Zukunft der Formel 1 am Nürburgring ungewiss

Mainz · Das Großprojekt „Nürburgring 2009“ wankt. Die Zukunft der Formel 1 in der Eifel ist unklar. Das Land kündigt den Betreibern, jetzt klagt die Staatsanwaltschaft wegen der gescheiterten Privatfinanzierung Ex-Finanzminister Deubel und andere wegen Untreue an

Zukunft der Formel 1 am Nürburgring ungewiss
Foto: dpa (Archivbild)

Boris Becker war begeistert bei der Eröffnung des neuen Freizeitparks an der Formel-1-Strecke in der Eifel: "Der Nürburgring ist für den Motorsport das, was Wimbledon für das Tennis ist: ein Mekka", verkündete der ehemalige Wimbledon-Sieger im Sommer 2009. Und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) wollte sich sein Großprojekt "Nürburgring 2009" in der Eifel nicht zerreden lassen: "Die Zukunft hat begonnen. Die Ampel steht auf grün", rief er aus.

Zweieinhalb Jahre später leuchtet die Ampel eher rot. Das abgelegene Freizeit- und Geschäftszentrum an der Formel-1-Strecke gilt als überdimensioniert und leidet unter Besuchermangel. Das Land hat den seit 2010 eingesetzten Privatbetreibern Jörg Lindner und Kai Richter vergangene Woche gekündigt, weil Pachtzahlungen ausstünden. Rund 330 Millionen Euro hat das Land in den Ausbau des Rings gesteckt, um bisher vergeblich die hohen Defizite der Formel 1 auszugleichen. Mit allen Darlehen und Zuschüssen soll beim Freizeitpark über die Jahre fast eine halbe Milliarde Euro zusammengekommen sein.

2010 hat Beck versichert: "Wir gehen davon aus, dass sich das Invest aus den Pachtzahlungen trägt." Mittlerweile sagt er praktisch das Gegenteil: Der Ring werde sich auch künftig nicht selbst tragen. Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD), der als einer der Kronprinzen von Beck gilt, räumt ein, dass die Pachtzahlungen an das Land nicht reichen. Der Landesrechnungshof befürchtet ein Risiko von 210 Millionen Euro bis 2030. CDU-Landeschefin Julia Klöckner warnt vor einer "dritten Pleite". Denn 2009 platzte eine Finanzierung des Freizeitparks über Liechtenstein, Dubai und die Schweiz mit dubiosen Geldgebern.

Die Koblenzer Staatsanwaltschaft klagte nun den früheren Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) und den geschassten Ringchef Walter Kafitz wegen Untreue an. Deubel hatte 2009 seinen Hut genommen. Er soll unter anderem für Schäden in sechsstelliger Höhe mitverantwortlich gewesen sein. Gegen insgesamt sechs Männer hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Untreue oder Beihilfe erhoben. Die Ermittlungen gegen Ring-Betreiber Richter wegen Untreue laufen nach Angaben der Staatsanwaltschaft parallel weiter und dauern an.

Die grüne Wirtschaftsministerin Eveline Lemke sagte bei der Trennung von den Pächtern: "Wir haben hier vereinbart, dass wir dauerhaft diesem Fass ohne Boden einen Boden einziehen wollen." Im Umkehrschluss: Es war ein Fass ohne Boden. Lemke kann sich auch einen Teilrückbau der neuen steuerfinanzierten Gebäude am Ring vorstellen. Ex-Wirtschaftsminister Hendrik Hering - jetzt SPD-Fraktionschef - räumt mit Blick auf den Privatbetrieb Fehler ein: "Aus heutiger Sicht waren die 2010 gemachten Annahmen zu optimistisch."

Es geht auch um Arbeitsplätze: Die Pächter wollen am Ring 92 Stellen streichen, das Land möchte sie möglichst erhalten. Mit den Pächtern könnte es zum langen Rechtsstreit kommen. Sie gehen gegen ihre Kündigung vor und erwägen, Schadenersatz zu fordern.

Richter und Lindner befürchten, "dass die Formel 1 schon im nächsten Jahr in ein anderes Land vergeben wird und der Deutschland Grand Prix nur noch alle zwei Jahre auf dem Hockenheimring ausgetragen wird". Doch es gibt einen Lichtblick: Formel-1-Chef Bernie Ecclestone ließ die "Rhein-Zeitung" wissen, er sei offen für weitere Grand-Prix-Rennen in der Eifel - wenn denn die Landesregierung einen neuen Vertragspartner findet, der ein Rennen durchführen will.

"Was wir möglich machen können, werden wir auch möglich machen." Ob die Achterbahn am Nürburgring aber jemals fahren wird, steht in den Sternen. Der „Ringracer“ gilt als Symbol überzogener Träume an der Rennstrecke - einst als schnellste Achterbahn der Welt gepriesen mit 217 Kilometern pro Stunde, steht er wegen technischer Probleme einschließlich Explosionen und fehlender Genehmigungen still

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