bei vermeintlichen Hilfsaktionen für Syrien, die es auch in Bonn und der Region immer wieder gibt. Nach Ansicht der Sicherheitsbehörden dienen die Benefizaktionen allerdings vor allem der Rekrutierung von Salafisten - und der Finanzakquise.

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