Nachruf Alfred Neven DuMont - Ein Verleger der alten Schule

KÖLN · Der Kölner Familienunternehmer, Medienpatriarch und Publizist Alfred Neven DuMont starb mit 88 Jahren.

Was für ein Auftritt. Ein 87-jähriger Verleger packt seine Kollegen bei der Ehre. Berlin, Ende September 2014: Der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger begeht sein 60-jähriges Bestehen. Unvergesslich, wie Alfred Neven DuMont seinen Kollegen darlegt, was den Zeitungen "niemand nehmen kann", wenn sie es sich nur selbst nicht nehmen: Beiträge, die in die Tiefe gehen und die Menschen in ihren Lebenszusammenhängen berühren. Das sei "das Feld, auf dem wir unschlagbar sind, auf dem Zeitungsjournalisten etwas können, was kein anderer kann" - und dafür sollten Verlage sogar mehr und nicht etwa weniger ausgeben.

Das ist jetzt acht Monate her, und kaum ein Anwesender hätte geglaubt, dass Alfred Neven DuMonts Brandrede zu seinem Vermächtnis geraten würde. Am Samstag ist der langjährige Chef der Mediengruppe DuMont Schauberg und Herausgeber von Kölner Stadt-Anzeiger, Express und Berliner Zeitung, der Ehrenpräsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Nun fehlen seine unvergesslichen Sätze. Seine Debattenbeiträge, die nicht nur aus jahrzehntelanger Lebens- und Berufserfahrung gespeist waren, sondern auch aus der Geschichte eines Familienunternehmens, das er in der elften Generation führte.

Ja, was für ein Leben. Und was für eine Familie. Rheinisch-katholisches Großbürgertum. Alfred Neven DuMont wurde am 29. März 1927 geboren, Sohn des Verlegers Kurt Neven DuMont und seiner Frau Gabriele, einer Tochter des Malers Franz von Lenbach. Die Familie gab damals mit der Kölnischen Zeitung eines der einflussreichsten überregionalen Blätter Deutschlands heraus. In der NS-Zeit unterwarf sich Kurt Neven DuMont der Gleichschaltung der Presse. Die Kölnische Zeitung war damit nicht wirtschaftlich, aber ideell am Ende.

Ein Kapitel Familien- und Zeitungsgeschichte, das für Alfred Neven DuMont doppelt bedeutsam war. Zum einen: Auch wenn der Kölner Stadt-Anzeiger 1949 als Regionalzeitung begründet wurde, hat sein Verleger die Idee nie aufgegeben, Medien mit nationalem Anspruch zu machen. So ist die Übernahme der Berliner Zeitung zu erklären, aber auch sein Engagement bei der Frankfurter Rundschau, das er teuer bezahlt hat.

Zum anderen haben ihn die Erfahrungen der NS-Zeit persönlich nie losgelassen. Das gilt für die Geschichte des Hauses, die er durch den Historiker Manfred Pohl erforschen ließ. Es gilt aber auch für den eigenen Lebensweg, etwa die Begegnung mit Zwangsarbeitern oder seine Rettung durch einen jüdischen Arzt. Darüber berichtet er in seiner Autobiographie, die demnächst mit einem ersten Band erscheint - ein weiteres in der Reihe seiner Bücher.

Was für ein leidenschaftlicher Autor. Alfred Neven DuMont, 1953 ins Familienunternehmen eingetreten, das er dann seit dem Tod seines Vaters 1967 führte, war ein schreibender Verleger. "Seine geschliffenen Stellungnahmen zu Vorgängen im Land und in Stadt und Region fanden vielfach Zustimmung, auch scharfe Ablehnung, aber jedenfalls große Aufmerksamkeit", würdigte Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger Neven DuMonts Wirken. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki nannte den Zeitungsverleger eine bedeutende Persönlichkeit. Beeindruckt habe ihn auch das wohltätige Engagement DuMonts, das er in Köln und vor allem in einer Vielzahl von Projekten in Afrika geleistet habe.

Alfred Neven DuMont hat mit Medien hervorragende Geschäfte gemacht - dazu gehört neben der Expansion seiner Kölner Zeitungsgruppe auch der Kauf der Mitteldeutschen Zeitung in Halle -, aber er hat dieses Geschäft nie allein um des Geschäfts willen betrieben. Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke 1968 blockierten Studenten seine Druckerei, in der damals auch die Bild-Zeitung hergestellt wurde. Neven DuMont ließ sich auf Diskussionen mit den jungen Leuten ein - und verlor den Druckauftrag. Sein Express, 1964 als Abwehrmaßnahme gegen Axel Springers Mittag begründet, gewann immer mehr Bedeutung als publizistische Alternative zur Bild-Zeitung.

Der Erhalt der Zeitungen, die Sicherung der publizistischen Vielfalt waren für ihn Lebensthemen. Ob er vor acht Monaten den Politikern und Verbandskollegen in Berlin sein "Wir wollen überleben" entgegenrief - oder ob er vier Jahrzehnte zuvor gegen das damals geplante Presserechtsrahmengesetz zu Felde zog. Für seine Ziele hat sich Alfred Neven DuMont weit über das eigene Unternehmen hinaus engagiert: als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger von 1980 bis 1984, als Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln von 1990 bis 1998, als Honorarprofessor für Medienwissenschaften in Halle, als Initiator sozialer Hilfswerke und als Mäzen.

Was ist hier für ein Lebenswerk zu besichtigen - und fortzuführen. Die Familie bleibt durch Alfred Neven DuMonts Tochter Isabella und durch seinen Neffen Christian DuMont Schütte im Aufsichtsrat des Konzerns vertreten. Neven DuMonts Sohn Konstantin hat sich aus dem Vorstand zurückgezogen. Dessen älterer Bruder, der Künstler Spiridon (Marcus) Neven DuMont, ist 1995 im Alter von 28 Jahren gestorben. Charakteristisch für Alfred Neven DuMont und seine Frau Hedwig ist es, wie sie mit diesem Schlag umgingen: Sie stifteten im Gedenken an ihren Sohn einen Preis, der Kölner Kunsthochschul-Studenten zugutekommt.

2009 schrieb Alfred Neven DuMont in einem Nachruf auf seinen früheren Chefredakteur Martin Süskind: "Süskind war ein Redakteur der alten Schule, wahrscheinlich einer der letzten Herren dieser Art, die unser Haus hatte." Auch so ein unvergesslicher Satz. Man kann ihn auf den verstorbenen Patriarchen selbst anwenden: In einer Zeit, in der Verlagsmanager zynisch bemerken, Redakteure bekämen doch auf jeden Fall mehr als den gesetzlichen Mindestlohn - in dieser Zeit war Neven DuMont ein Verleger und Herausgeber der alten Schule. Einer der letzten Herren dieser Art im Land.

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