Kölner Wallraf-Richartz-Museum Wenn Götter lieben

Köln · Mit textilarmen Darstellungen, die zur Jahreszeit passen, und einer Ausstellung, die zudem eine spannende, abgründige Geschichte erzählt, beglückt das Kölner Wallraf-Richartz-Museum sein Sommerpublikum.

 Stich aus der Folge "Amor und Psyche" (um 1545/69). Das Bild geht auf die "Metamorphosen" des Universalgelehrten Apuleios zurück.

Stich aus der Folge "Amor und Psyche" (um 1545/69). Das Bild geht auf die "Metamorphosen" des Universalgelehrten Apuleios zurück.

Foto: Museum

Mühelos und unterhaltsam meistert die Bildergeschichte die Fallhöhe vom Götterdrama zur prallen antiken Telenovela inklusive Sex & Crime. Auf dem "Spielplan" steht eine bizarre Moritat rund um den jungen Lucius, der vor einer Hexe in einen Esel verzaubert wird und Schreckliches erlebt. Unter anderem ist er Zeuge eines Dramas im Drama: Der Geschichte von Amor und Psyche, einem Stoff über irdische Niedertracht, das Begehren und ein göttliches Komplott. Die Story aufgeschrieben hat Apuleios um 170 in seinen "Metamorphosen". Der Stoff, insbesondere die antike Liebesgeschichte zwischen der sterblichen Psyche und dem Liebesgott Amor, erfuhr im 16. Jahrhundert eine blühende Renaissance: Raffael etwa ließ sich bei der Ausmalung der Villa Farnesina des Bankiers Agostino Chigi von der Lovestory inspirieren. Die Manieristen am Prager Hof Rudolfs II. illustrierten das Liebesstück - ein zauberhaftes Blatt nach Bartholomäus Spranger feiert das Finale, Amors und Psyches Hochzeit.

Aus Raffaels Werkstatt stammt eine 32 Stiche umfassende, mit Text unterlegte Folge über Psyche und Amor, die zwischen 1545 und 1560 entstanden ist und sich im Besitz des Wallraf befindet. Minutiös, ausufernd und mit Sinn für dramatische Höhepunkte wird die Geschichte erzählt. Dass oft bis zu drei aufeinanderfolgende Szenen raffiniert in einem Blatt vereinigt werden, steigert die Dramatik. Wir sehen, wie die wunderschöne Bürgerstochter Psyche der ebenfalls hinreißend aussehenden Göttin Venus in die Quere kommt. Ein klassisches Eifersuchtsszenario nimmt seinen Lauf: Die Göttin schickt ihren Sohn Amor, um Psyche per Liebespfeil mit dem "elendsten aller Menschen" zu verkuppeln. Der geflügelte Amor aber verliebt sich in Psyche.

Während göttliche und irdische Mächte ihr nach dem Leben trachten, setzt Amor alles daran, die Verehrte zu schützen. Schließlich lässt er sie durch seinen Götterfreund Zephir in ein arkadisches Tal bringen. Hier will er sich ihr ungefährdet nähern. Was der geflügelte Liebhaber auch ausgiebig tut. Man vergnügt sich "in süßen Seufzern", wie Apuleios vermerkt.

Der Deal: Psyche darf ihn nicht sehen, sie müssen sich in Dunkelheit lieben. Hier gerät die Bildergeschichte in eine kritische Phase: Bekanntlich ist vollkommene Dunkelheit nicht hilfreich, um eine Geschichte zu zählen, also taucht der Künstler sie in helles Licht. Da sehen wir die Schöne auf dem Lotterbett, ihr zur Seite der pummelige, kindliche geflügelte Amor mit einem doch recht knabenhaften Genital. Wie auch immer: Psyche wird schwanger, ihre eifersüchtigen Schwestern reden ihr ein, der nächtliche Geliebte sei ein Schlangenmonster, das sie nach der Geburt des gemeinsamen Kindes auffressen werde.

In einer meisterhaft gezeichneten Sequenz nähert sich Psyche mit Öllampe und Messer dem schlafenden Amor. Sie bricht das Gelübde, ihn nicht anzusehen, verfällt gleichwohl - sie hat sich zuvor mit Amors Pfeil geritzt - in tiefe Liebe. Und dann in Verzweiflung: Denn der geflügelte Knabe entschwindet durchs Fenster. Psyche wird depressiv, unternimmt Selbstmordversuche. Die Götter rächen sich überdies mit einer Reihe von Schicksalsschlägen, die die Bilderfolge einrucksvoll schildert. Selbst als sich Psyche der Venus unterwirft, ist der Rachedurst der Göttin nicht gestillt.

Bis zum Happy End nach einem Göttergipfel im Olymp, der Aufnahme Psyches und einem rauschenden Hochzeitsfest muss die Schöne noch einiges erleiden. Im letzten Bild dieses Renaissancecomics schlummert die nackte Psyche neben dem geflügelten Knaben, der einen merkwürdigen Blick durchs offene Fenster schickt... Bleibt nur anzumerken, dass Amor und Psyche nicht nur die Kunst beschäftigte, wie die Kölner Ausstellung eindrucksvoll belegt, sondern auch die Psychoanalyse, Sigmund Freud und C.G. Jung. "Freud ging es von Anbeginn an um das Seelenleben der Psyche und damit um jene 'seelischen und körperlichen Störungen, welche zunächst und unmittelbar auf das Seelische des Menschen einwirken'", schreibt Thomas Ketelsen, Leiter der Graphischen Sammlung, im Katalog. Die Psychoanalytiker interessierten sich auch brennend für die teuflische Konstellation der drei Schwestern.

Wallraf-Richartz-Museum, Köln; bis 25. Oktober. Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr. Katalog 8 Euro

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