Nach Kölner Geiselnahme Ermittler prüfen Zusammenhang mit Rizin-Bomber

Köln · Handelte der Geiselnehmer in Köln aus terroristische Motiven? Das muss die Bundesanwaltschaft jetzt prüfen. Die Ermittler gehen auch der Frage nach, ob es einen Zusammenhang mit dem geplanten Rizin-Anschlag in Köln gibt.

Die Bundesanwaltschaft geht bei dem Brandanschlag und der Geiselnahme am Kölner Hauptbahnhof von einem islamistischen Hintergrund aus. Nach dem bisherigen Erkenntnisstand lägen dazu "zureichende Anhaltspunkte" vor, teilte die Behörde am Mittwoch in Karlsruhe mit. Deswegen leite der Generalbundesanwalt die Ermittlungen.

Die Bundesanwaltschaft erklärte, der Beschuldigte habe nach Zeugenaussagen die Freilassung einer Frau gefordert, deren Mann sich terroristisch betätigt haben soll. Nach Informationen dieser Zeitung prüft die Behörde deshalb einen Zusammenhang zwischen dem Geiselnehmer und einem in Köln geplanten Rizin-Anschlag. Mitte Juni war in Köln der Tunesier Sief Allah H. verhaftet worden. Er hatte nach dem aktuellstem Stand der Ermittlungen vor, eine mit Rizin präparierte Splitterladung "an einem geschlossenen und belebten Ort" zu zünden. Ende Juli hatten die Ermittler Sief Allah H.'s deutsche Ehefrau Yasmin verhaften lassen. Die 42-Jährige soll ihm unter anderem bei der Bestellung der Materialien geholfen haben.

Der Geiselnehmer von Köln soll während der Tat am Montag zudem erklärt haben, zum sogenannten Islamischen Staat (IS) zu gehören und nach Syrien ausreisen zu wollen. Vor diesem Hintergrund habe die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen, teilte die Behörde mit.

Der verdächtige 55-jährige Syrer, der beim Zugriff eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei schwer verletzt wurde, ist nach wie vor nicht vernehmungsfähig. Nach aktuellen Medienberichten setzten die Beamten den Mann mit einem Kopfschuss außer Gefecht. Eine mehrstündige Operation rettete ihm das Leben. Wegen der Schwere der Verletzungen ist eine Vernehmung auf absehbare Zeit aber nicht geplant.

In der Öffentlichkeit werden einige Fragen gestellt. Was passiert jetzt, warum wurde Mohammed A. R. nicht schon längst abgeschoben und wer kümmert sich eigentlich um die Opfer? Hier einige Antworten:

Handelte es sich bei der Tat um einen Terroranschlag?

Das ist aus Sicht der Bundesanwaltschaft nicht auszuschließen. Es lägen „zureichende Anhaltspunkte für einen radikal-islamistischen Hintergrund“ vor. Zeugen zufolge soll der Mann unter anderem geäußert haben, dass er Mitglied der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) sei. Ob dies tatsächlich zutrifft, ist Gegenstand der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Die Behörde will zudem herausfinden, ob Mohammed A.R. unmittelbar vor oder während der Tat Kontakt zu einem Mitglied der Terrororganisation hatte und ob es Komplizen oder Hintermänner gibt.

In welchen Fällen übernimmt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen?

Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe ist zuständig für alle schwerwiegenden Staatsschutzstraftaten, „die die innere oder äußere Sicherheit in besonderem Maße berühren“. Als Gefahr für die innere Sicherheit gelten politisch motivierte Delikte, insbesondere durch Terrorismus. Die äußere Sicherheit wird durch Landesverrat und Spionage gefährdet. Auch bei bestimmten schweren Straftaten - etwa Mord oder Geiselnahmen - kann der Generalbundesanwalt die Ermittlungen „wegen der besonderen Bedeutung des Falls“ an sich ziehen, wenn diese Taten geeignet sind, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. Im Kölner Fall hat die Bundesanwaltschaft die besondere Bedeutung bejaht.

Warum ist Mohammed A.R. nicht schon längst abgeschoben worden, obwohl er in Deutschland bereits mehrfach straffällig geworden ist?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat den Syrer als Flüchtling anerkannt, er besitzt eine gültige Aufenthaltserlaubnis bis Juni 2021. Mohammed A.R. ist laut Polizei bislang 13 Mal straffällig geworden, unter anderem wegen Ladendiebstahls und Betrugs. Für Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien gilt generell bis zum 31. Dezember 2018 ein Abschiebestopp. Eine mögliche Verlängerung dürfte Thema bei der nächsten Innenministerkonferenz Ende November sein.

Die Polizei hatte Zeugen gebeten, Fotos und Videos unter „nrw.hinweisportal.de“ hochzuladen. Wie ist die Resonanz?

Bislang eher dürftig. Es seien bisher nur recht wenige Fotos hochgeladen worden, die keine wesentlichen neue Erkenntnisse gebracht hätten, sagte eine Polizeisprecherin.

Wie geht es den Opfern?

Eine 14-Jährige befindet sich nach Polizeiangaben noch im Krankenhaus. Das Mädchen war schwer verletzt worden, als der Täter in einem Schnellrestaurant Benzin entzündete. Die Apothekenangestellte, die der Mann als Geisel genommen hatte, erlitt einen Schock und ist weiter in ärztlicher Behandlung. Die Opferschutzbeauftragte des NRW-Justizministeriums, Elisabeth Auchter-Mainz, bot den Verletzten und Zeugen Hilfe an. So könne ihr Team zum Beispiel Kontakte zu Traumapsychologen vermitteln und oder Informationen über den generellen Ablauf eines Ermittlungsverfahrens geben. Unter der Telefonnummer 0221-39909964 sei eine Hotline geschaltet.

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