Finale der Kulturwoche "Kirschblütenzeit" in Oberwinter Heimat in der Heimatlosigkeit

OBERWINTER · Zum Abschluss der Kulturwoche „Kirschblütenzeit“ in Oberwinter haben die Musiker des Robert Landfermann Quintetts den Weg in das evangelische Gemeindehaus gefunden. Mit fünf teils stark sperrigen Jazz-Stücken bestritten sie ein anderthalbstündiges Benefizkonzert zugunsten der lokalen Asylhilfe.

 Beim Benefiz-Abschlusskonzert der ersten Oberwinterer Kulturwoche "Kirschblütenzeit" trat das Quintett Robert Landfermann auf.

Beim Benefiz-Abschlusskonzert der ersten Oberwinterer Kulturwoche "Kirschblütenzeit" trat das Quintett Robert Landfermann auf.

Foto: Martin Gausmann

Das Publikum schlug sich bis auf ein paar wenige Ausnahmen wacker und bedankte sich mit stehenden Ovationen.

Der Abend begann mit Musik aus Syrien. Fadih Moussah ließ seine Finger über eine elektrisch verstärkte Bouzouk gleiten, ein syrischer Ableger unserer Mandoline. Gemeinsam mit Posaunist Paul Raab brachte er musikalisch nahöstliches Flair an den Rhein. Der geflüchtete Journalist Ihaab Haj Kalaf las dazu aus eigenen Texten, die seine Fluchterfahrung beschreiben. Der Drang nach einer sicheren Heimat traf im zweiten Teil des Konzerts auf die Heimatlosigkeit, die sich in der Vielfalt der kulturellen Einflüsse zeigt, die Landfermann und sein Quintett in ihren auf den ersten Blick reichlich chaotischen Werken verarbeiteten.

Christian Weidner am Altsaxofon war der sichere Anker in der Formation, Tenorsaxofonist Sebastian Gille vollführte das Konzert über einen sich bis ins Frenetische hineinsteigernden Tanz. Pablo Held am Klavier konnte ordentlich für Verwirrung sorgen, dann aber auch wieder souverän direkt über dem Abgrund spielen. Schlagzeuger Jonas Burgwinkel überzeugte bei geschlossenen Augen mit hoher Treffsicherheit auch in der größten Polyrhythmie und mit einem Drive, der an einigen Stellen den Füßen keine andere Chance ließ, als mitzuwippen.

Mit der gigantischen Vermischung des alten sardinischen Volksliedes „Motteto di Tristura“ und Paul Motians „Mumbo Jumbo“ brach über das Publikum direkt eine Klangmauer herein. Einigen wenigen Zuhörern war diese Art von Musik zu anstrengend und sie verließen den Saal wieder. Die meisten blieben jedoch und erlebten Melodien über Störelemente und gestörte Kapriolen, die nur noch vom melodischen Bass Landfermanns geerdet wurden. In der Eigenkomposition „Randnotiz“ schien der Schlagzeuger ohne Sinn und Verstand einfach auf irgendwelche Trommeln zu prügeln und die Saxofonisten ließen ihre Instrumente kreischen.

Am Ende hatte man dennoch das Gefühl, ein ganzes Stück und nicht irgendeine abgedrehte Free-Jazz-Improvisation gehört zu haben. Im Schlussstück sahen die Musiker hörbar „Rot“. „Dreckige“ Rock-Elemente und Anklänge an Hip Hop-Beats machten nicht nur den Musikern Spaß. Paul Motians „Arabesque“ als Zugabe schwankte zwischen Melancholie und Hoffnungslosigkeit, um dann in einer letzten kleinen Melodie im Klavier zu verhallen. Die pathetische Antwort auf die Frage nach Heimat könnte am Ende dieses Konzerts gelautet haben, dass es höchstens noch eine Heimat in der Heimatlosigkeit gibt, ganz praktisch jedoch fand sich die Frage in den vielen freundlichen Blicken beantwortet, die getauscht wurden und in der Spendenbox, in der es mehr raschelte als klimperte.

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