Ausgrabungen laufen bis Mitte Oktober Münzen und tonnenweise Keramik im Römerdorf in Remagen

REMAGEN · Für Wissenschaftler ist es ein sensationeller Fund, das Vicus (Dorf), das sich bei Bauarbeiten in der Remagener Innenstadt mit Resten römischer Lagerhäuser präsentiert. Der GA begleitett Peter Henrich, Landearchäologie Koblenz, auf dem Ausgrabungsareal.

Die Erkenntnis, dass auf dem weitläufigen, gegen neugierige Blicke geschützten Terrain zwischen Markt-, Bahnhof-, Bismarck- und Seelenstraße sich klar die Gliederung eines römischen Dorfes mit drei Straßen erkennen lässt, lässt die Archäologen-Herzen höher schlagen. „Auch wenn wir keinen Goldschatz, kein Mosaik der Römer finden, so liefern uns die Ausgrabungen auf dem mehr als 3000 Quadratmeter großen Gelände den Beweis, dass hier drei oder vier Streifenhäuser mit schmaler Front zur römischen Straße, der Marktstraße, hin standen. Und viel wichtiger ist: Weitere Gebäude und zusätzliche Straßen befinden sich in einem Bereich, der ansonsten nur als Gartenland von den Dorfbewohnern genutzt wurde“, so Peter Henrich, Leiter der Außenstelle Koblenz der Landesarchäologie zur ersten wissenschaftlichen Flächengrabung in Remagen auf dem einstigen Gelände des Verkehrsverlages. „Für die Erforschung von römischen Kastelldörfern ist das ein wichtiger Fund. Remagen hat großes Potenzial, da werden wir noch in viele Baustellen reingucken.“

Bauarbeiten zum „Stadtpalais“ wurden angepasst

Des einen Freud, des andern Leid, denn die Firma Dewa GmbH um Walter Delfing sowie Florian und Tobias Wahl als Bauherr und Investor musste die Arbeiten zum künftigen Wohn-, Geschäfts- und Hotelensemble „Stadtpalais“ zwischen Mai und Oktober den Fortschritten der Archäologen anpassen und die Abfolge der Bauabschnitte ändern. „Wir hatten bereits beim Planungsverfahren darauf hingewiesen, dass dort Funde aus der Römerzeit erwartet werden könnten“, so Henrich, auch wenn die Chancen 50:50 stünden. „Entweder man findet nichts oder das Gebiet ist rappelvoll.“

Zwölf Millionen Euro nimmt die Dewa GmbH fürs „Stadtpalais“ in die Hand, „hinzu kommt jetzt noch ein Prozent der Bausumme, die in solchen Fällen für die 'Entarchäologisierung' benötigt wird“, so Henrich, der, wie Stadtbeigeordneter Rolf Plewa, die gute Zusammenarbeit mit dem Investor, der gar einen Grabungstechniker einstellte, um die Ausschachtungsarbeiten laufend zu überwachen, ausdrücklich lobte. Dafür konnten sieben Arbeiter angestellt werden, sieben Mitarbeiter der Fachbehörde ergänzen das Team.

Nachdem das Gelände hin zur Seelen- und Bismarckstraße mit dichter Befundlage jetzt untersucht und dokumentiert wurde, luden Henrich und der örtliche Chef-Grabungsleiter Stefan Ciesielski den GA zum Rundgang ein. „Willkommen in der Realität der Archäologen. In unserer Welt gibt es nicht wie bei Indiana Jones Pinsel und Peitschen, sondern Bagger und schweres Gerät.“ 500 Kisten mit tonnenweise Keramik habe man bislang aus dem Boden geholt. Und dann erlaubt Ciesielski einen Blick in eine „für einen Laien langweilige Kiste“: Schlacke als Abfall von Eisen, Keramik aus dem 1. Jahrhundert, Tierknochen. Aus dem 4. Jahrhundert dann eine Münze von Kaiser Konstantin „mit einem TR für Trier drauf, denn die Römer haben drauf geschrieben, wo sie geprägt haben“.

Das zeigt den Experten die Mehrphasigkeit der Besiedlung. „Hier vorne zur Marktstraße, also zur Haupteinfallstraße zum Kastell hin, standen die fünf bis acht Meter breiten Streifenhäuser mit Verkaufsständen vorne, dann angrenzende Wohnungen und dann Gärten. Je näher man am Kastell war, um so attraktiver war die Lage. Die Häuser waren Ende des 2. Jahrhunderts schon aufgegeben, da hat niemand mehr gewohnt“, so Ciesielski. „Wir lesen in der Erde. Je bunter sie ist, desto ekliger“, sagt der Fachmann und zeigt auf eine einstige Fäkalgrube.

In diesen Arealen gab es nie Gräber, die waren außerhalb

Wichtig ist Henrich auch zu betonen, dass es nie Gräber in diesen Arealen gab. „Die waren außerhalb der Siedlung.“ Kleines, nicht interpretierbares Detail an einer Kellerwand, das aber von der Entdeckung her spannend ist und vom Alltagsleben zeugt: Ritzungen im Stein als Kunst aus dem 2. Jahrhundert: „Ein Ei mit zwei Strichen, die damalige Graffiti“, lacht Henrich. Seit der Römerzeit ist dort nicht mehr gebaut worden, war bis dato Parkplatz und wird künftig das Parkhaus des Palais. Die 2000 Jahre alten Funde, die von dichter und mehrphasiger Besiedlung der Römer kunden, werden im Winter dokumentiert, Scherben werden gewaschen, Münzen konserviert, um sie vor Schimmel zu schützen. Die Dinge kommen ins Magazin beziehungsweise in Klimakammern. „98 Prozent sind Basissachen, die wir immer finden“, erklärt Henrich, der dieses Projekt zu seinen Top 5 zählt. Dass er mal dort arbeiten wird, wo seine Fahrschulunterlagen gedruckt wurden, hätte er sich nicht träumen lassen.

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