Wahlkampf in der Region Acht Bundestagskandidaten bei Diskussion in Remagener Rheinhalle

REMAGEN · Acht Bundestagskandidaten des Wahlkreises Ahrweiler präsentieren sich rund 100 Besuchern bei einer Diskussion in der Remagener Rheinhalle - wobei der ein oder andere im Publikum auf Provokation setzt.

 Podium in Remagen (von links): Mechthild Heil (CDU), Kathrin Koch (AfD), Marion Morassi (Die Linke), Andrea Nahles (SPD), Moderator Andreas Wüste, Axel Ritter (Piraten), Martin Schmitt (Bündnis 90/Die Grünen), Christina Steinhausen (FDP) und Siegfried Verdonk (parteilos).

Podium in Remagen (von links): Mechthild Heil (CDU), Kathrin Koch (AfD), Marion Morassi (Die Linke), Andrea Nahles (SPD), Moderator Andreas Wüste, Axel Ritter (Piraten), Martin Schmitt (Bündnis 90/Die Grünen), Christina Steinhausen (FDP) und Siegfried Verdonk (parteilos).

Foto: Martin Gausmann

„Schmerzensgeld oder nachträglich Eintritt bezahlen?“– Eine Frage, die sich nach der Podiumsdiskussion mit allen Direktkandidaten des Wahlkreises Ahrweiler am Mittwochabend im Foyer der Remagener Rheinhalle durchaus etlichen Besuchern stellte.

Eigentlich wollte Moderator Andreas Wüste vom Politischen Arbeitskreis Schule in Bonn nur wissen, wie Demokratie für Bürger attraktiv werden oder bleiben kann. Auf dem Podium (in alphabetischer Reihenfolge) Mechthild Heil (CDU), Kathrin Koch (AfD), Marion Morassi (Die Linke), Andrea Nahles (SPD), Axel Ritter (Piraten), Martin Schmitt (Bündnis 90/Die Grünen), Christina Steinhausen (FDP) und Siegfried Verdonk (parteilos).

Schlagwort Demokratie: Sah Heil da den Schwerpunkt im „Zuhören und Ernstnehmen der Anliegen von Bürgern“, wollte Koch den „Bürgerwillen durchsetzen, auch mit Volksentscheiden die beschlossenen Gesetze ändern“ und Morassi sie „mit den Menschen machen“. Für Nahles sind „Demokraten das Wichtigste in der Demokratie“, Ritters Maxime ist die „Freundlichkeit“, für Steinhausen das, „was Menschen vor 200 Jahren erkämpft haben und wofür es sich auch heute zu kämpfen lohnt“ und für Verdonk „läuft sie in Deutschland nicht richtig rund“.

Was tun mit den Nichtwählern?

Was aber tun mit den Nichtwählern? Nahles, Bundesarbeitsministerin aus der Eifel und bekannt für klare Worte: „Denen muss man Feuer unterm Hintern machen, damit sie wählen gehen.“ Wobei sie die nicht druckreife Form von Podex wählte, Einzelkandidat Verdonk aber gleich konterte, dass „jeder das Recht hat, nicht zu wählen“.

Eine Wahlpflicht, wie aus dem Publikum angeregt, wollte denn auch keiner der Diskutanten. Eine provozierende Anregung aus den Reihen der gut 100 Besucher, auf Wahlzetteln auch einen Kreis für das Kreuzchen „Enthaltung“ unterzubringen, nannte Nahles – erneut im Original nicht druckreif – „Exkrement“. Und Heil konterte: „Erstens geht das rechnerisch nicht und zweitens, was zum Glück nie passieren wird, was ist, wenn 'Enthaltung' mit 70 Prozent gewählt wird?“

Vorschlag: Abgeordnete durch Losverfahren ermitteln

Dass die Fraktion der Nichtwähler, erneut ein skurriler Vorschlag aus dem Publikum, durch per Losverfahren ermittelte Abgeordnete im Bundestag vertreten werden könnte, erntete von Heil ein entschiedenes „Nein“, von Nahles ein „Lächerlich“. Dies mit dem massiven Hinweis, dass in ihrer Partei „Menschen für die parlamentarische Demokratie gestorben sind“.

Ritter, Mitglied der Piratenpartei, sah alle Parteien als überflüssig an, wollte lieber „Demokratie mit themenorientierten Arbeitsgruppen machen“. Schmitt will für die Grünen hingegen mehr Nichtakademiker im Bundestag sehen: „Da gibt es nur 50 Abgeordnete, die nicht studiert haben. Es muss eine für jedermann nachvollziehbare Politik gemacht werden.“ Morassi gönnt zwar jeder Partei ihren Parteitag, sieht aber für alle das Recht, „zur Gegendemonstration aufzurufen“. Zudem will die Linke aus Ahrweiler „alles, was privatisiert wurde, von der Bahn bis zum Wasserwerk, zurück in die öffentliche Hand“ gebracht wissen.

Ehrenamtliches Engagement

Steinhausen brach die Lanze für das ehrenamtliche Engagement von Nicht-Berufspolitikern, die ihre Plakate „aus eigener Tasche bezahlen und diese zumeist auch noch selbst aufhängen“. Mit Blick auf das Abonnement der CDU für den Direktkandidaten im Wahlkreis 199 seit 1949 sagte die junge Mutter aus der Kreisstadt: „Die CDU kann hier auch einen Schäferhund oder Stein aufstellen.“ Aber auch Morassi fand: „Ich habe keine Lust auf 'weiter so'.“ Verdonk mahnte an, die „Leute mitzunehmen, damit sie wählen gehen“ und Schmitt forderte das Kreuzchen für die Grünen ein, „weil es nicht um die nächsten vier Jahre geht, sondern um die Weichen, die für die nächsten 20 bis 100 Jahre gestellt werden“.

Ritter appellierte, „ihn wegen seiner innovativen Ideen zu wählen“, und Koch will die Wählerstimmen, „weil junge Leute eine Zukunft brauchen“. Nahles tritt für ein „Mehr an sozialer Gerechtigkeit“ ein. Mechthild Heil, deren Plakate wegen ihres Namens vor allem im Mayener Raum mit Hakenkreuzen beschmiert wurden, was sie „persönlich sehr trifft“, appellierte: „Es geht nicht um die einzelnen Menschen hier vorne auf dem Podium, es geht um die Zukunft von Deutschland.“

Sachthemen kamen zu kurz

Die Eingangsfrage „Schmerzensgeld oder Eintritt?“ blieb offen. Auch, weil die meisten Leute ob diverser Fragen aus dem Publikum nur noch den Kopf schüttelten. Sachthemen wie der Lückenschluss der A 1, den zumindest Steinhausen mit dem Satz „Das Ausland lacht über uns, weil wir auf einer Straße von Norwegen bis Spanien immer noch dieses Loch haben“, unterbringen konnte, wären ihnen lieber gewesen. Dies statt ausgeloster Minister oder Abgeordneter aus den Reihen einer fiktiven Nichtwähler-Fraktion. Ein Treffen eines solchen oder einer solchen auf US-Präsident Donald Trump oder Recep Tayyip Erdogan mag sich jeder selbst ausmalen.

Was die gut 20 Remagener Realschüler, die nicht nur für die Technik sorgten, sondern laut Aussage ihrer Schulleiterin auch „freiwillig zuhören wollten“, auf jeden Fall aber lernten: Die bestgewollte Moderation nutzt nichts, wenn im Publikum Provokation fröhliche Urständ feiert.

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