Ausflug in die Wahner Heide Grün ist die Heide

Region · Sie ist ein Naturschatz: In der Wahner Heide leben mehr als 700 bedrohte Tier- und Pflanzenarten – in unmittelbarer Nachbarschaft des Köln/Bonner Flughafens. Naturschützer organisieren Wanderungen, und im August beginnt die Blütezeit.

Wenn Holger Sticht über die Heide spricht, dann fällt ihm direkt der Fußball ein. „Die Wahner Heide spielt in der Champions League der europäischen Naturschutzgebiete“, sagt der Vorsitzende des Bündnisses Heideterrasse, einem Zusammenschluss von Natur- und Umweltschutzgruppen. Mehr als 700 Tier- und Pflanzenarten, die auf der Roten Liste verzeichnet sind, leben in der weitläufigen Heide- und Waldlandschaft. Das Schutzgebiet liegt im Städtedreieck Köln, Rösrath und Troisdorf in unmittelbarer Nachbarschaft des Flughafens Köln/Bonn. Dort hebt alle paar Minuten ein Flieger von der fast vier Kilometer langen Startbahn ab. Donnerndes Grollen schallt über das Land. Dann ist es wieder ganz still – fast. Grillen zirpen, Kohlmeisen und Neuntöter zwitschern, Spechte hämmern in den dichten Waldungen. Natur pur am Rand der Millionenmetropole Köln.

Auf zehn markierten Rundwegen entdecken Wanderer die Landschaft zwischen dem Flughafen und der Autobahn Köln-Frankfurt. Zwischen sechs und elf Kilometer lang sind die Routen, gekennzeichnet durch schwarz-gelbe Piktogramme.

Als Startpunkt der mehr als sieben Kilometer langen Geisterbusch-Tour bietet sich der Turmhof an. Das von Donnerstag bis Sonntag geöffnete Informationszentrum war einst der größte Heidehof der Region. Heute beherbergt der Backsteinbau eine naturkundliche Ausstellung. Darüber hinaus starten Tourenführer von hier aus regelmäßig mit Besuchern zu Heidespaziergängen und vogelkundlichen Exkursionen.

Wo ist denn nun die Heide? Das mag sich mancher Wanderer fragen, denn auf den Rundtouren wechseln Buchenwälder, sumpfige Auen mit Birken und Erlen, lichte Eichenhaine und sandige Dünen einander ab. Ein Alter von 1000 Jahren soll die älteste Eiche im Bockshohner Land bei Altenrath der Überlieferung nach aufweisen, niemand weiß das so genau. „Unsere Heideflächen sind meist nicht so groß wie in der Lüneburger Heide, dafür gibt es bei uns eine größere Vielfalt an Lebensraumtypen“, erläutert der Heide-Experte Holger Sticht. Im Geisterbusch taucht die Calluna vulgaris, das Heidekraut, dann doch noch vor den Wanderern auf. Die Besenheide verwandelt die Landschaft Ende August in ein violettes Blütenmeer.

„Unter den dicken Hecken“, „Wolfsheide“, „In den vierzig Morgen“, „Hühnerbruch“ und „Altenrather Gemeen“ – so heißen einige Flurstücke des Gebietes, das erst seit 2004 ständig für Besucher geöffnet ist. Davor diente es ab 1953 der belgischen Armee als Panzerübungsgelände. Während dieser Zeit waren Wald und Heide nur an Wochenenden und einigen Feiertagen zugänglich.

Vom von der Kaserne Camp Altenrath ist heute nur die Panzer-Waschstraße zu sehen, Gestrüpp überwuchert die Militäranlage. Die Baracken wurden abgerissen. Doch die Heide ist nicht frei von militärischen Überbleibseln. „Lebensgefahr. Das gesamte Gelände ist auf Grund seiner historischen Nutzung mit Munition und sonstigen Kampfmitteln belastet“: So warnen Schilder die Besucher an den Parkplätzen. Schon ab 1818 machte der preußische Staat die Wahner Heide zum Schießplatz und Manövergebiet, Artilleriesoldaten feuerten im Hühnerbruch ihre Kanonen ab.

Von 1913 an baute die Luftwaffe in Köln-Wahn einen Fliegerhorst auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die britische Royal Air Force die Kasernen und erweiterte den Fliegerhorst, der 1957 für den Zivilverkehr freigegeben wurde.

Zum düstersten Kapitel in der Heide-Historie zählt das Kriegsgefangenenlager aus den 1940er Jahren mit dem zynischen Namen Hoffnungsthal. Ein stiller Ehrenfriedhof erinnert an die 112 ausländischen Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft. Kerzen flackern an den Grabtafeln unbekannter russischer Soldaten.

„Das militärische Sperrgebiet war ein Glücksfall für die Natur. So konnten über mehrere Generationen hinweg dort weder Wohn- noch Industriegebiete entstehen – mit der unrühmlichen Ausnahme des Flughafens“, erklärt Naturschützer Holger Sticht.

Trotz Kanonendonner und Panzerlärm haben sich Tier- und Pflanzenwelt in der einsamen Sperrzone prächtig entwickelt. Naturkundler zählen in dem weitläufigen Gebiet 100 Brutvogelarten und 2500 verschiedene Käfer. Als „Juwel“ bezeichnet Sticht die Wahner Heide, die erstmals 1931 unter Naturschutz gestellt wurde und 1968 mit der Ausweitung des Flughafens neue, engere Grenzen bekam.

Auch Rothirsche, Rehe und Wildschweine leben im Schutzgebiet. Die Kohlmeise, Wintergoldhähnchen, Gartenbaumläufer, Raubwürger, Ziegenmelker und der seltene Wendehals begeistern die Vogelkundler unter den Besuchern. „Zu den wertvollsten Arten zählt der streng geschützte Sommer-Feenkrebs“, erklärt Heidefachmann Sticht.

Der Feenkrebs ist gerade einmal zwei Zentimeter groß und lebt nur während der warmen Sommerwochen in den vielen Tümpeln, die auch von den Wanderwegen zu sehen sind. Ähnlich selten ist die Orchideenart Torfmoos-Knabenkraut, von der laut Sticht etwa 70 Prozent des weltweiten Bestandes in der Wahner Heide beheimatet sind.

Wanderer begegnen auf ihren Touren Wasserbüffeln, Glanrindern, Eseln, Schaf- und Ziegenherden. Die Tiere schaffen Wasserstellen und Tümpel für wertvolle Amphibien und halten den Bewuchs kurz.

Rastplätze für Wanderer mit Bänken gibt es in dem Schutzgebiet nicht. Das Heideland soll nach dem Willen der Naturschützer urig bleiben – sozusagen unmöbliert.

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