Interview mit Krimi-Autor Stickelbroeck "Schreiben zwischen Humor und Spannung"

Seit mehr als 30 Jahren ist Klaus Stickelbroeck Polizeibeamter und Teil des Autorenquintetts Krimi-Cops. Die fünf Polizisten einer Dienstgruppe aus Düsseldorf schreiben ihre Kriminalgeschichten gemeinsam.

 Das Foto zeigt den Düsseldorfer Polizisten und Krimiautor Klaus Stickelbroeck am Düsseldorfer Rheinufer.K laus Stickelbroeck wohnt in Kerken am Niederrhein und arbeitet als Polizeibeamter in Düsseldorf.

Das Foto zeigt den Düsseldorfer Polizisten und Krimiautor Klaus Stickelbroeck am Düsseldorfer Rheinufer.K laus Stickelbroeck wohnt in Kerken am Niederrhein und arbeitet als Polizeibeamter in Düsseldorf.

Foto: Privat

Zum harten Brot des Krimiautors gehört die akribische Recherche,um eine vielschichtige Geschichte zu erzählen. Juckt es Sie nicht, aus einem Kurzkrimi einen Langkrimi zu stricken – bei all der Arbeit?

Klaus Stickelbroeck: Ja, die Ideen sind ja die gleichen. Ich entscheide relativ spontan, ob eine Idee so gut allein steht, dass ein Kurzkrimi daraus wird, oder ob sie so weit erzählt werden muss, dass es in einen Roman einfließt. Meistens hat es mein Held in den Romanen nicht nur mit einem Fall zu tun, den er gradlinig verfolgen kann. Es gibt noch einen Nachbarn der quengelt, weil er ein Problem hat, oder eine Nachbarin, die belästigt wird. Auch das sind Handlungsstränge, aus denen ein Kurzkrimi entstehen könnte. So kommt die gleiche Idee möglicherweise zu zwei verschiedenen Ergebnissen.

Lassen Sie uns an Ihrer Recherche teilhaben: Besuchen Sie Orte im Hinblick auf mörderische Kulissen? Rheinbach wäre in dieser Hinsicht einen zweiten Blick wert: Im Hexenturm sind im 17. Jahrhundert Frauen eingesperrt worden, die im Feuer ihren Tod fanden.

Stickelbroeck: Jaaa, das klingt sehr gut – also jetzt für Unbeteiligte... Aber tatsächlich mache ich das. Das hat sich bewährt. Wenn ich eine Idee habe, die an einem bestimmten Ort spielen soll, ist es wichtig, dass man diesen Ort kennt. Da fahre ich hin und gucke mir das an. Es gibt Stimmungen, die man auffängt, die für einen Ort typisch sind. Es ist gut, wenn man weiß, welche Historie in einem Ort steckt, und dies auch durchblicken lässt. In Düsseldorf gibt es zum Beispiel den Hermannplatz. Da ging man früher nicht hin, das war gefährlich. Heute ist der Hermannplatz eine Top-Wohnlage. Wenn man diese Entwicklung in einen Krimi reinbringt, können die Leser sagen: Ja, so war's. Wenn es geht, schaue ich mir die Örtlichkeiten an.

Ihre Kurzkrimis spielen aber an vielen, sehr unterschiedlichen Orten, wie dem Niederrhein, das Ruhrgebiet, der Eifel, dem Nebelhorn im Allgäu, Mallorca oder griechischen Inseln. Reisen Sie so viel?

Stickelbroeck: Ja, aber das war es auch fast schon. Ich bin noch in Australien gewesen und plane jetzt einen Kriminalroman, in dem mein Held aus Düsseldorf einen Fall in Australien lösen muss. Dann hätte ich Hintergrundkenntnisse, die ich einbringen kann. Ich finde, man kann beim Lesen merken, ob man das Lokalkolorit einfängt, oder ob man sich über Google Maps irgendwas erlesen hat.

Als Polizeihauptkommissar blicken Sie in viele Abgründe des menschlichen Zusammenlebens. Ist es da nicht verlockend, aus dem Nähkästchen zu plaudern?

Stickelbroeck: Verlockend ist das, aber ich darf es nicht machen. Wenn ich im Detail einen Kriminalfall habe oder prominente Personen kennenlerne, lasse ich das weg. Da würde der Dienstherr schimpfen. Auf dieses Glatteis begebe ich mich erst gar nicht. Wenn schon der Anfangsverdacht besteht, dass es prekär sein könnte, lasse ich es weg. Man muss da sehr sensibel sein. Die Leute, mit denen ich zu tun habe, befinden sich in einer Ausnahmesituation, da sie mit der Polizei zu tun haben. Das darf man nicht ausnutzen.

Wie stecken die Krimi-Cops die „Reviere“ ab? Gibt es einen Austausch über mögliche Themen?

Stickelbroeck: Gibt es. Schon im Vorfeld, bevor wir anfangen zu schreiben, setzten wir uns zusammen und bestimmen das Grundthema des Krimis. Im neuen Buch geht es etwa um geschmuggelte Ware in der Kunstszene, und es geht um Flüchtlinge. Das Thema kam bei uns auf, weil einer von uns Auslandseinsätze auf Lesbos und im Kosovo hatte. Seine Erfahrungen und Erlebnisse lassen sich einbringen in solch einem Buch, ohne aus dem Nähkästchen zu plaudern. Das haben wir als ersten Schritt festgelegt und dann wird munter drauflos geschrieben.

Munter drauflos?

Stickelbroeck: Die erste Szene wird geschrieben – im Computer. Ich koordiniere, dass alle diese Szene bekommen. Wer jetzt was schreiben möchte, schreibt es und schickt er es mir zu. Ich füge das in die Originaldatei ein, verschicke es erneut und jeder kann immer die neueste Version sehen. Das funktioniert so lange, bis wir uns bei circa Seite 100 wieder treffen. Dann müssen wir uns überlegen, wohin die Reise gehen soll. Bei Seite 200 treffen wir uns erneut, denn dann geht es in den Showdown. Linien, die gelegt worden sind, müssen wieder miteinander verwoben werden und sich treffen. Alle Fünf müssen den Roman letztlich absegnen. Und dann gucken wir mal, was der Lektor so sagt... Wir haben aber nicht einzelne Figuren einzelnen Schreibern zugeordnet.

Sie sind derzeit als Dienstgruppenleiter in der Düsseldorfer Altstadt im Einsatz. Sehnt sich ein Ordnungshüter an der „längsten Theke der Welt“ manchmal nicht nach einem Job im Innendienst?

Stickelbroeck: Nee, überhaupt nicht. Das macht mir richtig Spaß. Ich arbeite mit sehr jungen und motivierten Kollegen zusammen. Es ist turbulent, eine Herausforderung, mit Leuten umzugehen, die nicht nur in der Altstadt zu finden sind, sondern wir betreuen auch die Stadtteile Oberbilk und Oberkassel. Das sind spezielle Menschen, die man dort antrifft. Mir macht das operative Dienstgeschäft großen Spaß. Reagieren zu können, spontan, flexibel und strategisch vernünftig aufgestellt zu sein – das macht Spaß.

Ihr Privatdetektiv Hartmann ist Ex-Fußballprofi. Sie spielen selbst ganz ambitioniert. Verarbeiten Sie darin einen Kindheitstraum?

Stickelbroeck: Eigentlich habe ich mir bei Hartmann Hobbys ausgesucht, wie ich sie auch habe. Er ist wie ich Fußballfan, interessiert sich für Soul- und Funkmusik. Da habe ich es mir an der Stelle ein bisschen leicht gemacht: Ich habe ihm Hobbys zugeordnet, bei denen ich mich auskenne. Dann kann ich mit Sprüchen, Zitaten, Spielern oder Liedern jonglieren. Und derjenige, der das Hobby auch hat, versteht das und findet es vielleicht auch noch witzig. Bodenturnen wäre bei mir schwieriger.

Was geschieht, wenn Sie befürchten, sich thematisch auf dünnes Eis zu begeben?

Stickelbroeck: Ich habe etwa eine Szene, da trifft Hartmann auf einen Nachtangler. Die beiden unterhalten sich, der Rhein wird beschrieben und außerdem, was geangelt wird. Ich habe diese Szene an einen Autor geschickt, der auch Angler ist. Der hat sich kaputt gelacht und gesagt, dass da wirklich alles falsch war. Er hat die Szene so überarbeitet, dass sie stimmig ist: die richtigen Fische, die richtigen Köder. Jemand, der sich mit Angeln auskennt, für den ist die Szene jetzt stimmig. Das geschieht, wenn man über etwas schreibt, von dem man keine Ahnung hat.

Ihre Geschichten kennzeichnet ein feiner Humor. Etwa wenn in „Kalte Blicke“ die Vermutung zur Sprache kommt, dass Wikipedia beharrlich verschweigt, dass Robbie Williams eine Frau ist. Wann schreiben Sie mal eine Komödie?

Stickelbroeck: Reizvoll ist für mich das Schreiben auf der Kante – zwischen Humor und Spannung. Das reizt mich schon. Ich lese gerne Krimis, aber ich lache auch gerne dabei. Aber unter dem Humor darf die Spannung nicht leiden. Meine Krimis sind oft so aufgebaut, dass der Humorteil am Anfang ein bisschen höher ist, aber wenn es in den Showdown geht, würde Humor stören. Dann geht es zur Sache und wird es flott. Und so sind beide Elemente enthalten. Wenn ich den Krimi entwerfe, achte ich darauf, dass es ausgewogen ist. Eine reine Komödie wäre schwierig. Ich habe Kurzkrimis, die extrem witzig sind und eine Pointe nach der anderen gesetzt ist. Die lese ich sehr, sehr gerne vor. Das würde bei einem Kriminalroman nicht funktionieren, weil ein Krimi spannend sein muss – sonst ist es kein Krimi. Humor darf kein Selbstzweck sein.

Klaus Stickelbroeck liest am Mittwoch, 24. Januar, 19 Uhr, bei Kayser, Hauptstraße 28, aus seiner Krimi-Anthologie „Haken dran“. Der Eintritt kostet zehn, ermäßigt acht Euro.

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