Prozess vor dem Bonner Landgericht Familienvater soll aus Geldnot Cannabis angebaut haben

Bad Münstereifel/Bonn · Fünf Jahre lang soll ein Handwerker Cannabis in einer Lagerhalle in Bad Münstereifel angebaut haben, der Umsatz soll um die eine Million Euro liegen. Als Grund gab er nun beim Prozessstart in Bonn Geldnot an.

Der Mann auf der Anklagebank ist eigentlich ein angesehener Handwerkermeister, doch den Lebensunterhalt für sich und seine drei Söhne hat er jahrelang anders verdient: Ab Januar 2012 betrieb er in seiner Lagerhalle in Bad Münstereifel eine florierende Cannabisplantage, bis der starke Geruch Nachbar alarmierte, die Polizei das Geschäft am 30. März schloss und er in U-Haft kam. Seit Dienstag steht der 56-Jährige wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels vor dem Bonner Landgericht .

Hier vor der 7. Großen Strafkammer gibt der 56-Jährige alle Vorwürfe zu. Seine drei Söhne sitzen zusammen mit seinem Bruder im Zuschauerraum und stehen ihm bei. Sein Bruder hat ihm sogar eine Anstellung als Handwerker besorgt, falls alles gut geht. Gut würde bedeuten, dass der 56-Jährige nicht hinter geschlossene Gitter muss. Damit sich diese Hoffnung vielleicht erfüllt, bleibt dem Angeklagten angesichts des Umfangs seines Plantagebetriebs nichts anderes übrig als ein reumütiges Geständnis. „Er betrieb eine professionelle Cannabisplantage, wo er fortlaufend 1230 Marihuanapflanzen anbaute und damit in mindestens neun Ernten einen Ertrag von jeweils 31 Kilo erzielte“, hält ihm Oberstaatsanwalt Roland Wangen vor. Der Ankläger geht von einem Ernteertrag von fast einer Million Euro in den fünf Jahren aus.

Sorge um die Söhne

Wie aber kommt ein Handwerksmeister dazu, zum Betreiber einer Haschischplantage zu mutieren, will Kammervorsitzender Jens Rausch, wissen. Wie der Angeklagte erklärt, ist das auch für ihn eigentlich unfassbar. Sein normales Leben als Handwerksmeister habe mit der Trennung von der Ehefrau einen Knacks bekommen, denn er stamme aus einer katholisch geprägten angesehenen Handwerkerdynastie. Er habe sein Haus verkaufen müssen, der Baumarkt sei eingebrochen, er habe seinen Betrieb schließen und als Auftragshandwerker arbeiten müssen. 2011 habe er gemerkt, dass er in seinem Alter nicht mehr gefragt war und Angst bekommen, nicht mehr für seine Söhne sorgen zu können.

Als er dann einem holländischen Kollegen von seiner Halle in Bad Münstereifel erzählt habe, habe der ihn mit einem Drogendealer bekannt gemacht. Der suchte jemanden, der für ihn in Deutschland eine Marihuanaplantage betreibt. „Da begann eine Phase in meinem Leben, auf die ich nicht stolz bin, für die ich mich schäme“, sagt der Angeklagte. Nach anfänglichem Zögern habe er das Angebot angenommen, weil er keinen Ausweg mehr gesehen habe: „Es begann eine surreale Zeit.“

Zwar habe ihm der Dealer gesagt habe, was zu tun sei, dennoch sei anfangs alles schiefgegangen. Dann aber habe die Plantage floriert, und er sich eingeredet, es sei eine normale Arbeit. Sein schlechtes Gewissen habe er mit Spenden für wohltätige Zwecke beruhigt. Schließlich habe er sein Leben als Plantagenbetreiber und die Reisen mit den Söhnen und seiner neuen Partnerin, die nichts geahnt habe, genossen. In einem Punkt widerspricht er der Anklage: So viel Geld, wie ihm die Plantage eingebracht haben soll, habe er nie erhalten. Er sei nur von dem Holländer bezahlt worden, er selbst habe keine Kontakte gehabt. Der Holländer ist noch nicht ermittelt.

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