Hooligans in Köln Bisher spinnefeind - jetzt Seit an Seit

KÖLN/DÜSSELDORF · Hooligans und Rechtsextremisten verbünden sich und leben ihre Gewaltbereitschaft gemeinsam aus. Verfassungsschützer sehen große Gefahr.

Bei jedem "Ahu"-Ruf der Hooligans wackelt der blaue Polizeibus ein bisschen mehr. Bis er schließlich ganz auf die Seite kippt, was bei den Demonstranten euphorischen Jubel auslöst. Es ist eine der bedrohlichen Szenen vom Sonntagnachmittag auf dem Breslauer Platz in Köln. Unter dem Deckmantel des Anti-Salafismus haben sich rund 4500 Hooligans und Neonazis in der Stadt versammelt und suchen Zoff mit der Polizei.

Vorn stehen die gewaltbereiten Hooligans, die sich aufgeregt ihre mit Quarzsand verstärkten Schlägerhandschuhe zurechtrücken und dem Polizeieinsatz entgegenfiebern. Weiter hinten werden Aussehen und Gesinnung immer gesellschaftskonformer: Familienväter Mitte 30, junge Frauen mit schwarz-rot-goldenen WM-Cowboyhüten, Senioren, die "frei, sozial und national" grölen.

Als die Polizei-Hundertschaften mit Schlagstöcken und Pfefferspray die Menge vom Bus zurückdrängen, spaltet sich die Gruppe. Wenige Hooligans bleiben stehen, der Rest ergreift die Flucht. Für einen kurzen Moment wirkt der Tross, der vom Hauptbahnhof durch die Kölner City und entlang des Rheins marschiert ist, nicht mehr so bedrohlich. Das ändert sich, als sich die Gruppe wieder formiert und ein Teil davon versucht, den Hauptbahnhof zu stürmen. Das gelingt aber nicht. Die Bilanz ist trotzdem erschreckend: 49 Polizisten werden bei der Straßenschlacht verletzt.

In Köln und Düsseldorf beginnen die politischen Aufräumarbeiten. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) zeigt sich entsetzt. "Hier ging es nicht um eine friedliche Demonstration gegen Salafisten. In Köln hat es erstmals eine bundesweite Mobilisierung von gewaltbereiten Hooligans gegeben, die die Versammlungsfreiheit als Plattform für Gewalttätigkeiten nutzen." Die Konsequenz: Jäger will alle Möglichkeiten nutzen, um Treffen der rechten Allianz künftig zu unterbinden.

Körperverletzung, Verstoß gegen das Versammlungsverbot und Landfriedensbruch - die Liste der Strafvorwürfe gegen bisher 57 Verdächtige ist lang. Die Demonstration war schnell außer Kontrolle geraten - die Polizei ging mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken vor.

Als Jäger die Lageeinschätzung der Polizei später als "präzise" verteidigt, zeigt sich CDU-Landeschef Armin Laschet fassungslos. In Köln habe es die größte gewaltsame Gewaltdemonstration in Deutschland seit langer Zeit gegeben. "Es war abzusehen, welche Gruppierungen mit welchen Botschaften hier mitten durch die Kölner Innenstadt ziehen."

Kölns Polizeipräident Wolfgang Albers verteidigt seine Beamten. "Auf gewalttätige Aktionen waren wir vorbereitet und sind unmittelbar gegen Straftaten vorgegangen. Durch den sofortigen Einsatz von Pfefferspray, Schlagstöcken und Wasserwerfern haben wir Angriffe auf Unbeteiligte weitestgehend verhindert", sagt er.

Während die Hooligans verschiedener Fußballclubs wie Schalke und Dortmund bisher untereinander verfeindet waren, registrierte der Verfassungsschutz erstmals eine gemeinsame Stoßrichtung - gegen die Polizei. Die Bewegung nennt sich "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa). Auf Facebook-Seiten wird das neue Konzept deutlich. "In den Farben getrennt, in der Sache vereint."

Jäger räumt ein, dass ihm das Bündnis von Hooligans und Neonazis Sorgen bereitet. Der gewaltfreie Aufruf des Veranstalters sei offenbar nur eine Worthülse gewesen. In Köln hätten sich Hooligans zum Prügeln verabredet und seien prügelnd und marodierend durch die Stadt gelaufen, klagt Jäger. "Der Hass und die Fremdenfeindlichkeit waren erschütternd." Für ein einfaches Verbot von Demonstrationen sieht der Minister allerdings kaum Chancen. Jäger will mit den Länderkollegen aber über Maßnahmen verhandeln. Grünen-Landeschef Sven Lehmann hat vor ein Verbot solcher Versammlungen prüfen zu lassen.

Klärungsbedarf über den Polizeieinsatz sieht die FDP. Die Gewalteskalation in Köln soll Thema im Landtag werden. FDP-Innenexperte Robert Orth fragt, "ob der Innenminister den Zusammenschluss von Hooligans und Rechtsextremen zu lange ignoriert hat". In Kürze soll Jäger im Innenausschuss einen schriftlichen Bericht zum Einsatz vorlegen.

Eine Eskalation der Gewalt wie am Sonntag in Köln gab es in NRW noch nicht. Zuvor hatten ähnliche Versammlungen von Hooligans im September in Dortmund und Essen sowie im Frühjahr in Mannheim stattgefunden. Dort war die Teilnehmerzahl mit 80 bis 300 aber überschaubar. Antreiber waren aus Sicht der Verfassungsschützer auch jetzt gewaltbereite Hooligans, während Rechtsextremisten sich der Bewegung nur anschlossen. NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier macht aber klar, dass Hooligans und Rechtsextremisten die Gewaltbereitschaft und aggressive Grundhaltung gegen den extremistischen Salafismus teilen. Hier sehen die Sicherheitskräfte die größte Gefahr: Dass sich die Gruppen zu einer kopfstarken Bewegung verbünden könnten.

Für Erich Rettinghaus, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, ist die "HoGeSa" ein neues Phänomen. Früher hätten sich die untereinander spinnefeinden Hooligans getroffen, um sich gegenseitig zu verletzten. Jetzt heiße es: "Wir schließen uns zusammen und sind jetzt auf der guten Seite, nämlich gegen die bösen Salafisten, gegen den IS."

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, geht einen Schritt weiter und fordert mehr Festnahmen von Randalierern. Dann könnten leichter Beweise gegen mutmaßliche Straftäter gesammelt werden. Viele Hooligans hatten bereits auf der Zugfahrt nach Köln Reisende angepöbelt. Auf Twitter schrieb ein Mitfahrer: "Heile in Köln angekommen. Zug voller besoffener Nazis. Keine Polizei dabei."

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