Farbenfrohes Spektakel der Superlative in Dernau Brexit-Briten im Dernauer Zug

DERNAU · Von der Insel ins Rotwein-Paradies – die Brexit-Briten, oder solche, die sich am Sonntag beim Dernauer Winzerfestzug als solche ausgaben, stellten mal eines klar: „Der Asylantrag ist längst gestellt, weil uns der Rotwein im Ahrtal gefällt.“

Der „Beatles“-Verschnitt sang „We all live in the Rotweinparadies“.

Der „Beatles“-Verschnitt sang „We all live in the Rotweinparadies“.

Foto: Martin Gausmann

„Die Dorfgemeinschaft“ warnte die Tausenden von Besuchern eindringlich: „Achtung, Sie verlassen den britischen Sektor.“ Der „Beatles“-Verschnitt setzte noch einen drauf und sang zur Melodie von „Yellow Submarine“ „We all live in the Rotweinparadies“.

Der Clou dann: Clärchen Bertram aus Altenburg als winkende Queen Mum im Fond eines echten Rolls Royce. Auch die Loddemöhne hatten nach Great Britain geschaut und „et Themse Lissy“ (Janina Arends) mit dem Versprechen gelockt „Mit Rotwein von der Ahr wird die Queen noch 100 Jahr“.

Wer glaubt, dass Zahlen und Statistiken trocken und nur was für Mathematiker sind, den belehrten die Akteure eines Besseren: „Derne“, das 1800 Einwohner hat, stellte ein Spektakel auf die Beine, bei dem mehr als 1000 Menschen aktiv mitmachten. Einen Rekord bildeten nicht nur die 65 Fußgruppen und Wagen. Auch die Besucherzahlen ließen das Dorf aus den Nähten platzen und der strahlende Sonnenschein, der die Gemüter auf mehr als die gemessenen 28 Grad erhitzte, tat sein übriges.

Denn eines hat das Wein Kultur Dorf bis zur Perfektion kultiviert: die Gemeinschaft und den Zusammenhalt. Und so zog über Stunden ein Festzug durch den Ort, der seinesgleichen im Land sucht. Aufwendige Kostüme, originelle, junge Ideen, mit Tausenden von Blüten geschmückte Wagen, dazu ein Dutzend Musikkapellen – das alles sorgte dafür, dass Dernau eine perfekte Visitenkarte abgab und das Anfahrt- und Parkchaos – die Polizei leitete in Marienthal über die Bunkerstraße ab – schnell vergessen war.

„Bombenwetter und Bombenstimmung“, das hatte Ingrid Näkel-Surges vom Verkehrsverein schon am Freitag fürs 66. Fest garantiert. So konnte sich die am Samstag proklamierte neue Weinkönigin Christina Kurth mit ihren Prinzessinnen Corinna Gilles und Elisabeth Kastenholz auch im Wortsinne in Sympathiebekundungen sonnen.

Dass natürlich der Wein im Mittelpunkt stand, ist im Heimatort der größten Ahr-Winzergenossenschaft, der Dagernova, selbstverständlich. So war klar, dass die Weinmanufaktur alles am Start hatte – vom Praktikanten über den Azubi bis zum Vorstand. Ihr „Koch“ Juppa Gill stellte unter Beweis, dass man Rotwein auch beim Kochen in die Soße geben kann. Friedhelm Nelles lenkte einen Traktor, Kellermeister Günter Schüller half derweil an der Eventhalle ebenso mit Insiderwissen aus wie Julia Bertram oder Ricarda Sebastian. Schüllers Mutter Erna (85) fuhr derweil unerschütterlich im Tross des Eifelvereins mit.

Eigentlich ist der Rebensaft Begleiter in allen Lebenslagen. Die Dernauer trinken ihn nicht nur unter der Erde, wie die Zeche Kolping unter Beweis stellte, sondern auch im Weltall. Die „Ahrpollo“ (Leichtathleten des SV) nahm den Rotwein mit zur „Mission possible“. Kevin Schüller (Freundeskreis Dernau/Rech/Esch) war Herr Müller-Lüdenscheidt, lag in der Badewanne, wollte sein Quietscheentchen aber nicht nur in Schaum, sondern auch in Rotwein schwimmend wissen.

Der Applaus war derweil nicht nur Bacchus Reinhold Wollersheim sicher, sondern auch der Mini-Ausgabe vom Kindergarten: Oskar Klein thronte wie ein Profi auf dem Fass. Blass um die Nase kamen die Tennisspieler des SV daher, aber nur, weil sie Pantomimen mimten. Mit Gemütlichkeit probierten es die Wanderfreunde: „Bist Du abends müd und steif, trink Dernauer Rotwein und stopf die Pfeif'“.

Das ließ sich auch Erwin Pauly zur Musik der Jagdhornbläser Fronhofen nicht zweimal sagen. Kaum wiederzuerkennen war Bürgermeister Fred Sebastian. Der Chef des Ski-Clubs heizte mit Sombrero und „Adio, adio Mexiko“ mächtig ein und gab die Parole aus: „Tequila für die Mexikaner ist für Dernauer der Rivaner.“

Während Majestäten-Vater Jürgen Kurth vorm Fass der Alten Herren thronte, grüßte der Marienthaler Fanclub mit dem Papa von Prinzessin Corinna, Benno Gilles. Unzählige Käferchen (Freundeskreis) flatterten glücksbringend umher, um das strahlende Wein-Trio anzukündigen, das in Dernau nicht, wie in den anderen Orten, das Schlusslicht bildet. Bis unter die Zähne bewaffnet, aber handzahm, marschierte dann „De Clubb & friends“ als „GangstAhr“ ein. „Pistolen sind bei uns nur Schein, Dernauer Rotwein muss es sein.“ Und der floss, neben kühlen, weißen Tropfen, nach dem Festzug noch in Strömen.

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