„Brownies gegen Braunies“ So lief der "Tag der Demokratie" in Remagen

REMAGEN · Remagen begegnet Neonazis mit Musik, Tanz und Kundgebungen. Ernst Ulrich von Weizsäcker warnt vor Neoliberalismus.

 Die kölsche Band "Räuber" spielte auf dem Marktplatz auf.

Die kölsche Band "Räuber" spielte auf dem Marktplatz auf.

Foto: Martin Gausmann

Nicht von ungefähr boten Schüler „Brownies gegen Braunies“ auf dem Marktplatz an, während „braune“ Demonstranten überwiegend in schwarz gekleidet durch Remagen zogen. Bunt sollte es zum „Tag der Demokratie“ in Remagen sein. „Wir in Remagen. Bunt und vielfältig“, war überall auf Plakaten zu lesen.

Bunt war auch das Programm mit Rednern, Musik, Info- und Aktionsständen an den beiden Hauptschauplätzen auf dem Marktplatz und im Innenhof des Rhein-Ahr-Campus, das vor allem die Stadt, das Bündnis für Frieden und Demokratie, das Bündnis Remagen nazifrei und das AStA-Politik-Referat vorbereitet hatten.

Mehr Bürgerbeteiligung gewünscht

Nur noch mehr Beteiligung von Bürgern und Vereinen wünschte sich mancher. Gerade vor dem Hintergrund, dass Demokratie immer wieder erarbeitet werden müsse und auch Mitmachen bedeute, wie Günter Kern, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Innenministerium, sagte.

Trotzdem: Mit rheinischem Frohsinn wurde mit den „Räubern“ und der Micky Brühl Band geschunkelt oder zu härteren Klängen von drei Jugendbands gefeiert. Es wurden Friedenstauben gemalt, beim „Vorurteils-Memory“ Länder oder bestimmte Personengruppen bestimmten Eigenschaften zugeordnet oder auf „Weitermalbildern“ Nazis bunt gemacht.

Freiheit, Frieden, Sicherheit, Heimat

Oft ging es nicht nur um Demokratie und Vielfalt, sondern auch um Themen wie Freiheit, Frieden, Sicherheit und Heimat. Dass diese zusammenhängen, wurde deutlich an Meinungen, die Besucher auf Schautafeln schrieben: „Heimat ist da, wo man sich frei fühlt“ oder auch „Vielfalt ist die Voraussetzung für Entwicklung“.

Auch an die Menschenrechte erinnerten junge Leute auf dem Marktplatz. Besonders bewegten ein junger Syrer, der von seiner Flucht berichtete, und Ausführungen einer gebürtigen Bosnierin zur Religionsfreiheit sowie die Dankbarkeit einer gebürtigen Afghanin angesichts von Schulpflicht und Geschlechtergleichstellung in Deutschland.

Von den Aktionen der Schüler beeindruckt

Derartige Aktionen gerade von Schülern beeindruckten auch Ernst Ulrich von Weizsäcker, der auf dem Marktplatz sprach, während am Campus das Remagener Bündnis für Frieden und Demokratie die international anerkannte Rede seines verstorbenen Onkels, des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs ausgehängt hatte. „Wir dürfen die Straßen, die Plätze nicht denen überlassen, die im wesentlichen Gegnerschaft produzieren und Streit suchen“, sagte Ernst Ulrich von Weizsäcker, und: „Wir müssen uns nicht nur fragen, wogegen wir sind, sondern auch fragen, wofür wir sind.“

Er stellte für sich den Frieden an erste Stelle, bezeichnete Vielfalt als Reichtum und sah den Ursprung für die „Krise der Demokratie“ im aufkommenden Neoliberalismus ab 1990, durch den die Finanzmärkte die Oberhand über den Staat gewonnen hätten.

Frieden und Freiheit in Gefahr sah Remagens Bürgermeister Björn Ingendahl, auch durch „Kräfte, die an unseren Werten und Errungenschaften rütteln. Kräfte, die zurück zu nationaler Größe wollen und dafür bereit sind, die Idee der europäischen Einheit zu opfern.“ Gegen Rassismus und Rechtsextremismus, gegen soziale Medien als „Brandbeschleuniger mit ihren Hasstiraden“, gegen Geschichtsverfälschung und Populismus sprachen sich auch andere Redner wie Landrat Jürgen Pföhler und Sinzigs Bürgermeister Andreas Geron am Marktplatz aus.

Remagen setzt Zeichen gegen Antisemitismus

An der Fachhochschule konstatierte der Präsident der Hochschule Koblenz, Kristian Bosselmann-Cyran: „Jeder kann in einer Demokratie seine Meinung haben und sie vertreten, aber er hat nicht das Recht auf seine eigenen Fakten. Dafür steht Wissenschaft, die hier gelehrt wird.“

Begonnen hatte der „Tag der Demokratie“ mit einem Gottesdienst an der Friedenskapelle, die anschließend verhüllt wurde. Später beteten Vertreter der katholischen, protestantischen und muslimischen Gemeinden gemeinsam auf dem Marktplatz. Eine kleine Kundgebung am Jüdischen Friedhof und eine „Spurensuche“ setzten Zeichen gegen Antisemitismus.

Die „Spurensuche“ führte vom Marktplatz aus an bedeutenden Stätten Remagener Juden vorbei und endete mit der von rund 100 Interessierten verfolgten Verlegung des 13. Remagener Stolpersteins nahe der Ecke Am Römerhof/Ubierstraße, wo Martha Levit wohnte, die 1942 nach Theresienstadt deportiert und im selben Jahr im Vernichtungslager Treblinka ermordet wurde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort