Teil 2 – 13.30 bis 21 Uhr 24 Stunden in der JVA Rheinbach

Rheinbach · In der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt werden Gefangene nicht bloß „weggesperrt“. Sie bekommen allerlei Rüstzeug und Möglichkeiten für ihr Leben nach der Haft an die Hand. Der GA durfte hinter die acht Meter hohen Mauern blicken.

Der zweite Teil des Tages hinter Gittern beginnt für den General-Anzeiger in der Kantine der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rheinbach. Stefan Leif, Vorsitzender des Personalrates der JVA, nutzt die mittägliche Pause, um darüber zu sprechen, dass die JVA an der Aachener Straße nicht nur ein Ort des Vollzugs für Straftäter ist, sondern auch ein attraktiver und – im Wortsinne – sicherer Arbeitsplatz.

13.30 Uhr: „Wir könnten alleine in unsere JVA acht bis neun neue Mitarbeiter beschäftigen. In ganz NRW fehlen im Vollzug rund 300 Mitarbeiter“, sagt Leif. Letztlich sei die Arbeit im Gefängnis eine Art Sozialberuf. „Wir Mitarbeiter haben auch eine Betreuungsfunktion und sind oft der erste Ansprechpartner, etwa wenn der Gefangene erfährt, dass sich seine Frau von ihm getrennt hat“, berichtet der Personalratschef. „Es soll ein Verhältnis zu den Gefangenen entstehen, allerdings ohne die Distanz zu verlieren“, stellt Leif klar. Mithin ist die JVA mit rund 250 Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber für Rheinbach – und werde es bleiben. Durch den Neubau des C-Flügels vergrößert sich die Kapazität der Anstalt von 545 auf 617 Gefangene – so gesehen ein sicherer Beruf.

14 Uhr: In der Wohngruppe für „lebensältere Inhaftierte“ ist Basteln angesagt. 16 Männer, die alle mindestens 60 Jahre alt sind, wohnen in einer Abteilung zusammen, die es seit November 2015 in Rheinbach gibt. Der Clou in dieser Abteilung: Die Inhaftierten bekommen in der Wohngruppe einen Schlüssel für ihre Zellen und können diese auch abschließen. „Die Gefangenen in der 'lebensälteren Abteilung' genießen gewisse Sonderrechte“, sagt Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck. So gibt es neben einem Fahrstuhl größere Hafträume mit eigener Toilette, einen Gruppenraum, eine gemeinsame Küche, einen Waschmaschinenraum, höhere Betten und Duschen mit Haltegriffen und mehr Grünpflanzen, um den einsitzenden Senioren eine freundliche Wohnatmosphäre zu schaffen.

Vorteile muss man sich verdienen

Aber: Wer dort wohnen darf, muss sich dies verdienen. Es darf keine disziplinarrechtliche Auffälligkeiten in den vergangenen sechs Monaten geben, und der Nachweis der Drogenabstinenz muss bei der Aufnahme in die Wohngruppe und auch jederzeit später erbracht werden. Die 16 Gefangenen, die in diesem Segment einsitzen, sollen die Gruppe aber auch eines Tages wieder verlassen können – nach der Haftentlassung. „Es ist gewiss keine Hospizabteilung“, findet Leif.

„Besonders stolz sind die Gefangenen unser Abteilung auf ihren eigenen Garten am Freistundenhof“, berichtet Wohngruppenleiterin N. Wilmer. „Wenn hier in der Gemeinschaftsküche Kürbissuppe und Tomatensalat zubereitet werden, kommt alles selbstgezogen aus dem Garten“, so Wilmer. Das gemeinsame Essen sei schließlich so etwas wie die „Romantik des Alters“, findet die Wohngruppenleiterin. Eine weitere Besonderheit ist das altersgerechte Sportangebot. Anstatt in Dauerläufen üben sich die Ü 60-Inhaftierten in Boule, Gymnastik oder Spaziergängen.

Beim Bastelangebot geht es für die 16 Gefangenen im Alter von 60 bis 79 Jahren saisonal zu: Während jetzt Herbstliches entsteht, freuen sich viele in der Wohngruppe schon darauf, mit ihren Händen weihnachtliche Basteleien zu erstellen. Nicht nur im tristen November spielen indes in dieser Abteilung auch die Themen Tod und Abschied eine große Rolle. „Einige wissen, dass sie in Haft sterben werden“, berichtet Stefan Leif.

14.35 Uhr: Ein Polizeiauto kommt vor dem Hauptportal der JVA an der Aachener Straße an. Darin sitzt ein junger Mann, den Polzisten in Bonn wegen eines Körperverletzungsdelikts unweit des Hauptbahnhofs festgenommen haben. Bei der Überprüfung der Personalien stellten die Beamten fest, dass gegen den Delinquenten bereits ein Haftbefehl vorliegt. Ein Haftrichter ordnete an, dass der Gesuchte wegen Fluchtgefahr ins Gefängnis muss. Seine ersten Schritte in der Rheinbacher JVA führen ihn zu Leo Berikoven, Leiter der JVA-Kammer. In einem kargen weißen Raum mit Holzbänken und manch ungezogenem, handgekritzelten Spruch an der Wand muss der Neuankömmling erst einmal warten, bis er in das Aufnahmebüro eintreten darf.

