Konkrete Hilfe für Flüchtlinge Kalte Füße, warme Herzen

BAD BREISIG/SINZIG · Während sich gestern Abend mehr als 200 Menschen bei Eiseskälte auf dem Sinziger Kirchplatz trafen, um für Toleranz und gegen Fremdenhass zu demonstrieren, hatten sich tags zuvor rund 80 Waldorfer in der Vinxtbachhalle versammelt, um gemeinsam zu überlegen, wie dort lebenden Flüchtlingen konkret geholfen werden kann.

 Mehr 200 Menschen traten gestern Abend in Sinzig für ein "respektvolles Miteinander" ein.

Mehr 200 Menschen traten gestern Abend in Sinzig für ein "respektvolles Miteinander" ein.

Foto: Martin Gausmann

"Sie sind hier herzlich willkommen", rief Ortsbürgermeister Hans-Dieter Felten vier erschienenen Flüchtlingen aus Eritrea zu, ein Land, in dem es schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Tötungen und Verhaftungen, Folter sowie fehlende Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit gibt.

Elf Menschen aus dem zwischen dem Sudan und Äthiopien gelegenen Land leben derzeit in dem 800 Seelen-Ort der Verbandsgemeinde Bad Breisig. In den nächsten Wochen werden fünf weitere Landsleute von ihnen dazu kommen. Sie wohnen in einem von der Verbandsgemeinde angemieteten Haus an der Hauptstraße, mitten im Ort. 180 Quadratmeter stehen ihnen in dem Gebäude zur Verfügung. Eine nennenswerte ÖPNV-Anbindung gibt es in Waldorf nicht, lediglich ein Schulbus findet einmal pro Werktag seinen Weg in das Vinxtbachtal. Geschäfte sucht man vergebens.

"Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Diese Menschen müssen bei uns eine neue Heimat finden", sagte Ortsbürgermeister Felten in der erstaunlich gut besuchten Bürgerversammlung, in der eine Welle von Hilfsbereitschaft signalisiert wurde. Fahrräder will man für die eritreischen Flüchtlinge besorgen, einen Fahrdienst in die Kreisstadt und nach Bad Breisig einrichten. Ob in den Waldorfer Vereinen oder in der Feuerwehr: Die arabisch sprechenden Asylbewerber will man dort willkommen heißen. Und: Natürlich will man auch mit Kleidungsstücken und sinnvollen Gebrauchsgegenständen helfen.

"Das besondere Problem ist die Sprachbarriere", so Felten. Nun wird überlegt, wie ein Sprachkursus für die Flüchtlinge organisiert werden kann. Sobald sich die Waldorfer Neuankömmlinge ein wenig eingelebt haben, will man sie zu einem "Vorstellabend" einladen, "damit wir uns gegenseitig ein bisschen besser kennenlernen", schlug der Ortsbürgermeister vor. Erst einmal wolle man den Karnevalstrubel an sich vorüberziehen lassen. Und die Eritreer den Waldorfer Narrenumzug, der sie vermutlich in Erstaunen setzen dürfte.

Zwischen 20 und 32 Jahren sind die Flüchtlinge alt, die derzeit in dem Ort wohnen. "Sie brennen darauf, etwas sinnvolles zu tun", erklärte Klaus Neufang, Vorsitzender der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Rhein-Ahr. Sein Verein will einen Beitrag dazu leisten, Asylbewerbern das Einleben in eine völlig andere Gesellschaft zu erleichtern, Fremdheitsgefühle abzubauen und in asylrechtlichen Fragen zu helfen - mit dem Ziel eines möglichen Bleiberechts. Neuhaus: "Leitlinie ist das Gebot der Fremdenliebe."

Diese hatten sich auch Menschen aller Generationen gestern Abend auf die Fahne geschrieben, die für Warmherzigkeit gegenüber Flüchtlingen eintraten und sich dafür gerne kalte Füße holten. "Für ein respektvolles und friedliches Miteinander. Willkommen in Sinzig", war denn auch auf einem Plakat zu lesen. Das "Erschrecken über die fast täglichen Nachrichten von Pegida bis IS", habe ihn bewogen, mit Unterstützung des Hauses der offenen Tür zur Demo aufzurufen, machte Initiator Tim Baumann (23) klar.

Und: "Die Leute sind zu uns gekommen, weil sie in Frieden leben wollen. Sie dürfen nicht mit Hass empfangen werden." In Sinzig, im Kreis und in ganz Deutschland sei kein Platz für Nazis. Bürgermeister Wolfgang Kroeger brachte es mit einem Zitat von Bundestrainer Joachim Löw auf den Punkt: "Nicht die Nationalität steht im Vordergrund, sondern der Mensch." Der Stadtchef forderte nicht nur die Sinziger auf, "Weltmeister der Toleranz zu werden". Es gelte alle Glaubensrichtungen zu respektieren. "Zur Meinungsfreiheit gehöre es, den Dialog zu suchen. Niemand dürfe gegenüber denjenigen schweigen, "die die Werte der Demokratie nicht verstanden haben".

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