Interview Christian Schmidt über die Pflegesituation in den Kliniken der Stadt Köln gGmbH

KÖLN · Prof. Dr. med. Christian Schmidt ist Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln gGmbH. Im Interview spricht er über die aktuelle Pflegesituation, Finanzmittel und wagt einen Blick in die Zukunft.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Pflegesituation?
Christian Schmidt: Der Wettbewerb um qualifizierte Pflegekräfte, vor allem für Funktionsbereiche wie den OP und die Intensivstation hat an Intensität erheblich zugenommen. Hier erwirtschaften Krankenhäuser jedoch den größten Teil ihrer Erlöse. Daher sehen wir zunehmend aggressivere Rekrutierungsstrategien zwischen den Häusern.

Gleichzeitig beobachten wir im stationären Bereich eine hohe Frustration der Pflegekräfte aufgrund der Arbeitsbedingungen. Die Berufswahl für einen sozialen Beruf als Pflegekraft erfolgt häufig mit dem Ziel, Befriedigung über die Empathie der Patienten zu erfahren. Tatsächlich schaffen es Pflegekräfte heute nur noch zu 20% am Patienten zu sein, der Rest der Arbeitszeit entfällt auf Verwaltungs- und Serviceaufgaben.

Kommt die aktuelle Arbeitsverdichtung durch mehr Patienten in weniger Zeit und weniger Betten hinzu, nimmt die Frustration weiter zu. Daher wird es eine der wichtigsten Aufgaben sein, die Prozesse der Patientenbehandlung neu zu organisieren und Pflegenden mehr Raum für die Patientenbetreuung zu geben. Dann erst wird der Beruf für viele wieder attraktiver und Fehl- bzw. Ausfallzeiten von 10-15% zurück auf ein normales Maß reduziert.

Ist auch in Randzeiten abends und am Wochenende eine adäquate Versorgung gewährleistet?
Christian Schmidt: Ja, auf jeden Fall. Dafür werden die Stellen- bzw. Dienstpläne entsprechend gestaltet. Schwierig wird es jedoch Ausfälle von Mitarbeitern während diesen Zeiten zu organisieren, weil nur die Mindestbesetzung der Mannschaft vor Ort ist. Diese Ausfälle beispielsweise über einen zentralen Pool aufzufangen wird zunehmend wichtiger.

Sind die Krankenhäuser adäquat mit Finanzmittel ausgestattet?
Christian Schmidt: Die Versorgung der Patienten ist über das DRG System auskömmlich finanziert. Damit lassen sich Personal- und Sachkosten üblicherweise bezahlen. Da sich jedoch die Träger der Krankenhäuser aus ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach §4 des Krankenhausgesetztes zurückgezogen haben, müssen aus den DRG Erlösen heute auch die Investitionen bezahlt werden.

Das sieht die DRG-Struktur jedoch nicht vor. Auch die in NRW eingeführten Baupauschalen decken allenfalls 10-20% der notwendigen Ausgaben. Folglich muss an der Finanzierungsstruktur der Häuser dringend etwas verändert werden, sonst werden mehr als die Hälfte der Kliniken nicht überleben.

Wie sehen Sie die Perspektive der personellen Situation in den Kliniken?
Christian Schmidt: Am Fachkräftemangel wird sich auch in Zukunft nichts ändern, im Gegenteil, die Situation wird noch gravierender, den die Anzahl der Menschen zwischen 20-60 Jahren wird sich bis 2040 um etwa 25% verringern. So wird der Fachkräftemangel erheblich zugespitzt. Daher gehe ich davon aus, dass sich der Krankenhausmarkt in den nächsten 5-10 Jahren im Wettbewerb um qualifiziertes Personal entscheiden wird.

Man kann jedoch etwas machen: Junge Mitarbeiter wählen eine Klinik heute wegen des Arbeitsklimas, der Struktur und Breite der Ausbildung und wegen der Familienfreundlichkeit aus. Hier haben die Häuser noch viel zu tun. Gleichzeitig sollten ältere Mitarbeiter motiviert, fachlich qualifiziert und körperlich fit gehalten werden. Dies geschieht durch gute Führung und eine Renaissance des betrieblichen Gesundheitswesens. Als Ergebnis wird die Führung in Krankenhäusern professioneller werden und Personalverwaltungen sich zu Abteilungen für Human Resources verändern müssen. Ein weiter Weg für viele Häuser, aber unvermeidbar.

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