Forscher untersucht Apollinariskirche Der ganze Berg

REMAGEN · Erhard Wacker will das Bewusstsein für die „Kulturlandschaft Apollinarisberg“ schärfen.

 Erhard Wacker mit Vermessungskarten des Klosterbesitzes von 1760.

Erhard Wacker mit Vermessungskarten des Klosterbesitzes von 1760.

Foto: Hildegard Ginzler

Wie Schlüsselreize wirken ihre Kreuzblumentürme. Wer sie von der B 9 oder vom Hang der Waldburgstraße aus sieht und den Rang der Apollinariskirche in der sakralen Landschaft kennt, dem halten sie schlagartig geballte Kulturgeschichte vor Augen. Über die Historie der Kirche und die jahrhundertelang praktizierte Wallfahrt hat Erhard Wacker für das Heimatjahrbuch geschrieben.

Seit zehn Jahren befasst sich der Remagener intensiv mit dem Gotteshaus, dem er in seiner Reihe „Remagener Apollinaris Bibliothek“ bereits vier Titel widmete. Das fünfte Büchlein, das von Liedern, Gedichten und Gebeten in Deutsch, Latein und Italienisch handeln soll, will er im Frühjahr herausbringen.

Wo wurde der Kulturengagierte fündig? „Vor allem bei mir selbst.“ Das heißt, die meisten Texte waren bereits in den Dokumenten über das Gotteshaus enthalten, die er unter einem anderen Fokus zusammen getragen hatte. Erneut gezielt durchforstet, brachten sie reiche Ausbeute. Zudem schrieb Wacker nach Ravenna, Düsseldorf, Arbach, wo man den heiligen Apollinaris verehrt sowie etwa nach Meckenheim, Köln oder Auenheim, wohin er Kontakte knüpfte, weil von dort Wallfahrer nach Remagen kommen.

Der Forscher in Eigenregie hat inklusive Internetrecherche einstweilen um die 85 Lieder, Litaneien und Messtexte ausgemacht. Dabei wundert es ihn, wie aufwendig 1891 ein Büchlein für die Pilgergruppe aus Mechernich gefertigt ist. Keineswegs wurden die Lieder einfach nach Laune gesungen, sondern jeweils nur an bestimmten Wallfahrtsstationen.

Dies belegt auch eine Preziose, ein Liederbuch von Sankt Georg Köln, namens „A Lauda Georgiana/Das ist/Die Georgianische singende und Gott=lobende Lerche/oder/Neue Ordnung deren, bey allen Proceßionen und Wahlfahrten, absonderlich aber bey der auß der Stiffts-Kirchen S. Georgii nach S Apollinaris=Berg außgehender Proceßion, bräuchlichen Gesängen… Gedruckt zu Cöllen auff Unkosten der Bruderschafft St. Apollinaris. 1717“.

Die Apollinariskirche aber ist mehr als ihre Einzelaspekte. Und das Gotteshaus, das unbestritten ein kulturelles Denkmal von überregionaler Bedeutung darstellt, muss zusammen mit dem über 900 Jahre alten Kloster gesehen werden. Zusammen bilden sie mit der im Rheinland weithin bekannten Wallfahrt ein auch heute aktives christliches Zentrum. Erhard Wacker plädiert dafür, von einer „Kulturlandschaft Apollinarisberg“ zu sprechen.

Der Begriff sei geeignet, „Leben und Arbeit unserer Vorfahren, Geschichte und komplexe Zusammenhänge in unserer nächsten Umgebung bewusster zu erfassen“. Für Wacker gehört zum ganzen Apollinarisberg der Kreuzweg, über den die Pilger schon zum Berg zogen, bevor es die Stationen gab, ebenso die Familiengruft derer von Fürstenberg-Stammheim, die Lindenallee, die niedergelegte Josefskapelle, die Holzskulptur des heiligen Josef sowie Gartenflächen bei Koster – für die Brüder Boisserée und die Familie Fürstenberg-Stammheim reine Zierde, für die Franziskaner jedoch Nutzgarten.

Die historisch wechselvolle Nutzung von Klosterland zählt Wacker ebenfalls zu dieser Kulturlandschaft. Am südlichen Berghang, im Pachtvertrag mit den Franziskanern 1912 als Holzung und Ödland aufführt, wird heute Wein angebaut. Bergauf hinter der Franziskanerstatue liegen die ehemalige Nutzflächen.

1760 betrug der Grundbesitz des Klosters, damals Propstei des Siegburger Benediktinerklosters, 108 Hektar. Bis zur Franzosenherrschaft gehörten auch der Calmuther Hof und die Arsbrücker Mühle dazu. Der Besitz wird 1830 bei der ersten großen Fluraufnahme von den Preußen vermessen. Zuvor hatte dies 1760 Landmesser Michael Wintzen auf 20 Din A 4 Seiten im Auftrag des Klosters getan. Der promovierte Physiker Wacker stellte fest, dass den Preußen beim Umrechnen der von Wintzen verwendeten örtlichen Maße in preußische Maße Fehler von bis zu 70 Prozent Abweichung unterliefen.

Er will die Daten veränderter Besitz- und Nutzungsverhältnisse neu erfassen und vergleichen, freut sich zugleich, dass vieles nicht nur in Archiven auffindbar, sondern auch heute noch in der Landschaft abzulesen ist. So stieß er im Frühjahr 2015 auf über 60 alte Grenzsteine.

Bei seinem nächsten Vortrag am Dienstag, 26. Januar, 19 Uhr, in der Mensa der Grundschule „St. Martin“, Alte Straße 11, geht es allerdings um Konzeption, Ausführung und Restaurierung der Fresken des Gotteshauses.

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