Romantik in Oberwinter Ein Abend mit Felix Mendelssohn-Bartholdy

OBERWINTER · Lang verschollene Choralkantaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy trafen beim Adventskonzert in der Evangelischen Kirche auf ausgewählte Briefe. Das Publikum zeigte sich begeistert.

 Die Evangelische Kirche in Oberwinter wurde zum Konzertsaal.

Die Evangelische Kirche in Oberwinter wurde zum Konzertsaal.

Foto: Martin Gausmann

Das diesjährige Adventskonzert in der Evangelischen Kirche Oberwinter stand ganz im Zeichen des Romantikers Felix Mendelssohn-Bartholdy. Der Evangelische Kirchenchor Oberwinter präsentierte gemeinsam mit einem Streicherensemble aus Studenten der Hochschule für Musik und Tanz Köln und der Hochschule für Künste Bremen lange verschollene Frühwerke des Komponisten. Gerahmt wurden die musikalischen Beiträge mit Lesungen aus ausgewählten Briefen Mendelssohns durch Martin Mutschler. Das Publikum genoss die Stille, zeigte sich aber auch lautstark begeistert.

So etwas erlebt man selten vor einem Konzert: Die letzten fünf Minuten bis zum ersten Ton herrschte angespannte Stille im Kirchenschiff. Pfarrer Michael Schankweiler, der das Publikum im Namen des Presbyteriums begrüßte, zeigte sich beeindruckt.

Dann begann der Abend mit einem ersten Brief. Mendelssohn berichtet darin auf humorvolle Art und Weise seiner Familie von seiner harten Studienzeit zwischen Schulknabe und Wunderkind. Es folgte nahtlos instrumental die erste Sinfonia in C-Dur für Streicher. Das Stück hob in seinem ersten Satz beschwingt an, nahm im zweiten reichlich Fahrt raus und überraschte die Zuhörer mit getupften Bässen und erhob sich im Schlusssatz zu einem wilden Tanz.

Erdig-intensive Kantate

Ganz anders die Choralkantate „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, die ein Zeugnis für Mendelssohns Bach-Begeisterung gab. Diese, wie auch die anderen Kantaten, hatte der junge Komponist gar nicht für den Druck vorgesehen. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts sind diese Stücke wieder bekanntgeworden. Das Publikum durfte miterleben, weshalb es eine Schande wäre, wenn diese Stücke verloren gegangen wären. In immer neuen Einsätzen entspann sich ein großes Fugato, das auf der Liedzeile „der hat auf keinen Sand gebaut“ eindrucksvoll sein Ende fand. Die zweite Strophe war Sopranistin Marie Heeschen vorbehalten, die hier wie später auch im „Salve Regina“ besonders ihr Gespür für Akzente ausspielte.

Erdig-intensiv ging die Kantate zu Ende. Im Jahre 1831 berichtete der Komponist in einem Brief von einem melancholischen Jahreswechsel. Neben dem musikalischen Studium von Luther-Chorälen wollte er vom Trubel in Rom eigentlich nichts mitbekommen. Passend dazu präsentierte sich „Jesus, meine Freude“ überhaupt nicht als ausgelassenes Stück. Die engmaschige Chromatik verlangte von Musikern, Sängern und Publikum gleichermaßen Anstrengung.

Hochkomplex walzte sich das herbe Stück durch den Raum. Auch die Gedanken Mendelssohns über die Religion verliehen dem Konzertabend Tiefgang. An seine Schwester Fanny schrieb er zu deren Konfirmation, dass der einzige wahre Glaube der des Gewissens sei.

Judentum – wie bei ihren Eltern – oder Christentum seien doch nur zeitlicher Ausdruck dessen, was jeder Mensch als moralischen Kompass in sich spürt. Das Finale läuteten die Musiker mit der in großer Einheit vorgetragenen Bitte „erbarm Dich!“ aus der Kantate „Christe, Du Lamm Gottes“ ein. Der zweite Teil war zwar beschwingter, mündete schließlich aber in einem getragenen Frieden.

Die Stille von vor dem Konzert ließen die Zuhörer auch nach dem Schlusston noch etwas wirken, um dann in stehenden Ovationen und „Bravo“-Rufen die Musiker zu feiern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort