Interview mit dem Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies: "Müssen Vertrauen wieder zurückholen“

Köln · Die Welt wird an Silvester 2016 auf Köln schauen. Nach den Exzessen zum vergangenen Jahreswechsel darf diesmal nichts schief gehen. Polizeipräsident Jürgen Mathies soll dafür sorgen.

 Der Polizeipräsident von Köln, Jürgen Mathies, blickt vom Dom in Köln herab auf den Bahnhofsvorplatz.

Der Polizeipräsident von Köln, Jürgen Mathies, blickt vom Dom in Köln herab auf den Bahnhofsvorplatz.

Foto: dpa

In der Silvesternacht 2016 werden viele Augen auf Köln gerichtet sein. Der Mitte Januar ins Amt gekommene Polizeipräsident Jürgen Mathies ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass diesmal Bilder einer friedlich feiernden Domstadt um die Welt gehen. Ein Einsatzdebakel wie beim vergangenen Jahreswechsel am Hauptbahnhof darf sich nicht wiederholen. Der 56-Jährige soll Vertrauen in die Sicherheitskräfte zurückgewinnen.

Zunächst rückblickend: Was denken Sie fast ein Jahr nach der Silvesternacht?

Jürgen Mathies: Die Bilder der Silvesternacht gehen mir nicht aus dem Kopf. Diese eskalierende Gewalt. Dieses Verrohende. Dieses absolute Chaos. Und es ist natürlich verbunden mit großem Bedauern. Es tut mir von ganzem Herzen leid, was diese Frauen in dem Gedränge erlitten haben und dass die Institution Polizei, auf die alle setzen, wenn sie in Not geraten, ihnen nicht hat helfen können. Dass sie nicht da war.

Was weiß man inzwischen über die Täter?

Mathies: Wir gehen von 1000 bis 1500 Männern aus, die sich im Bahnhof, auf dem Vorplatz und den Treppen zum Dom aufgehalten haben, die im Verlauf zunehmend aggressiv, gewaltbereit und übergriffig wurden - bis hin zur Begehung von erheblichen Straftaten. Wir wissen von den mehr als 300 Beschuldigten, die wir als Tatverdächtige ermittelt haben, und von einigen weiteren Personen, deren Identität festgestellt worden war, dass sich ein überwiegender Teil erst seit wenigen Monaten in Deutschland aufgehalten hat. Eine große Gruppe hatte einen Asylbewerber-Status oder hielt sich hier illegal auf.

Die Verantwortung dieses Amtes war nie größer. Haben Sie lange überlegt?

Mathies: Meine Bedenkzeit war kurz. Ich bin morgens von Innenminister (Ralf) Jäger angerufen worden, ich saß gerade mit meiner Frau beim Frühstück. Ich habe sehr schnell entschieden.

Was muss sich ändern als Konsequenz auf Silvester?

Antwort: Viele Beteiligte, viele Verantwortungsträger bundesweit sind durch dieses Ereignis wach gerüttelt worden. Man hat erkannt, dass Innere Sicherheit nicht so im Fokus war, wie sich das viele gewünscht hätten.

Was muss konkret besser werden in der Polizeiarbeit?

Mathies: Es geht zuerst darum, Vertrauen zurückzuholen. Dafür steht an erster Stelle, Polizei ansprechbar zu machen. Das heißt, die Präsenz in hohem Maße zu steigern. Überall, wo es möglich ist. Frühes, konsequentes Einschreiten ist wichtig, sich nicht erst irgendwas entwickeln lassen. Und gute Zusammenarbeit. Konzertiertes Handeln mit Partnern aus Stadt oder karitativen Einrichtungen - auch das gehört dazu.

Was ist bisher erreicht?

Mathies: Unser Konzept der erhöhten Präsenz und des frühen Einschreitens greift. Im Jahresverlauf sind die Wohnungseinbrüche in Köln um 25 Prozent zurückgegangen, die Taschendiebstähle um 20 Prozent. Die sogenannte Nafri-Szene, die nordafrikanischen Intensivtäter, stellen das Täterklientel insbesondere der Taschendiebe in Köln. Sie gehört zu den Gruppierungen, die uns Sorgen machen. Seit ich da bin, haben wir 18 Razzien durchgeführt gegen Personen, die dieser Szene zuzurechnen sind. Die Polizei sorgt für Unruhe, das ist wichtig.

Wie sieht das Sicherheitskonzept für Silvester 2016 aus?

Mathies: Es baut auf der gemeinsamen Verantwortung von Stadt und Polizei auf. Die Stadt hat klare Entscheidungen getroffen, was Abgrenzungen rund um den Dom angeht. Pyrotechnik ist untersagt. Es wird viele Kontrollen geben. Die Stadt setzt auch einen privaten Sicherheitsdienstleister ein. Die Polizei wird mit weit mehr als 1000 Kräften präsent sein. Es geht uns darum, denen, die friedlich feiern wollen, das auch zu ermöglichen. Ich möchte kein Bild von martialisch auftretender Polizei bieten. Die Menschen werden sicher und friedlich feiern können.

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