Eine junge Handwerkerin 26-jährige Ahrbrückerin war vier Jahre auf der Walz

AHRBRÜCK · Eine junge Ahrbrückerin war für ihr Handwerk mehr als vier Jahre auf zwei Kontinenten unterwegs. Die gelernte Obstbauerin Verena Lütz begab sich auf die Walz und durchwanderte in ihrer Handwerkerkluft Deutschland und die angrenzenden Länder.

 Acht Handwerksgesellen, Tischler, Steinmetze und Zimmerer, begleiten Verena Lütz auf ihrer letzten Etappe von Bonn nach Ahrbrück.

Acht Handwerksgesellen, Tischler, Steinmetze und Zimmerer, begleiten Verena Lütz auf ihrer letzten Etappe von Bonn nach Ahrbrück.

Foto: Martin Gausmann

Mit der traditionellen Besteigung des Ortsschildes aus Richtung Norden ist für Verena Lütz aus Ahrbrück eine mehr als vier Jahre dauernde Erfahrung zu Ende gegangen. Die gelernte Obstbauerin hatte sich auf die Walz begeben und in ihrer Kluft nicht nur Deutschland und die angrenzenden Länder durchwandert, sondern sogar bis nach Amerika das Brauchtum gepflegt.

Schaffhausen im Winter. Die schneebedeckten Straßen sind wie leergefegt. Der gesamte Ort befindet sich auf Hilari-Feier, einem Fastnachtsbrauch. Auf ihren verschlissenen Sohlen freute sich Lütz gemeinsam mit einem Wandergefährten auf eine warme Bleibe. Doch an der Adresse eines ihrer Kontakte wurde nicht geöffnet, der Bekannte war fortgezogen. „Wir haben überlegt, die Nacht durchzumachen, weil es einfach zu kalt ist“, resümiert Lütz lächelnd bei strahlendem Sonnenschein an der Ahr. Schließlich fand sich ein Fahrradschuppen, in dem die beiden übernachteten. Noch viele solcher Geschichten hat sie nach ihrer Rückkehr zu erzählen.

Das Abenteuer begann im Sommer 2014, in dem sie sich die heute 26-Jährige gemeinsam mit einer erfahrenen Gesellin auf den Weg machte. Auf den ersten Blick wirken die Regeln dieses Brauches archaisch und anstrengend. Man darf sich dem Heimatort auf nicht mehr als 50 Kilometer nähern und es sind keine Telekommunikationsmittel erlaubt. Übernachtet wird unter freiem Himmel, bei Bekannten, Fremden oder Arbeitgebern.

So etwas wie Heimweh wollte aber am Anfang nicht aufkommen: „Die ersten Monate auf Wanderschaft war es einfach so als wäre ich irgendwo spazieren. Mir war das gar nicht so bewusst, dass ich jetzt weg von zu Hause bin.“ Bei wechselnden Arbeitsstätten und den zahlreichen Menschen, denen sie begegnet ist, verflog die Zeit wie im Fluge. Der überwiegende Teil der Begegnungen war positiv. Der walzenden Rheinländerin wurde allerorten freundlich und mit einer gewissen Neugierde begegnet. Hin und wieder traf Lütz aber auch auf Menschen, die ihren Lebenswandel nicht nachvollziehen können. Sie wurde mit Vorwürfen konfrontiert, dass man Lebenserfahrung auch zu Hause im Betrieb machen könne und dieses Brauchtum doch überlebt sei. Heute entlockt diese Erinnerung ihr jedoch nur ein müdes Lächeln: „Wer keine Lust hatte, der hat mich halt nicht aufgenommen.“

Einsatzorte gab es genug auf ihrem Weg. Eine Zeit lang hat sie in Bodmann am Bodensee bei einem Obstbauern gearbeitet. „Da habe ich mit Saison-Arbeitern zusammengewohnt.“ Wo man ansonsten nur den Arbeitstag über Kontakt zueinander hat, entwickelte sich hier eine ganz neue Erfahrung. „Ich sehe das jetzt alles aus einem ganz anderen Winkel.“

Auch der Blick über den Tellerrand der eigenen Ausbildung war der Ahrbrückerin wichtig. „Ich bin viel mit Zimmerern gereist“, und so führte sie die Walz auch zum Holzhandwerk. Fachwerksanierung, das Aufmöbeln von Altbauten oder der Bau von Hochbetten für eine Bildungsstätte standen dort auf dem Plan. „Schön dreckig, hat aber trotzdem Spaß gemacht.“ Am weitesten fort führte sie ihr Weg nach Amerika. Durch Kalifornien, Arizona und Nevada ging es mit Arbeit gegen Kost und Logis. Neben dem Bau einer Küche bis hin zu Reinigungstätigkeiten prägte sie besonders der Kontakt zu den Einheimischen, die ebenfalls mit Neugierde auf die deutsche Tradition reagierten.

Besonders wichtig ist Lütz die Verbindung zu anderen Wandergesellen. So hat sie in den vier Jahren etliche Kollegen auf die Walz gebracht, sie also am Anfang ihrer Wanderschaft begleitet und hat sich vorgenommen, auch in Zukunft ein offenes Ohr und Haus für Gleichgesinnte zu haben.

Nachdem sie ein weiteres Jahr an die obligatorischen drei Jahre drangehängt hatte, überwog dann doch das Heimweh nach der Familie, und so genießt sie momentan die Tage am heimischen Herd und lässt die Zukunft bei bestem Maiwetter momentan erst einmal auf sich zukommen.

„Die Welt kennenlernen, die Menschen kennenlernen und mich selbst kennenlernen“ – so resümiert Verena Lütz, was ihr die Walz für den Rest ihres Lebens gebracht haben wird.

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