Kultur in Remagen Apparaturen zum Schauen und Rätseln

REMAGEN · Willi Reiche eröffnet im Auf Plattborn bei Remagen seine Kunstmaschinenhalle mit faszinierenden kinetischen Objekten.

 Kunst aus Maschinen oder Kunstmaschinen: Willi Reiches Objekte ziehen die Betrachter in ihren Bann.

Kunst aus Maschinen oder Kunstmaschinen: Willi Reiches Objekte ziehen die Betrachter in ihren Bann.

Foto: Martin Gausmann

Seitlich eines geschwungenen Metallkörpers schieben sich schlanke Rohre vor und spritzen Wasser in eine Wanne. Das „Seepferdchen“ in Aktion ist anrührend und grazil anzuschauen. Wie zum Kontrast rotieren benachbart über Eck mächtige Räder und Zylinder vor der Kulisse hängender Schläuche. „Ganz große Bühne – kleiner Strahl“ heißt dieses Spektakel treffend.

Die beiden Apparaturen bilden mit Skulpturen aus Ackergeräten nur das Vorspiel zu weiteren 22 eindrucksvollen Konstruktionen von Willi Reiche aus Wachtberg. Sie unterzubringen war eine Aufgabe für sich. Doch kann Reiche ihnen nun ein großzügig bemessenes Domizil bieten, weshalb er zur Eröffnung seiner 230 Quadratmeter großen Kunstmaschinenhalle auf Plattborn eingeladen hatte.

Weit mehr als 100 Interessierte folgten dem Ruf zur ehemaligen hölzernen Lagerhalle zwischen Obstbäumen. Volle Parkplätze und zahlreiche Autos am Straßenrand zeugten davon. Wer ankam, war augenblicklich gefesselt von den originellen kinetischen Objekten, hineingezogen in die Bewegung, absorbiert von Vielfalt und Material der verwendeten Elemente.

Sie greifen innerhalb eines perfekten Mechanismus ineinander, von Elektromotoren oder Muskelkraft antreiben. Leisten und Hüte mit Sonnenbrillen kreiseln bei „Spy 'n' Spy“. Unter dem Motto „Kick or Kiss“ schiebt sich vor Federbüscheln ein weiblicher Schuh auf einen Männertreter zu, um ihn zu „küssen“.

Das Schöne und Rätselhafte

Faszinierend ist auch die „Zeitmaschine“, in der sich ein Tankstutzen, Räder, Bohrer sowie Teile aus Druck- und Waschmaschinen bewegen. In einer Metallwanne schäumt einlaufendes Wasser, während links daneben ein Quirl aufrecht die Luft verwirbelt. Gegenüber lassen sich per Hand drei Zylinder der „Gebetsmühle“ drehen. Kaum, dass man derart multireligiös unterwegs ist, steht ein leicht anzügliches, leise stöhnendes „Blaskonzert“ an. Es verfügt zur Visualisierung und veritablen Winderzeugung über 13 Gebläse und zwei Ventilatoren samt aufgezogenen Söckchen.

Nicht minder staunt der Betrachter angesichts der superedlen Maschine „The piano is still baking“, wenn sich deren silbern glänzende Großbäckerei-Rührwerkzeuge vor einem gusseisernen Klavier-Rahmen langsam um die eigene Achse drehen. Zudem frappieren etwa „Gequirlte Alge“ und ein von der Decke hängender „Gestrandeter Saurier“. „Mephistos“ verhaltenes Glühen aus einem aufgesetzten 4-Zylinder-Auspuff lässt zudem ahnen, dass die Maschinerie des Bösen unaufhörlich weiter läuft.

Künstler Reiche, Jahrgang 1954, studierte in Bonn Kunstgeschichte, war Geschäftsführer der Grafischen Werkstatt in Wachtberg-Pech und hat nach einer Werkperiode künstlerischen Möbelbaus 1998 mit den Kunstmaschinen begonnen. Seine Objekte erinnern unwillkürlich an die bewegten Skulpturen eines Jean Tinguely. Sie teilen das Schöne und Rätselhafte. Doch anders als Tinguely inszeniert Reiche nicht abgründig, sondern skurril, humorvoll und technisch völlig reibungslos.

Die Kunstmaschinenhalle öffnet nach Terminvereinbarung unter 02 28/32 60 49.

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