Im Angesicht des Schreckens Schüler aus Remagen besuchen Gedenkstätte Buchenwald

REMAGEN · Neuntklässler der Integrierten Gesamtschule (IGS) Remagen haben die Gedenkstätte KZ Buchenwald besucht. Daraus erwuchs das Bestreben, etwas gegen das Vergessen zu tun.

Der Mensch ist ein Tier – und zwar das grausamste von allen. Zu dieser Erkenntnis mussten die 27 Schüler der Klasse 9 d der Integrierten Gesamtschule (IGS) Remagen gelangen, als ihnen beim Besuch des ehemaligen KZ Buchenwald schon fast schmerzhaft bewusst wurde, was Menschen in der Lage sind Menschen anzutun. Im Angesicht des Schreckens des Nazi-Terrors, in Folterkammern und Krematorien, vor Fotos von Leichenbergen oder an einem Holzpfahl, an dem KZ-Insassen zu Tode gequält wurden, manifestierte sich etwas bei den Neuntklässlern, das sie im besten Fall bis an ihr Lebensende begleiten wird: der Wunsch, etwas gegen das Vergessen zu tun. Der Wunsch, gegen Fremdenfeindlichkeit einzutreten. Der Mut, aufzustehen, wenn am Tag der Demokratie Neonazis durch Remagen ziehen und nicht zu schweigen, wenn Flüchtlingsheime brennen. Möge ihr Credo bleiben „Zukunft zu gestalten, weil wir auch im demokratischen Deutschland immer noch nicht an dem Punkt sind, wo es keine Diskriminierung gibt“.

Was die 27 Schüler aus ihrer Bildungsfahrt zur Gedenkstätte machten, hat am Mittwochabend – der 30. Januar war bewusst gewählt wegen der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 – rund 100 Eltern, Großeltern und Freunde, aber auch das Kollegium um Schulleiter Marcus Wald beeindruckt.

Viele Gänsehaut-Momente

Sie bauten unter dem Motto „Gedenken, um zu erinnern“ mit ihrer Klassenleiterin Sandra Rosa und ihrem Lehrer für Gesellschaftslehre, Alexander Krause, eine Veranstaltung auf, deren Spannungsbogen auf Eindrücke, Emotionen und Einsichten ausgerichtet war. Bewusst saßen die Gäste mehr als eine Stunde im Dunkeln. Lichtquellen boten nur Fotos aus Buchenwald im Wechsel zu grellen Spots oder dezentem Leselicht auf die vortragenden Jugendlichen. Der erste Gänsehaut-Moment ließ nicht lange auf sich warten. Das „Buchenwaldlied“ erklang und machte wieder mal deutlich, dass die Hoffnung zuletzt stirbt: „O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen, und was auch unsere Zukunft sei: Wir wollen trotzdem 'Ja' zum Leben sagen.“

Krause, treibende Kraft des Pilotprojekts, der es an der IGS etabliert sehen möchte, erklärte, dass Schüler generell Geschichte als verstaubt betrachten. „Doch sie ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart, unser Orientierungspunkt. Im Laufe des Projektes wurden die 27 Schüler zu Botschaftern, sie wollen, sollen und können den Opfern eine Stimme geben. Je weniger Zeitzeugen es gibt, umso wichtiger wird das.“

Nach der Erläuterung der historischen Bedeutung des 30. Januar 1933 begleitete Tim Mehnert am Schlagzeug den mit Fotos unterlegten Reisebericht der Gedenkstättenfahrt. Aufregung und Vorfreude paarte sich mit Sorge und einem Gefühl des Unwohlseins. Das verstärkte sich beim Anblick der Blutstraße und des Carachoweges, auf dem die Häftlinge ins Verderben getrieben wurden. „Wir waren von den Ausmaßen des Lagers überrascht, aber auch von den erlittenen Qualen – ein grausamer, beklemmender Ort. Es fiel schwer, nicht zu weinen. Wir empfanden Ekel vor den Menschen, die sich zu so was entwickeln“, so die Eindrücke der Schüler.

Gefühle auf Plakaten festgehalten

Zur Klaviermusik von Xenia Walter, die mit Elsona Berisha moderierte, wurden die von Elisabeth Hülsebusch und Greta Kabalo gemalten Bilder projiziert: ein kahlgeschorener Kopf auf der einen Seite, die Absurdität eines Streichelzoos nur wenige Schritte vom KZ-Tor entfernt mit der verhöhnenden Aufschrift „Jedem das seine“ auf der anderen.

Nach einer Gedenkminute definierten die Schüler, in welchem Land sie leben wollen. Sie ergänzten die Frage „Was bleibt?“ um die Erkenntnis, dass es in Deutschland immer noch Hass auf Juden gibt, Synagogen Polizeischutz benötigen und Vorurteile existieren. Das Urteil der 9 d: „Wir wollen Verantwortung übernehmen und eine Stimme sein.“ Auch die Besucher konnten ihre Gefühle vor und nach dem Gedenkabend auf Plakaten formulieren.

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