Bernd Weidenbach im Interview Bürgermeister von Bad Breisig: "Wir sind nicht die Schuldenmacher"

Bad Breisig · Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Breisig, Bernd Weidenbach, möchte sich vom Image lösen, Chef eines Schuldenmacher-Gemeindeverbandes zu sein. Im Gespräch mit dem General-Anzeiger äußert er sich zu Zielen und Perspektiven Bad Breisigs.

 Bernd Weidenbach im Gespräch mit dem General-Anzeiger.

Bernd Weidenbach im Gespräch mit dem General-Anzeiger.

Foto: Martin Gausmann

"Von jetzt an werde ich nur so viel ausgeben, wie ich einnehme, selbst wenn ich mir dafür Geld borgen muss", hat Mark Twain einmal gesagt. Wie viel Geld musste sich die Stadt Bad Breisig in 2013 bislang borgen, um über die Runden zu kommen?

Bernd Weidenbach: Die Stadt Bad Breisig hat bisher von der Darlehensermächtigung für 2013 von rund 1,5 Millionen Euro rund 366.000 Euro an Kredit aufnehmen müssen, um Investitionen zu finanzieren. Hinter dieser Verschuldung steht ja auch ein entsprechender langfristiger Gegenwert. Das giftige in der Welt der kommunalen Haushalte in Rheinland-Pfalz sind die Kassenkredite, die in diesem Jahr trotz erheblicher Ausgabesenkungen und Einnahmeerhöhungen, die mehr als eine halbe Million Euro brachten, um weitere 600.000 Euro steigen werden.

Wieviel Schulden hat ihre Stadt denn bisher insgesamt angehäuft?

Weidenbach: Die Stadt Bad Breisig hat für Investitionen einen aktuellen Schuldenstand von 7,1 Million Euro, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von etwa 780 Euro entspricht. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung in Rheinland-Pfalz für investitionsgebundene Kredite bei Städten in unserer Größenordnung beträgt 800 Euro.

Wenn da nicht noch die gewaltigen Kassenkredite wären...

Weidenbach: Offen gestanden ärgert mich dieser Hinweis inzwischen, weil uns aufgrund der immer wieder neuen Diskussion im Stadtrat ein völlig falsches Image verpasst wurde. Im Zusammenhang mit der Stadt Bad Breisig wird immer wieder von einer extremen Verschuldung geredet. Ich versuche der Öffentlichkeit sehr konsequent deutlich zu machen: Die Kassenkredite sind kein hausgemachtes Ergebnis von Bad Breisig. Sie sind vielmehr Ergebnis eines wissenschaftlich belegten völlig unzureichenden kommunalen Finanzausgleichs. Wir sind nicht die großen Schuldenmacher.

Bei den Kassenkrediten liegen wir bei einer Pro-Kopf-Verschuldung in der Stadt Bad Breisig von 520 Euro, das ist nicht weg zu diskutieren. Vergleichen Sie das aber bitte mit dem Landesdurchschnitt: Der beträgt 1500 Euro pro Einwohner. Ich denke mit diesen Zahlen kann sich jeder ein Bild darüber machen, dass wir, wie viele Kommunen, in einer üblen Situation sind.

Wie wollen Sie jemals von diesem Schuldenberg herunterkommen? Selbst wenn Sie alle Möglichkeiten einer Einnahmeverbesserung und alle realistischen Sparbemühungen umsetzten, würden Sie vermutlich doch ein paar hundert Jahre brauchen, um wieder ein ausgeglichenes Konto vorzuweisen...

Weidenbach: Kassenkreditschulden sind unerträglich, weil Kommunen keine andere Chance haben, als Konsum mit Schulden zu bezahlen. Ein unhaltbarer Zustand. Wenn es nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen kommt, kann ich nur sagen: Dann werden jedes Jahr bestehenden Kassenkrediten neue hinzugefügt, um Konsum zu bezahlen.

Außerdem würden Ihnen bei Ausschöpfung von denkbaren Höchststeuerhebesätzen bei der Gewerbesteuer die Unternehmer davonlaufen und bei optimaler Grundsteuer-Abschöpfung die Bürger und Häuslebauer aus Bad Breisig flüchten oder erst gar nicht zu Ihnen kommen...

Weidenbach: Wir sind doch schon an dem Punkt, dass Leben in Bad Breisig mit am teuersten in Rheinland-Pfalz ist, weil wir zu Beginn des Jahres die Steuersätze erheblich angehoben haben. Das macht mir auch heute noch ein schlechtes Gewissen, weil ich finde, dass die Belastungsgrenze der Menschen längst überschritten ist.

Und nun?

Weidenbach: Es gilt, immer wieder deutlich zu machen, dass wir hinsichtlich der Höhe der Steuerhebesätze das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Die Leute müssen spüren, dass mit ihren sauer verdienten Steuergeldern wirklich Dinge getan werden, die zur Attraktivitätssteigerung der Stadt beitragen, sei es in den Bereichen Kultur, Sauberkeit der Stadt, Kurpark, Dorferneuerung, Aktive Stadt, Römer-Thermen, um nur einige Beispiele zu nennen. Wenn die Menschen merken, dass für die Steuern auch etwas im unmittelbaren Lebensumfeld getan wird, dann kommt es vielleicht auch zumindest zu einer gewissen Akzeptanz solcher Maßnahmen.

Das höchste rheinland-pfälzische Gericht hat dem Land bescheinigt, die Kommunen finanziell unzureichend auszustatten. Immer mehr Aufgaben werden stattdessen auf die Städte und Gemeinden abgewälzt. Bei der von oben verordneten Aufgabenbewältigung lässt man Kommunen wie Bad Breisig aber im Stich. Nun ist das Land ja selbst in argen finanziellen Nöten und hat sich eine Schuldenbremse verordnet. Woher soll das Land das Geld nehmen, das an Sie weiter gereicht werden könnte?
Weidenbach: Das müssen Sie die Landesregierung fragen. Mir steht es nicht zu, darüber zu werten und Urteile abzugeben.

Ist es eigentlich noch gerechtfertigt, dass sich die Ertragshoheit der Kommunen nur auf die Grund- und Gewerbesteuer sowie die Mini-Einnahme Hundesteuer erstreckt? Muss es nicht eine völlige Neuordnung in den Verteilerschlüsseln beispielsweise bei der Einkommen- und Umsatzsteuer zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben?

Weidenbach: Neuverteilung der öffentlichen Einnahmen: Ja! Weitere Steuererhöhungen oder neue Steuern der Städte und Gemeinden: Nein! Viel wichtiger ist: Standards überdenken, Ausgaben überprüfen, Vorschriften aufheben und in vielen Bereichen wieder mit zwei Beinen auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Wenn das Konnexitätsprinzip eingehalten würde, gäbe es viele Regelungen nicht, weil dann derjenige der die Gesetze erlässt, auch die Folgen bezahlen müsste.

Eines Ihrer größten Sorgenkinder dürften die Römer-Thermen sein. Die Einnahmen decken - wie in anderen Bädern auch - bei weitem nicht die Ausgaben: Zudem gibt es einen erheblichen Investitionsbedarf, den Sie doch nie und nimmer alleine schultern können. Gleichzeitig ist das Bad ein wichtiger Imageträger der Stadt...

Weidenbach: Stimmt alles. Deshalb arbeiten wir an einer Lösung, die aber nur mit einer erheblichen Unterstützung von außen, konkret vom Land Rheinland-Pfalz, vielleicht auch durch europäische Fördermittel gefunden werden kann. Erst vor wenigen Tagen habe ich den rheinland-pfälzischen Innenminister angeschrieben und ihm die Situation der Römer-Thermen geschildert.

Während woanders ja mit offiziell aberkanntem aber geduldetem "Bad"-Titel eher Potemkin'sche Dörfer gebaut werden, sollte man bei Bad Breisig ja davon ausgehen können, dass das verliehene Prädikat inhaltlich auch hält, was es verspricht. Könnte der Bad-Titel irgendwann auch in Ihrer Stadt in Gefahr geraten, weil Sie nicht mehr in die Heilbadinfrastruktur investieren können? Wie wichtig ist der Tourismus für Bad Breisig und die zur Verbandsgemeinde gehörenden Ortschaften? Wer ist Hauptzielgruppe?

Weidenbach: Der Bad-Titel ist gesichert. Soweit, dass nicht mehr in die kurörtliche Infrastruktur investiert werden kann, darf und wird es nicht kommen. Es wäre das Ende der Wirtschaftskraft von Bad Breisig und hätte verheerende Auswirkungen. Derjenige, der diese Ausgaben kappt, der sägt selber den Ast ab, auf dem Bad Breisig sitzt. Der Tourismus ist ein besonders wichtiger Wirtschaftsfaktor, was ja auch durch die vielen Hotelerie- und Gastronomiebetriebe und die dort bestehenden Arbeitsplätze deutlich wird. Den gleich hohen Stellenwert wie in der Stadt Bad Breisig hat der Tourismus in Brohl-Lützing, Gönnersdorf und Waldorf sicherlich nicht.

