Bauern und Winzer an der Ahr Starkregen und Preisverfall sorgen für Sorgenfalten

DERNAU · In den Bauer- und Winzer-Betrieben an der Ahr geht nach Ansicht des Kreisbauernverbandes die Existenzangst um. Die Landwirtschaft befinde sich in einer Zerreißprobe.

 Franz Josef Schäfer (rechts) sprach beim Neujahrsempfang des Bauern- und Winzerverbandes.

Franz Josef Schäfer (rechts) sprach beim Neujahrsempfang des Bauern- und Winzerverbandes.

Foto: Gausmann

Missmutig aber auch kämpferisch war die Stimmung bei der Generalversammlung des Kreisbauern- und Winzerverbandes Ahrweiler im Culinarium der Weinmanufaktur Dagernova in Dernau. „Die Landwirtschaft befindet sich in einer Zerreißprobe“, so der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Werner Schwarz. Zwar ernähre ein Landwirt im Durchschnitt 150 Menschen, der Beruf scheine aber trotzdem derzeit nichts wert zu sein, vor allem die mediale Wahrnehmung lassen sehr zu wünschen übrig.

Als Folge überlege sich der Nachwuchs zweimal, ob er in die Betriebsnachfolge einsteige, denn er befürchte, „zwischen Markt und Meinung, zwischen Freiheit und Reglementierung, zwischen Gegenwart und Zukunft zerrieben zu werden.“ Zumal die Existenzangst in den landwirtschaftlichen Betrieben umgehe angesichts dramatisch sinkender Erzeugerpreise.

Die Preise für landwirtschaftliche Produkte glichen sich weltweit an, die Kosten aber nicht. „Deshalb drehen die deutschen Bauern an jeder Schraube, aber nicht zulasten der Tiere und nicht zulasten der Umwelt – sondern zulasten ihrer Familien“, sagte der Großbauer, der einen 400 Hektar großen Familienbetrieb mit Ackerbau, Schweinemast und Jungsauenvermehrung in Schleswig-Holstein leitet. Dabei helfe es schon, wenn die Politik „endlich die Bürokratie abbaut“, denn die sei letztlich ein Wettbewerbsnachteil für die heimischen Bauern auf dem Weltmarkt.

„Gesetze erzeugen keine Lebensmittel, Medienberichte machen nicht satt und Bürgerinitiativen bewirtschaften keine Flächen“, machte er seinem Unmut Luft. Die Landwirtschaft werde gebraucht, allerdings seien die Aufgaben global und die Lösungen müssten vor Ort entstehen. Er appellierte an die anwesenden Landwirte, die Situation als Motivation anzusehen und stärker als bisher zusammenzuarbeiten: „Nur gemeinsam werden wir es schaffen.“ Noch gebe es die bäuerlichen Familienbetriebe, doch die Zahlen gingen zurück.

Schwarz warf der Politik auf Bundesebene auch vor, mit Schlagworten und schiefen Fakten nach Wählerstimmen angeln zu wollen und sah darin ein riesengroßes Misstrauensvotum gegen die Landwirtschaft insgesamt. Wenn behauptet werde, dass ein Porsche umweltfreundlicher sei als eine Kuh, könne man diese Argumentation nicht mehr ernst nehmen. Es gebe allerdings auch für die Landwirtschaft zunehmend Handlungsbedarf, und es sei auch Handlungswillen vorhanden, beispielsweise in Sachen „mehr Tierschutz und weniger Antibiotika-Einsatz.“

„Zwischen Starkregen und Preistief“, so hatte der Kreisvorsitzende Franz Josef Schäfer (Eckendorf) zuvor seinen Jahresbericht überschrieben. Gleich zu Beginn machte er klar: „Selten blies uns der Wind so stark ins Gesicht wie im vergangenen Jahr.“

Es werde immer schwieriger, die bäuerliche Kernaufgabe gesunder Nahrungsmittelproduktion zu erfüllen. Das erste Halbjahr sei zwischen Ahr und Eifel von extremen und langhaltenden Regenfällen geprägt gewesen, ein starker Pilzbefall in allen Kulturen sei hinzugekommen.

Die Getreideernte sei sowohl qualitativ als auch quantitativ bescheiden, die Zuckerrübenernte sei mittelprächtig ausgefallen. Die Winzer an der Ahr kamen mit einem durchschnittlichen Ertrag davon, hier habe das trockene und warme Wetter zur Lesezeit noch das Schlimmste verhindert. „Bei den Obstbauern lagen Erfolg und Misserfolg dicht beieinander, hier brachte nur ein guter Regenschutz eine zufriedenstellende Ernte ein.“ Alles in allem bedeutet das für die Landwirtschaft im Kreis: „Wir mussten in den vergangenen Jahren schon kleine Brötchen backen, aber in 2016 waren sie verdammt klein.“

Auch Schäfer prangerte das „mediale Dauerfeuer“ an, das die Landwirtschaft auf Dauer zermürbe und den einen oder anderen Landwirt auch zum Rückzug bewege. „Wie soll sich ein junger Mensch unter diesen Bedingungen für die Hofnachfolge begeistern?“, fragte er. Im „postfaktischen Zeitalter“ komme der gesunde Menschenverstand zu kurz, es würden zu viele Ängste geschürt und von den Politikern noch zusätzlich verstärkt.

Dennoch gelte es für die Landwirtschaft, sich den Fragen und den Vorbehalten der Mitbürger zu stellen und in einen offenen Dialog einzutreten. „Wir haben nichts zu verbergen, öffnen wir unsere Betriebe und zeigen, was wir leisten“, riet er seinen Leidensgenossen unter großem Beifall.

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