Nach ICE-Brand in Montabaur Experten werfen Bahn Fahrlässigkeit vor

Mainz/Montabaur · Bahnexperten sehen nach dem Brand eines ICE bei Montabaur Anzeichen für wissentliches Fehlverhalten der Deutschen Bahn. Der Konzern weist die Anschuldigungen zurück.

Die Anzahl der Brände in ICE der Deutschen Bahn häuft sich. Das haben Recherchen des Politik-Magazins "Report Mainz" ergeben. Demnach sei es seit 2008 insgesamt zu 39 Bränden gekommen. Allein auf der Strecke Köln/Rhein-Main habe es seit 2006 fünfmal gebrannt. Experten zufolge ist diese Strecke sehr belastungsintensiv, weil die Züge hier Maximalgeschwindigkeiten von 300 km/h erreichen.

Bei dem Brand am 12. Oktober deutet laut Bahnexperte Prof. Markus Hecht alles auf eine Explosion im Kühlkreislauf des Transformators hin. So etwas trete auf, wenn das Buchholzrelais, das für die Überwachung der Öl-Temperatur und im Notfall für die Abschaltung des Transformators zuständig ist, nicht funktioniere, so Hecht gegenüber Report Mainz.

Offenbar kein Einzelfall, denn ein Sprecher der Deutschen Bahn teilte auf Anfrage mit, dass das Buchholzrelais bei Wartungsarbeiten gelegentlich überbrückt werde, wenn es kaputt ist. So können Züge auch mit einem Defekt auf die Gleise geschickt werden. Bei dem Brand zwischen Montabaur und Siegburg/Bonn sei dies nach Kenntnisstand der Deutschen Bahn zwar nicht geschehen. Experten sehen bei einer solchen Vorgehensweise aber trotzdem ein großes Sicherheitsrisiko. "Das ist ein wichtiger Schutzmechanismus, der sollte nicht außer Betrieb gesetzt werden", kommentiere Elektroingenieur und Bahnexperte Prof. Arnd Stephan die Praxis im Gespräch mit dem ARD-Magazin.

Rettungskräfte kritisieren Krisenmanagement

Dass es sich offenbar nicht um einen Einzelfall handelt, bestätigen Aussagen von Lokführern. Nach Angaben der Deutschen Bahn würden nur Züge der Baureihen 1 und 2 gelegentlich mit einer solchen technischen Hilfsmaßnahme versehen. ICE der Baureihe 3 - wie der, der bei Montabaur in Brand geriet - seien nicht modifiziert worden. Dem gegenüber stehen Stellungsnahmen diverser Lokführer, die bereits ICE 3 mit überbrücktem Relais gesteuert hätten.

Zusätzlich zu der zumindest fraglichen Modifizierung diverser Züge üben Rettungskräfte erhebliche Kritik am Krisenmanagement des Unternehmens. Im Fall des Brandes am 12. Oktober erreichte der zuständige Notfallmanager der Deutschen Bahn den Unglücksort erst 40 Minuten nach der Alarmierung der Rettungskräfte. Feuerwehrleute seien trotz frühzeitigen Eintreffens zum Nichtstun verdammt gewesen, weil der Notfallmanager erst die Hochspannungsleitung hätte erden müssen. In der Zwischenzeit hatte der Brand erheblichen zusätzlichen Schaden am Zug und der Infrarstruktur angerichtet.

Bahn dementiert Spekulationen zu Brandursache

In einer Stellungnahme hat die Deutsche Bahn inzwischen auf die Vorwürfe reagiert und diese alt "haltlos und unverantwortlich" zurückgewiesen. Eine angebliche Überbrückung des sogenannten Buchholzrelais als Auslöser des Fahrzeugbrands könne nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen der DB-Experten definitiv ausgeschlossen werden, so der Konzern. Die Bahn weist außerdem darauf hin, dass alle Züge der betroffenen Baureihe einer technischen Sonderprüfung unterzogen werden. Danach würden auch alle anderen ICE in die Werkstätten gerufen.

Generell sei das Sicherheitsniveau auf Neubaustrecken ist im gesamten Netz besonders hoch, teilte die Deutsche Bahn in einer Pressemitteilung mit. Auch die Notfallprozesse hätten im Fall des Brandes vor wenigen Wochen sehr gut funktioniert und für die Schnellfahrstrecke bestünden umfangreiche, gemeinsam mit den Rettungskräften erarbeitete Notfall- und Rettungskonzepte.

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