Das alte Oberwinterer Rathaus platzte aus allen Nähten Gelungener Auftakt der „Kirschblütenzeit“

OBERWINTER · Glockenfrühstück, Ausstellungen und Buchvorstellung erlebten starke Resonanz.

 Mit dem Glockenfrühstück wurde die ersten Oberwinterer Kulturwoche eingeläutet.

Mit dem Glockenfrühstück wurde die ersten Oberwinterer Kulturwoche eingeläutet.

Foto: Martin Gausmann

Zum Glockenfrühstück hatten die evangelische und katholische Gemeinde eingeladen, um feierlich die Kulturwoche „Kirschblütenzeit“ einzuläuten. Rosa Blütenblätter trieben im Wind. Aber, weil es kühl war und Regen drohte, gab es nach den Gottesdiensten statt der weißen langen Tafel auf der Hauptstraße ein Picknick im Evangelischen Gemeindesaal.

„Trocken und nass, segne das“, erbat Pfarrer Michael Schankweiler Gottes Begleitung, und Pastor Frank Klupsch stimmte „Segne Vater diese Gaben“ an. Danach kostete Benjamin Krott, 30 Jahre, eine Erdbeere und die 16-monatige Hermine auf seinem Arm eine Tomate. Der junge Vater war mit Frau Verena und einer weiteren Familie gekommen. Zu zehnt, gut gelaunt, bepackt mit Brötchen, Croissants und selbst gebackenem Kuchen, trafen Andrea Vetter-Zimmermann, Freunde und Familie ein. In den vollen Reihen, mittendrin Ortsvorsteher Norbert Matthias, unterhielt sich auch Hans Kessel, 80, angeregt, wie neben ihm Ingeborg Kaiser aus Neuwied unter geschätzten 150 Oberwinterern und einigen Flüchtlingen, die alle die Gemeinschaft und das Essenteilen genossen.

Beim Vorbereitungsteam erfreute die Resonanz etwa Helga Hoffmann, Gotthard Oppenhäuser und Ingo Konrads, der Mia Matthias auf die Bühne führte, wo die 96-Jährige spontan und gekonnt ein Kirschblütengedicht aufsagte. Punkt 12 Uhr verstummten die Gespräche, um dem Duo-Klang von der evangelischen und der katholischen Kirche zu lauschen, deren Glocken dann halbstündlich im Wechsel läuteten. Verständlich, dass Iris Loosen, Ortsbeirats-Koordinatorin der Gesamt-Kirschblütenzeit, „unsagbar beeindruckt“, die vielen Menschen begrüßte, auf die ein „riesiges Programm“ warte. „Ob es klappt, liegt an Ihnen“, ermunterte sie zu reger Teilnahme.

Daran war beim Auftakt kein Mangel. So gaben sich in Christian Schmiedels Atelier Haus Schwanen die Besucher zu „Verwunschenen Orten“ von Matthias Brand die Klinke in die Hand. Den Werbe-, Industrie- und Architektur-Fotografen aus Vallendar hatte ein Auftrag ins ehemalige Hotel Rheingold-Bellevue gegenüber dem Arp Museum geführt. Sofort erlag er dem verblichenen Charme. Brands Lichtbilder dokumentieren Überreste einst hochstehender, doch lange verwaister Gastlichkeit, abgeblätterte Fenster und Türen, einen gelben Ofen, türkisfarbene Badkacheln. Auch lassen sie Raum für Fantasien über einstige Bewohner. „Augen auf“ und „Augen auf für Streifen“ hieß es im evangelischen Pfarrhaus. Viele bestaunten die Fotos von Gundel Loskant und textile Gestaltung von Monika Wegmann-Jung. Nur das Quadrat als Format war abgesprochen. Daher überraschte Künstlerinnen und Gäste in der sorgsam gehängten Ausstellung, wie kräftige Farben und reduzierte Formen der edlen Foto- und Nähkunst miteinander korrespondieren.

Schließlich platzte das alte Rathaus aus allen Nähten, als Hans Metternich, Chef des Rathausvereins, „überwältigt“ vom Andrang, zu Ausstellung und Buchvorstellung über „Die Landhäuser der Familie von Guilleaume“ und Isis Krügers Lesung aus den Tagebüchern der Ella von Guilleaume begrüßte. Die Reden der Ausstellungsmacher und Autoren Christian Schmiedel und Heinz Wilms waren für etliche nur von Flur und Treppenhaus aus zu verfolgen. Wilms sprach vom gewaltigen Aufstieg der Firma Felten & Guilleaume in Köln von einer kleinen Seil- und Kordelwerkstatt um 1820 zum weltweit agierenden Kabel- und Technologiekonzern.

Mit Theodor Guilleaume begann der Firmenaufstieg. 1874 errichtete Sohn Franz Carl unter dem Namen Carlswerk einen weiteren Fabrikationsstandort für die Drahtproduktion im damaligen Mülheim. Dort fertigte man unter anderem Fernsprech- und Starkstromanlagen, Telegrafenkabel für Erd-, Tunnel-, Fluss- und Seeleitungen. Zu ihrem 70. Geburtstag schenkte Franz Carl Guilleaumes Frau Antoinette ihren sechs Kindern je eine Million Mark.

Vom Reichtum der Unternehmerfamilie, die um 1900 in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen verkehrte, zeugten auch ihre Domizile. Villen, „wie Schlösser“, beschrieb Schmiedel, so Arnold und Ella (geborene Deichmann) von Guilleaumes Kölner Villa am Sachsenring mit acht Meter hohem Saal, von der nur noch das Kutscherhaus steht. Dazu kamen die Remagener Landhäuser Herresberg, Marienfels, Calmuth und Schloss Ernich sowie die Wachtberger Burg Gudenau, deren Geschichte im 12. Jahrhundert beginnt.

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