Gewalt gegen Beamte Immer mehr Angriffe auf Polizisten in Köln und Bonn

Köln · Nach dem Warnschuss eines Drogenfahnders auf dem Kölner Ebertplatz bestätigen auch andere Behörden: Das Klima auf der Straße wird rauer. Die Politik reagiert mit Gesetzesverschärfungen, die Polizeigewerkschaft sieht die Gerichte gefordert.

Es war ein Warnschuss in die Luft, doch er rückt ein Thema in den Fokus, das immer häufiger in die Schlagzeilen gerät. Denn der Zwischenfall auf dem Kölner Ebertplatz am Dienstagabend reiht sich in eine Serie von Fällen, in denen Polizisten im Einsatz in Bedrängnis geraten. Bereits am Mittwochabend setzte sich die Serie sogleich in Herne fort: Dort sah sich ein Polizist zum Gebrauch seiner Dienstwaffe gezwungen, als ihn ein betrunkener Randalierer in einer Spielhalle mit einem Messer bedrohte. Der Angreifer wurde lebensgefährlich verletzt.

Fall Ebertplatz: Was war geschehen? Laut Polizeibericht war einem Zivilpolizisten gegen 20 Uhr an einem Hochbeet eine Gruppe Schwarzafrikaner aufgefallen. Die Gegend um Ebertplatz und Eigelstein gilt als Drogenumschlagplatz, und das Beet dient laut Polizei häufig als Depot. Um einen Drogenhandel zu unterbinden, erteilte der Polizist den mutmaßlichen Dealern einen Platzverweis, den sie auch befolgten. Im Hochbeet fand der Beamte einen Beutel mit Marihuana-Päckchen.

Als er die Drogen sicherstellte, kamen die Männer zurück und umringten den Beamten. „Wegen des zunehmend aggressiven Verhaltens der Gruppe zog der Beamte seine Schusswaffe, gab einen Warnschuss ab und forderte Unterstützung an“, so die Polizei. Eine Streife stellte kurz darauf einen Tatverdächtigen aus Sierra Leone (19) sowie einen zweiten Mann aus Guinea (26). Den übrigen Männern gelang die Flucht in Richtung Eigelstein. Offenbar konnten sie auch die Drogen vor der Polizei in Sicherheit bringen, denn von den Tütchen fehlt jede Spur.

Dafür kehrte einer der Verdächtigen schnell zurück: Bereits am Mittwoch handelte der 19-Jährige aus Sierra Leone am Ebertplatz erneut mit Rauschgift – und wurde einmal mehr festgenommen.

Angriffe mit Radmutterschlüssel und Machete

Weitere Vorfälle: In Düren reichte im vergangenen Herbst ein Knöllchen, um einen Streit eskalieren zu lassen. Zehn Beamte wurden bei der Auseinandersetzung mit einer türkischstämmigen Großfamilie so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Polizisten wurden teilweise persönlich bedroht. Einem 37-jährigen Beamten wurde mit einem Radmutterschlüssel ins Gesicht geschlagen; dabei, so steht es in einem Bericht des Innenministeriums, zertrümmerte man ihm die Augenhöhle.

Weitere Nachrichten über verletzte Beamte, etwa aus dem Ruhrgebiet, ließen sich nahtlos anfügen. Anders als in Düren machten Polizisten nur Tage später von der Dienstwaffe Gebrauch: In Moers ging ein 48-Jähriger nach einem Verkehrsunfall mit einem Messer auf Polizeibeamte los, in Hagen wurden Beamte von einem Mann mit einer Machete attackiert. In beiden Fällen wurden die Angreifer erschossen.

Gesamtentwicklung:Der jüngste Fall aus Köln trägt somit zu einer Gesamtentwicklung bei, die vermehrt von Sicherheitsbehörden beklagt wird. So stieg die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Polizeibeamte in NRW im Jahr 2016 auf 8955. Gegenüber 2015 entspricht das einem Anstieg um 14 Prozent. 58 Prozent standen unter Alkoholeinfluss, 86 Prozent waren Männer. Die Zahl der Polizeibeamten, die Opfer eines Übergriffs wurden, stieg von 13.875 auf 16 710 (plus 20 Prozent). Deutschlandweit wurden 2016 mehr als 71.000 Beamte zum Ziel von Gewalt.

