Sinzig unter baulichen Aspekten Verborgene Schätzchen entdeckt

SINZIG · Hardy Rehmann und Matthias Röcke stellen im Schloss ihr Buch zur Architektur von Sinzig vor.

 Sinzig Buchvorstellung Architektur in Sinzig li. Matthas Röcke, re. Hardy Rehmann

Sinzig Buchvorstellung Architektur in Sinzig li. Matthas Röcke, re. Hardy Rehmann

Foto: Martin Gausmann

Als Karl-Friedrich Amendt, Vorsitzender des Denkmalvereins, im voll besetzten Kultursaal des Schlosses zu „Architektur in Sinzig – bauliche Entwicklung einer Kleinstadt am Mittelrhein seit 1827“ begrüßte, nannte er das Buch „einen Vorgriff auf das Stadtjubiläum in 2017“. Hardy Rehmann bestätigte: „Das Jubiläum hat uns angeregt“. Er und Matthias Röcke, beide Sinziger und Vereinsmitglieder, blickten „auf die in Stein gegossene Geschichte“ und steinerne Moden der Kernstadt. Nicht die bekannten Bauten, Kirche, Schloss, Zehnthof, standen im Fokus, sondern Wohnhäuser, öffentliche Gebäude und Industriebauten. Das Duo zeigte einem wachen Publikum auf, wie sich das heutige Stadtbild ab dem 19. Jahrhundert aus einem noch mittelalterlich geprägten Umfeld entwickelte.

Allgemein ist eine zunehmende Dynamik in Flächen- und Bevölkerungswachstum nachvollziehbar. Damit einhergehend vermehren sich Architekturstile und Gebäude. Nach dem Bau von Sankt Peter stockte 400 Jahre lang die Entwicklung. Aber um 1750 taucht ein barockes Gebäude nicht aus Fachwerk, sondern Bruchstein auf. 1827 verzeichnet die „Ur-Karte“, jene erste detaillierte Gebäude-Aufnahme Sinzigs, eine lockere Bebauung innerhalb des Mauerrings.

Häuser samt Gemüsegärten und Feldern liegen in der Stadt. Fachwerkbau, einfach bis aufwendig, wie in der Eulengasse und Tuchergasse, überwiegt. Im Fachwerk bildet sich auch der Barock ab, wie in einem Marktplatzhaus mit Krüppelwalmdach. So unterschiedlich die Ausprägung, so starr die Aufteilung in fünf Achsen.

Neben barocken trägt das abbruchbedrohte rosa Haus Mühlenbachstraße 40 auch klassizistische Züge. Teils pur klassizistisch wird zwischen 1760 und 1840 gebaut: Rathaus, Amtsgericht, Gebäude am Markt, aber auch noch der Bahnhof von 1859 weisen diese Stilmerkmale auf. Und die Bahn begünstigt die Industrie. 1870 kommt die Fliesenfabrik, 1907 die Glasfabrik.

Vor dem Fortschrittssymbol Bahnhof verläuft bald, von Villen gesäumt, die Barbarossastraße. Ob Villa oder Mehrparteienhaus – um 1900 erlebt Sinzig einen Wachstumsschub und dehnt sich erstmals über die Stadtmauergrenze aus. Gegen die Wohnungsnot gibt die Stadt in den 1880ern gar Teile ihrer ohnehin schon unvollständigen Mauer frei, damit Bauwillige in der Graben- und Kalkturmstraße Hauser errichten können.

Manches Bauwerk kam den Gästen fremd vor. Zwei Beispiele des Historismus, der zwischen 1840 und 1913 vergangene Baustile aufgriff und gerne mischte, wie beim „Wunschkonzert des Baumeisters einer Villa in der Kölner Straße“, waren indes allen vertraut: die neugotische Zehnthofvilla und das Schloss, Sommerresidenz der Familien Bunge und Koenigs.

Ebenso wiesen die Autoren auf den Jugendstil, etwa das imposante Haus der Brüder Ott in der Koblenzer Straße oder das heutige Restaurant Vieux Sinzig. Neue Materialien hielten Einzug: 1860 fanden Rehmann und Röcke den ersten Beleg für Ziegelbauweise, „damals ein ganz modernes Material“.

Für jedes Jahrzehnt bis zur Jetztzeit, einschließlich Nachkriegs- und Postmoderne, rückten sie Typisches in den Blick. Vielfach trafen sie auf „verborgene Schätze“. Ihr Buch (ISBN: 978-3-96058-973-0) ist im Verlag Edition Lempertz erschienen und kostet 12,99 Euro. Für den heutigen Samstag, 29. Oktober, 14 Uhr, laden die Autoren zu einem Stadtrundgang zum Thema ein. Start ist am Schloss Sinzig.

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