Offenes Atelier in Bad Bodendorf Kein Quadratmeter ohne Kunst

BAD BODENDORF · Nach fünf Jahren Pause öffnet Margarete Gebauer erstmals wieder Haus und Atelier für Besucher. Von Freitag bis Sonntag, 9. bis 11. Juni, lädt die 70-jährige Künstlerin aus Bad Bodendorf interessierte Besucher ein.

 Nach fünf Jahren öffnet Margarete Gebauer wieder ihr Haus für Kunstinteressierte. ANDREA SIMONS

Nach fünf Jahren öffnet Margarete Gebauer wieder ihr Haus für Kunstinteressierte. ANDREA SIMONS

Foto: Andrea Simons

Fünf Jahre hat sie fast nichts gemacht, obwohl sie sich selbst als „Powertyp“ bezeichnet und in der Vergangenheit an manchen Tagen wie eine Besessene von morgens bis abends gemalt hat. Gut 35 Jahre lang. „Dann wurde ich ausgebremst, und das heftig“, sagt Margarete Gebauer: „Wenn ich normalerweise eine Krise hatte – die hat ja jeder – habe ich die besten Arbeiten gemacht. Aber dass gar nichts mehr ging, das war wirklich depressiv und nicht witzig“, sagt die Bad Bodendorferin, die so offen mit dem Grund für ihre Auszeit umgeht wie sie oft auch schwierige oder tabuisierte Themen in ihren Werken aufgreift. Fünf Jahre hat sie ihr Atelier nicht betreten. Doch nun arbeitet die 70-Jährige wieder und lädt sogar ein in ihre Werk- und Wohnräume. Unter der Überschrift „Atelier und mehr“ öffnet Margarete Gebauer von Freitag bis Sonntag, 9. bis 11. Juni, jeweils von 15 bis 18 Uhr ihr Haus an der Schillerstraße 43 in Bad Bodendorf.

Hinter der rot getünchten Fassade gibt es auf allen Ebenen Einiges zu entdecken. Das Lager, vollgepackt mit ihren Werken, ist im Keller. Das Atelier unterm Dach. Auch die Etagen dazwischen spiegeln ihr 40-jähriges kreatives Schaffen wider. Kein Quadratmeter ohne Kunst. Im Erdgeschoss finden sich unter anderem filigrane „Reagenzglasskulpturen“ und riesige Gemälde von „Kopftuchfrauen“. Auf den Stufen zum ersten Obergeschoss „Verschnürte Herzen“: Styroporarbeiten, die mit Kette und Schloss versehen oder mit Draht umwickelt sind, aber vereinzelt Einblick gewähren in ihr Innerstes und alle zu öffnen sind. Darin befinden sich jeweils auch individuelle Texte. „Ich nenne es begreifbare Kunst, für die ich mir Zeit lassen muss, wie wenn ich in die Tiefe eines Menschen gehe. Wenn ich aber wieder gehe, sollte ich ihn auch wieder verschließen, nicht einfach so liegen lassen“, sagt Gebauer. Mit den Herzstelen daneben erinnert sie an die Vertreibung der Dorfbewohner vor der Einrichtung des Luftwaffenübungsplatzes Ahrbrück.

Am Ende der Treppe findet sich ein Webstück aus dem Projekt „Kokon“, für das Gebauer im Jahr 2000 den Kinder- und Jugendförderpreis Rheinland-Pfalz erhalten hat: Die Jugendlichen haben die Kinder eingewickelt wie einen Kokon und diese auch versorgt. Da ging es unter anderem um Verantwortung und Vertrauen, Macht und Ohnmacht. Auch Verlangen und Widerstreben, Zerrissenheit, Angst und Hoffnung drücken ihre Werke aus und tragen Titel wie „Die schreckliche Treue“, „Hilflose Kehllaute“, „Der Missbrauch der Kinder“ oder „Zeit der Wandlung“.

Mit knapp 30 Jahren wandte sich die Mutter zweier Kinder der Kunst zu. Als Autodidaktin. „Die Entwicklung geht am besten übers viele Arbeiten.“ So finde man seine eigene Handschrift als Künstler, sein eigenes Ding. Ihr „Ding“ ist das Figurative. Ganz speziell die Frau. Freizügige Darstellungen sind darunter, Akte. Das verwirre viele, „weil Frauen machen so was ja nicht“, sagt Gebauer.

Andere Werke sind sehr abstrakt oder symbolhaft, viele wirken rätselhaft. Sie sind nicht aggressiv, „springen“ den Betrachter nicht an, „ziehen“ ihn eher in sich hinein, lassen sinnieren oder fordern ihn wortlos heraus. Manchmal gibt es heftige Reaktionen. Eine Frau hat mal geweint vor einem Bild, eine andere empfand Bedrohung, berichtet Gebauer, die findet: „Kunst soll berühren, nicht bloß dekorativ sein.“ Schließlich habe Kunst einen Auftrag und dazu gehört für sie die Auseinandersetzung mit der Welt, dem Menschen, Zukunft und Vergangenheit. Mit Skulpturen und Plastiken hat die Bad Bodendorferin ihr künstlerisches Schaffen begonnen. Es folgten Materialbilder, Installationen und Leinwandbilder.

Wie mit einem Schleier sind manche Gemälde überzogen. Gebauer spachtelt die Farbe auf die Leinwand und arbeitet in Schichten. Obwohl menschliche Darstellungen oder Körperteile auf Gemälden sowie als Skulptur oft verdreht, verformt, abgewandt oder eingerollt erscheinen, sind sie von großer Ästhetik. Auch archaische und Fabel-Wesen sowie Fantasiegestalten tauchen auf den meist großformatigen Werken auf. Aktuell nimmt sie sich kleinere Formate vor, aber quadratisch, wie oft. Das Thema Bootsflüchtlinge liegt einigen ihrer neuen Gemälde zugrunde, und neue Skulpturen hat sie mit Besteck und bemalter Leinwand realisiert.

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