Gegenmaßnahmen:Nordrhein-Westfalen testet derzeit den Einsatz von Kameras an der Brust, die Polizisten bei einem Angriff einschalten können. Die kleinen Kameras haben ein Display, auf dem sich der Täter sehen kann. Dem Angreifer soll so klar werden, dass er eine Tat begeht und dabei gefilmt wird. Landesweit sind 200 Kameras für das einjährige Projekt vorgesehen.

Zudem haben Bundestag und Bundesrat im Mai die Einführung des Straftatbestandes „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ beschlossen. In Zukunft drohen für Attacken gegen Polizeibeamte bis zu fünf Jahre Haft. Das gilt auch für Übergriffe gegen Einsatzkräfte bei Streifenfahrten oder Unfallaufnahmen.

Steigende Zahlen in Bonn

Örtliche Polizeibehörden: Steigende Fallzahlen – wenn auch in geringerem Maße – meldet auch das Polizeipräsidium in Bonn. In dessen Zuständigkeitsbereich kam es im Jahr 2016 zu 213 Fällen von Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte, teilt das Präsidium auf Anfrage des General-Anzeigers mit. Das bedeutet eine Zunahme um elf Delikte oder um 5,45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Im Jahr 2016 wurden alle Fälle aufgeklärt“, teilt Polizeisprecher Frank Piontek mit.

Auch die örtliche Bonner Polizeistatistik lässt den Schluss auf einen bestimmten Tätertypen zu, der in diesen Fällen immer wieder auffällig wird: In zwei Dritteln der Fälle stand der Angreifer unter Alkoholeinfluss, zehn Prozent der Täter hatten Drogen genommen. Die Aggressoren sind nahezu ausschließlich erwachsene Männer. Und: 80 Prozent der Fälle ereigneten sich 2016 im Bereich der Bonner Innenstadt. 56 Mal wurden Beamte bei den Übergriffen verletzt, sechs Bonner Polizisten waren aufgrund ihrer Verletzungen vorübergehend dienstunfähig. „Wir untersuchen all diese Fälle genau“, sagt Piontek. Das Ergebnis fließe in Sondererhebungsbögen ein, die gezielt ausgewertet würden. Nicht zuletzt sei der Abwehr von Angriffen „immer Bestandteil der Fortbildung“ und werde „permanent an aktuelle Geschehnisse angepasst“.

Bekanntes "Problemklientel"

Einen Schritt weiter geht inzwischen die Polizei in Köln, wo die Vorgänge bei einem speziellen Kommissariat zentral zusammenlaufen. Insgesamt sahen sich die Beamten dort (Leverkusen inbegriffen) im vergangenen Jahr 3 818 Angriffen ausgesetzt. Im laufenden Jahr, so ein Polizeisprecher, zählte man bislang 1664 Fälle.

Als „Problemklientel“ gelten auch in Köln junge Männer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Immer wieder sind es hier auch größere Migrantengruppen oder ausländische Großfamilien, die einen verstärkten Kräfteeinsatz erfordern. Keine Lagebeurteilung ist derweil von der Düsseldorfer Polizei zu erhalten: „Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Anfrage an das Innenministerium“, so die Antwort einer Sprecherin in der Landeshauptstadt.

Das sagt die Gewerkschaft: Zunächst einmal sei man dankbar für die erfolgte Strafverschärfung, sagt Udo Schott von der Bonner Kreisgruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP), versieht dies aber mit einer Mahnung an die Justiz: „Viel zu oft wurden in der Vergangenheit Straftaten gegen Polizeibeamte bagatellisiert. Straftäter müssen spüren, dass Übergriffe auf Polizeibeamte hart sanktioniert werden“, so Schott.

Nachbesserungsbedarf sehe die Gewerkschaft nach wie vor bei der Ausrüstung mit modernen Schutzwesten und Elektroschockpistolen, die den Einsatz der Schusswaffe überflüssig machen könnten. Nicht zuletzt wiederholt der Gewerkschafter bei der Gelegenheit eine alte Forderung der GdP: Eine deutlich bessere Personalausstattung für den Streifendienst in Bonn.

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