Eingangskontrolle und Grundausstattung

14.45 Uhr: Der Stuhl, auf dem der Mann Platz nehmen darf, ist festgeschraubt. „Nicht, damit ihn keiner über den Kopf bekommen kann, sondern weil hier die Fotos des Gefangenen gemacht werden“, sagt Stefan Leif. „Darum muss der Stuhl immer an derselben Stelle stehen.“ Nachdem die Personalien überprüft sind, folgt das Entkleiden vor dem Einkleiden.

14.55 Uhr: Die Eingangskontrolle selbst funktioniert nach einem festen Schema: „Das ist nicht Privatfernsehen, das ist Rheinbach“, sagt Berikoven und meint damit, dass nach dem Entkleiden nicht alle Körperöffnungen auf der Suche nach möglichen verdächtigen Gegenständen untersucht werden. Dafür kommt aber eine Metallsonde zum Einsatz, berichtet der Kammerleiter. Wenig später bekommt der Registrierte das, was er in der nächsten Zeit am Leib tragen wird. Zur Grundausstattung gehören unter anderem drei Paar Schuhe, Jeans, Oberbekleidung und Unterhosen mit der Aufschrift „JVA Rheinbach“. „Die gibt es in keinem Shop zu kaufen, sondern nur hier in der Ausgabe“, sagt Berikoven. Die Kleidung, die der Gefangene bei seiner Ankunft in der JVA trägt, wird gewaschen und gelangt in einen Kleidersack, der im Beisein des Inhaftierten verplombt wird, so der Kammerleiter.

15.30 Uhr: Nicht nur während der Nachmittagsstunden sind die Besuchsräume der JVA im Erdgeschoss mit Leben gefüllt. Kinder stürzen sich auf die bereitstehenden Bauklötze, während die Erwachsenen miteinander sprechen – je nach disziplinarischem Status des Gefangenen mit oder ohne Trennscheibe. „Der Gefangene bekommt am Vortag den Hinweis, dass er Besuch empfangen darf, er erfährt aber nicht, wer es ist“, sagt Besuchsleiter Frank Himberg.

Besuchszeiten hinter Gitter

Bevor der Gefangene allerdings seinen Angehörigen gegenübersitzt, ist im Vorfeld eine Menge Arbeit zu erledigen, berichtet Himberg. Schließlich muss die Anstalt die Gewähr haben, dass nicht beispielsweise der Drogendealer oder ein anderer schlechter Einfluss mit dem Inhaftierten Kontakt aufnehmen will, sondern tatsächlich ein Freund oder Familienmitglied.

Die Kontrollen vor dem Besuch sind sehr penibel, unterstreicht Himberg. Wie am Flughafen müssen sich die Besucher durchleuchten lassen, zusätzlich werden sie hinter dem zugezogenen Vorhang abgetastet. Sind Kleinkinder mit dabei, müssen diese außerdem neu gewickelt werden. Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, warum in einer JVA auf eine frische Windel und ihrem möglichen Inhalt so viel Wert gelegt wird. Wenn die Besuchszeit beendet ist, muss sich der Gefangene abtasten lassen.

„Zwei Stunden Besuch im Monat sind erlaubt“, berichtet Himberg. Wer sich nachweislich und über einen langen Zeitraum positiv verhalten hat, kann einen dreistündigen Langzeitbesuch in Anspruch nehmen: Dieser ist unbewacht und in einem Besuchsraum möglich, der mit Kochnische, schwarzen Ledersofas und Dusche ausgestattet ist. Wie die drei Stunden – etwa mit der Lebenspartnerin oder langjährigen Freundin – genutzt werden, entzieht sich der Kenntnis der Bediensteten. Diese Freizeitgewährung ist unbewacht. Und: Neue Techniken wie das Skypen via Internet halten auch in der JVA längst Einzug.

16 Uhr: Freistunde. Was zu Schulzeiten nach fluchtartigem Verlassen des Schulgeländes klingt, ist im Gefängnis eine Stunde, die zum Spaziergang im gut gesicherten Freistundenhof einlädt. Auffällig ist: Die Fließrichtung der Spaziergänger scheint vorgegeben. Es geht immer gegen den Uhrzeigersinn im Kreis herum, niemand geht entgegen der gängigen Richtung.

Feierabend im Gefängnis

17 Uhr: Bis zum frühen Abend betreiben die Gefangenen die unterschiedlichsten Arten von Sport. Wer keinen Arbeitsplatz im Gefängnis hat, kann schon am Vormittag Gewichte stemmen, Fußball spielen oder ein paar Runden um den anstaltseigenen Sportplatz drehen. „Wir sind eine der wenigen Anstalten, die so viel Sport im Angebot hat“, berichtet Freizeitkoordinator Rudolf Armbruster. Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich die Denksportangebote der JVA wie Backgammon, Skat oder das „knasttypische Kartenspiel Klammerjass“, wie Armbruster es nennt. Die Fülle an Sportangeboten erhöht nicht nur die Fitness der Inhaftierten, die Männer werden auch ausgeglichener. „Wir registrieren dadurch deutlich weniger Übergriffe“, sagt Armbruster.

18 Uhr: Wenn der Abend dämmert, gibt es noch mehrere Freizeitgruppen sowie den sogenannten Umschluss – das ist die Möglichkeit, sich innerhalb der jeweiligen Abteilung untereinander zu besuchen. „Auch bestimmte Sport- oder gelegentliche Kulturangebote wie Konzerte finden in dieser Zeit noch statt“, berichtet Inga Thulfaut vom Pädagogischen Dienst.

21 Uhr: Der „Rückschluss“ beendet den Tag. Dann bleib der Gefangenen alleine in der Zelle – bis am Morgen der Weckruf ertönt.

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