Als „Googeln“ noch am Baum hingen Guido Cantz feiert Bühnenjubiläum in Remagen

REMAGEN · Guido Cantz feierte sein „Blondiläum“ in der voll besetzten Rheinhalle in Remagen. Der Entertainer unterhielt sein Publikum dabei mit großem Humor und kam glänzend an.

 Brillierte in der ausverkauften Rheinhalle: Comedian Guido Cantz.

Brillierte in der ausverkauften Rheinhalle: Comedian Guido Cantz.

Foto: Martin Gausmann

Der Anfangsapplaus war ihm zu dünn. Also bog Guido Cantz dem willigen Publikum auf 699 bezahlten Plätzen in der Rheinhalle bei, wie er‘s es denn gerne hätte. Karin und eine weitere Karin unter den Gästen – „habt ihr in Remagen nur einen Vornamen?“ – sollten beim zweiten Anlauf spitze Schreie ausstoßen und Hermann, „Altargeschenk“ von Karin eins, den Jubel anführen.

Als Guido Blondino dann „Hallo Remagen“ rief, schallte ihm die Antwort phonstark entgegen und steigerte sich noch nach der „Thomas-Gottschalk-Beschwichtigungsgeste“. Es geht eben nichts über eine gute Vorbereitung. Entbehrlich indes: die vorab über Monitore flimmernden Gratulationen zum Silber-Bühnen-Jubiläum von 2016.

Cantz live aber kam mit „Blondiläum“, dem Programm zu 25 und eins beruflichen Jahren im Dienste des Humors, glänzend an. Nach Abi und Bundeswehr ging es quasi direkt auf die Bühne: „Ich hab BWL studiert, das war aber mehr son Fernstudium“. Oma zweifelte am Berufsweg des Entertainers, „Kanscht Du davon leben?“, bohrte sie, um nach zehn Jahren umzuschwenken: „Kanscht Du mir was leihn?“

Jubiläen machen nachdenklich, selbst den dauererblondeten Comedian, der 1991 seine Kariere im Kölner Karneval begann und sie in TV-Produktionen wie „Genial daneben“, „Quatsch Comedy Club“ und Kabarettsendungen fortsetzte. Wie lange noch würde er die Bühne rocken? Kein Grund für Trübsinn bei den Fans. Denn Blondi erklärte: „Als ich die Rolling Stones bei ihrer Opa-, Verzeihung, ihrer Europa-Tour sah, war mir sofort klar: Das kann ich auch!“ Dem 13-jährigen Tristan erläuterte er: „Die Stones, das sind Körperwelten mit Stromgitarren“.

Als „Googeln“ noch am Baum hingen

So vieles war früher anders. Man hat sich getroffen, heute hat man WhatsApps. 1994 bekam Cantz sein erstes Handy. „Stell Dir vor, ich war 23 Jahre nicht erreichbar“, klagte er Tristan und der Saal wogte vor Heiterkeit. Geht er durch Köln-Porz, laufen alle mit gesenktem Blick aufs Display rum. Deshalb grüßt er grundsätzlich jeden, erntet aber Unverständnis, „Alter, ich kenn dich nich“, dann die Einsicht: „Doch, Du bis Fernseher, eh?“ Die Realität hat die Comedy eingeholt. Etwa durch das neue I-Phone mit Gesichtserkennung.

Genau die Art der Identifizierung dichtete Cantz 1996 der EC-Karte an. Im Gag geht Claudia Schiffer ungeschminkt zum Bankautomaten „und hebt das ganze Konto von Inge Meisel leer“. Ja, früher, „da sahen auch die Kinder noch vernünftig aus“. Cantz mutmaßt, statt des Schul-Zahnarztes suche heute der Schul-Tätowierer die Lernorte auf. „Schlimm, wenn der Tätowierer Legastheniker ist“, kommentierte er die seltsame Hautverzierung „It’s is My life – Jon Bovi“.

Heute wird vieles „to go“ erledigt, etwa Bier beziehungsweise „Hopfensmoothie“ trinken oder eine Beziehung beenden. Damals hat man der Brigitte zu Hause bei Früchtetee und Duftkerzen das Aus erklärt. Cantz erlebte in der S-Bahn einen Typ, der dies am Handy erledigte, bis er ihn bat, „können Sie auf laut stellen, wir würden gern die Argumente der Gegenseite hören“. Wie aufmunternd ging es dagegen bei Angela Merkel und ihrem späterem Angetrauten zu. Cantz will wissen, Joachim Sauer habe beim ersten mit reichlich Alkohol genossenen Rendezvous eingeräumt: „heute Abend geht wohl nichts mehr“, worauf Merkel zuversichtlich meinte: „Joachim, wir schaffen das!“

Gut zwei Stunden unterhielt das Multitalent, parodierte, sang alternative Kinderlieder, spielte Klavier. Kein Thema ist ihm fremd. In punkto Ernährung erinnerte er an Lebensmittelskandale wie Rinderwahn und Schweinepest, mokierte sich über Paleo, Frutarier und Co und bedauerte Grundschüler, die Vegetarier sind: „Die dürfen keine Schnitzeljagd machen.“

Dem bekennenden Fleischesser läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn eine Tranche vom Gyrosspieß geschnitten wird. „Geht das Veganern beim Heckeschneiden auch so?“ grübelte er. Natürlich ging es auch um Wörter, die es einst nicht gab, wie Googeln. „1991 hätte ich gesagt, Googeln wäre sächsischer Weihnachtsbaumschmuck.“

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