Ausstellung zur Weimarer Republik in Berlin Nazis manipulierten Oberwinterer Wahlurne

OBERWINTER · Die Nazis hatten den Holzkasten manipuliert: Eine Wahlurne aus den 1920er Jahren aus Remagen-Oberwinter weckt Interesse in Berlin. Die Stiftung „Haus der Geschichte“ möchte das Objekt in ihrer Ausstellung zur Weimarer Republik in der Bundeshauptstadt zeigen.

Zur Wahl gehen können, das empfindet heute jeder als sein selbstverständliches Recht. Doch wurden im Deutschen Reich erst 1919 geheime und gleichberechtigte Wahlen eingeführt. Zuvor mussten Männer mindestens 25-jährig sein, um wählen zu dürfen und Frauen waren komplett ausgeschlossen.

Als mehrfach dienstbar erwies sich eine Wahlurne in Oberwinter. Rund 92 Zentimeter hoch und mit fast quadratischem Deckel von 39,5 mal 37,5 Zentimetern hat sie die in der Weimarer Republik amtlich vorgeschriebenen Maße. „Sie stammt mit ziemlicher Sicherheit aus den 1920er Jahren“, erklärt Heinz Wilms vom Rathausverein Oberwinter.

Das Bonner Frauenmuseum lieh sich die Urne jüngst aus für seine Ausstellung „Aufbruch der Frauen in die Politik der Moderne – vom Frauenwahlrecht zum Frauenmandat“. Und schon wieder ist sie Wunschobjekt. Diesmal interessiert sich die Berliner Stiftung „Haus der Geschichte“ dafür, das Objekt in ihrer Ausstellung zur Weimarer Republik in der Bundeshauptstadt zu zeigen.

Manipulation in der Wahlurne war noch drin

Doch die Wahlurne kam auch weiterhin zum Einsatz. Heinz Wilms erfuhr 1985 von Johannes Clemens aus Oberwinter, mittlerweile verstorben, dass bei den Wahlen ab 1933 ortsbekannte NSDAP-Anhänger den Wählern beim Einwurf der Wahlzettel zur Hand gingen und die Wahlzettel selbst einwarfen. Als Clemens damals nach der Stimmenauszählung in der Gaststätte gegenüber des alten Rathauses spaßeshalber fragte: „Habt ihr auch richtig gezählt?“, wurde er in warnendem Ton zurückgefragt: „Zweifeln Sie etwa unsere Auszählung an?“

Im Nachhinein verstand man, warum die „hilfreichen“ Personen so aggressiv reagierten. Sie hatten die Wahlzettel etwas mehr zu dieser oder jener Seite geneigt eingeworfen. Das kam heraus, als diese Wahlurne etwas später bei der Wahl zum katholischen Pfarrgemeinderat benutzt wurde. Die Organisatoren der Pfarrgemeinderatswahl waren überrascht festzustellen, dass die Nazis vergessen hatten, eine Unterteilung in der Wahlurne zu entfernen. Noch heute sind seitlich schräg verlaufende Leisten vorhanden. Ein darin einzuschiebendes Brettchen leitete die „ausgewählten“ Wahlzettel auf ein zweites Bodenbrettchen. So konnten sie nicht ganz nach unten fallen und damit nicht ausgezählt werden.

Wer diese Wahlurne wann genau gefertigt hat, ist dem Rathausverein nicht bekannt. In Oberwinter aber gab es in der Weimarer Republik und den folgenden Jahren eine Möbelfabrik und mehrere Schreinereien.

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