In Sinzig das Grab gefunden Erlösung nach 70 Jahren

SINZIG · Der Sinziger Denkmalverein hat bei der Klärung des Schicksals von Friedrich Reichling geholfen. Über 70 Jahre nach dem Kriegsende entdeckte eine französische Familie so das Grab ihres Angehörigen.

 70 Jahre nach Kriegsende entdeckte die bei Straßburg lebende Familie das Grab ihres Angehörigen Friedrich Reichling auf dem Soldatenfriedhof in Bad Bodendorf.

70 Jahre nach Kriegsende entdeckte die bei Straßburg lebende Familie das Grab ihres Angehörigen Friedrich Reichling auf dem Soldatenfriedhof in Bad Bodendorf.

Foto: Matthias Röcke

Eine bei Straßburg lebende Familie hat über 70 Jahre nach Kriegsende das Grab ihres Angehörigen Friedrich Reichling auf dem Soldatenfriedhof Bad Bodendorf entdeckt. Die Geschichte gleicht einem Krimi, stimmt aber auch nachdenklich. Zur Lösung trug übrigens die „Turmgespräch“-Reihe des Denkmalvereins Sinzig bei.

Im Krieg dienten die meisten deutschen Männer in der Wehrmacht oder arbeiteten in kriegswichtigen Bereichen, so für die paramilitärische Bautruppe „Organisation Todt“. Sie hatte auch im Ahrtal zu tun, waren doch die meisten der rund 50 Menschen, die 1944 bei einer Weihnachtsfeier im Café Breuer der Sinziger Mühlenbachstraße einem Luftangriff starben, Angehörige dieser Organisation. Auch Friedrich Reichling gehörte ihr an, wie zwei Fotos in Uniform belegen.

Auf einem dritten Foto, aufgenommen im französischen Brest (Finistère), Bretagne, aber trägt er eine Wehrmachtsuniform. Im Spätherbst 1943 war Friedrich Reichling auf Heimaturlaub, im August 1944 wurde Sohn Günther geboren. Nahezu zeitgleich benachrichtigte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) die Ehefrau, Reichling sei an der Ostfront im Gebiet des Dnepr (Dnjepr) in der Ukraine vermisst. Zwar fehlen den Angehörigen jegliche Anhaltspunkte für seine Verlegung von Frankreich in die Sowjetunion. Doch hat es vor der Invasion der Amerikaner in der Normandie 1944 wiederholt Truppentransporte über große Entfernungen gegeben und die „Organisation Todt“ war im Osten an SS-befehligten Bauvorhaben beteiligt.

Um erneut heiraten zu können, beantragte Friedrich Reichlings Ehefrau 15 Jahre nach Kriegsende, dass ihr Mann für tot erklärt wurde. Trotzdem versuchten Sohn und Schwiegertochter beharrlich Todesumstände und Begräbnisort herauszufinden.

Fehlgeschlagener Suchantrag

Ein Suchantrag beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge schlug fehl. Erfolglos durchsuchten sie im Internet Gefallenen-Listen der ehemaligen Ostfront in der Ukraine und Weißrussland. Da dies nicht fruchtete, prüften sie Listen deutscher Soldatenfriedhöfe. In einer zur Kriegsgräberstätte Bad Bodendorf von August G. Rumpenhorst mit Verstorbenen des Kriegsgefangenenlagers „Goldene Meile“ stieß die Familie auf Friedrich Reichling. Indes teilten die Standesämter und Friedhofsverwaltungen von Remagen und Sinzig mit, nicht alle Gefangenenlager-Toten seien auf dem Bad Bodendorfer Soldatenfriedhof beerdigt.

Da half der Kontakt zum Denkmalverein, auf dessen Homepage die Reichlings zufällig über die Kriegsende-Ausstellung im Schloss und das Turmgespräch „Ehrenfriedhof Bad Bodendorf“ (2015) lasen. Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt schwang sich aufs Rad, fotografierte den Grabstein, übermittelte das Bild per E-Mail und hörte am Telefon den Aufschrei der Reichlings, als das Foto ankam.

Das Grab Friedrich Reichlings wurde nach rund 70 Jahren gefunden. Ein „Happy End“? Sicher nicht, denn wer sich mit den Verhältnissen im Kriegsgefangenenlager zwischen Remagen und Sinzig befasst, hat nachträglich noch viel aufzuarbeiten! Welche Gefühle mögen der Sohn, seine Ehefrau und der Enkel gehabt haben, als sie in diesem Oktober nach 70 Jahren erstmals vor dem Grab des Vaters und Großvaters standen?

Es bleiben Fragen. Namen und Geburtsdatum alleine reichen nämlich nicht aus zur eindeutigen Identifizierung, da es vorkommt, dass es mehrere Personen mit gleichen Vor- und Familiennamen und sogar gleichem Geburtsdatum gibt. Um Gewissheit über den in Bad Bodendorf Bestatteten zu erhalten, sollten sämtliche Daten in den Originallisten zur Friedhofsbelegung mit den Daten des Friedrich Reichling aus dem Badischen abgeglichen werden.

Für Karl-Friedrich Amendt ist die Recherche folglich noch nicht wirklich beendet. Denn der Besuch des Archivs in Koblenz steht noch aus.

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