Aber alle Entscheidungen, die in den letzten Jahren in diesen Gemeinden getroffen wurden, zeigen: Man will die Investitionen, die die öffentliche Hand tätigt, in eine Richtung lenken, die Einheimischen wie Gästen zeigt, dass es sich lohnt, bei uns Urlaub zu machen. Mit dem aufkeimenden Wandertourismus auch in die Ortschaften der Verbandsgemeinde hinein, wird sich nach meiner Überzeugung dieser Trend festigen. Hauptzielgruppe sind sicher die ab 40-Jährigen, die gesundheitsbewusst in einer wunderbaren Landschaft urlauben möchten.

Sie haben gerade für weit mehr als sieben Millionen Euro Steuermitteln eine neue Brücke gebaut, mit der das Gewerbegebiet "Nord" jenseits der Bahntrasse besser erschlossen wird. Stehen da Aufwand und Ertrag eigentlich noch in einem gesunden Verhältnis? Wann soll sich die Brücke denn jemals amortisieren?

Weidenbach: Ich will Ihnen eine Gegenfrage stellen: Wie wollen wir denn die Amortisation der Brücke berechnen? Hat sie sich dann amortisiert, wenn dort tätige Betriebe soviel Gewerbesteuer zahlen, dass wir davon Zinsen und Tilgung für den Eigenanteil von 1,2 Millionen Euro bezahlen können? Dieses Brückenbauwerk ist deshalb durch einstimmige Gremienbeschlüsse der Stadt entstanden, weil hier die einzige Zukunftsoption für die ganze Verbandsgemeinde besteht, sich überhaupt noch mit Gewerbeflächen weiter zu entwickeln und damit Standortsicherheit zu betreiben.

Und noch eine Gegenfrage: Wird sich die Brücke nur gelohnt haben, wenn neue Betriebe ansiedeln oder war dieses Brückenbauwerk nicht alleine deswegen notwendig, weil mehrere Großbetriebe dadurch einen erheblichen Beitrag zur Erhaltung ihres Standortes auf den Tisch gelegt bekommen haben? Wir müssen doch an die Arbeitsplätze denken. Bereits die, die wir haben, sind von unschätzbarem Wert. Die Brücke ist eine Zukunftsoption und damit Zukunftssicherung.

Bad Breisig wird von der demografischen Entwicklung nicht verschont bleiben. Vor allem die etwas abseits gelegenen Ortsgemeinden Gönnersdorf und Waldorf. Haben Sie da schon ein Szenario vor Augen?

Weidenbach: Gerade in Brohl-Lützing, Gönnersdorf und Waldorf besteht eine hohe Lebensqualität, weil dort in vielen Bereichen die Gemeinschaft gut funktioniert. Die Infrastruktur, die heute in diesen Ortschaften ist, sehe ich dort auch morgen noch. Die Bevölkerungszahlen werden in unseren Ortsgemeinden ebenso wenig massiv zurückgehen wie in der Stadt. Die Leute in den Dörfern haben es selbst in der Hand, ob es auch in zehn Jahren dort noch Geschäfte geben wird. Man muss sich nur fragen, ob man bereit ist, vor Ort zu kaufen oder ob man lieber auf die sogenannte "Grüne Wiese" geht. Ich bin mir sicher, so wie unsere Ortsgemeinden aufgestellt sind, brauchen sie sich vor der Zukunft nicht zu fürchten.

Wenn Sie sich für die Verbandsgemeinde etwas wünschen dürften: Was wäre das?

Weidenbach: Wenn man sich etwas wünschen darf, wird das oft mit materiellen Dingen in Verbindung gebracht. Ich sehe es ein bisschen anders. Ich wünsche mir, dass es in unserer Verbandsgemeinde weiterhin so engagierte Bürger gibt, die mit ihrem vielfältigen Engagement im Ehrenamt dafür sorgen, dass wir ganz hervorragende örtliche Gemeinschaften haben, dass das Miteinander in unseren Dörfern ebenso wie in den Ortsteilen der Stadt noch funktioniert. Und ich wünsche mir, dass die Bereitschaft der Menschen in unserer Verbandsgemeinde anhält, sich auf so vielfältige Art und Weise in unsere Verbandsgemeinde einzubringen, wie bisher.

Zur Person

Bernd Weidenbach ist 53 Jahre alt. Seit 2004 ist der Verwaltungsfachmann Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Breisig, zudem Bürgermeister der Stadt Bad Breisig. Sein Hobby: Bergwandern.

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