750 Jahre Stadt Sinzig Augen auf vor Sinzigs Häusern

SINZIG · Referenten legen in einem Vortrag im Schloss die Vielfalt der Architektur dar und stellen Bezüge zu Kleidung und Mode her.

 Das Sinziger Schloss gehört zu den markantesten Bauten in Sinzig.

Das Sinziger Schloss gehört zu den markantesten Bauten in Sinzig.

Foto: Martin Gausmann

Welcher Sinziger ist mit dem Aussehen der Stadt wirklich vertraut? „Wir haben so tolle Häuser, das ist einem gar nicht bewusst“, sprach die Beigeordnete Charlotte Hager aus, was vielen Gästen des Vortrags „Architektur in Sinzig - bauliche Entwicklung einer Kleinstadt am Mittelrhein seit 1827“ durch den Kopf ging. Das Thema, bereits 2016 von den Autoren des gleichnamigen Buches als Turmgespräch des Denkmalvereins präsentiert und auf vielfachen Wunsch nun als eine von 40 Veranstaltungen der 750-Jahr-Feier zur Sinziger Stadtwerdung wiederholt, sorgte im Rathaus erneut für volle Reihen.

Zu Recht, denn Hardy Rehmann und Matthias Röcke legten den Wandel prägnant offen. Rehmann eröffnete die mit Röcke im Wechsel geführte Dialogvorstellung durch den Bezug von Architektur, Kleidung und Mode: „Unser größtes Kleid ist das eigene Haus und wie es sich verändert hat, wollen wir aufzeigen.“ Die spätromanische Kirche Sankt Peter gleichwohl erwähnend, setzten die Vortragenden im Jahr 1827 an. Die damalige Ur-Karte verzeichnet eine lockere Bebauung. Es gibt viele Freiflächen zur Selbstversorgung und im noch geschlossenen Mauerring stehen 220 Wohngebäude, von denen 55 noch heute existieren. Offenbar hatte Sinzig kräftig zugelegt, nachdem ein Reisebericht um 1760 nur 100 Gebäude nannte.

Nach 1850 erfährt das Stadtgefüge starke Impulse: Der Bahnanschluss (Bahnhofsbau 1859), Bau der heutigen Barbarossastraße und damit verbundener Wegfall der Stadtmauer in diesem Bereich, der Bau des Schlosses und später hinzukommende Villen, die einsetzende Industrialisierung und der Wohlstand im Kaiserreich verändern die Stadt. Bis zum ersten Weltkrieg hatten sich bereits zahlreiche Baustile in Sinzig manifestiert.

Jahrhundertelang herrschte das Fachwerk vor, wovon verschiedene Fachwerkhäuser etwa in Eulengasse und Tuchergasse zeugen. Mit dem Barock kommen im 18. Jahrhundert Steinbauten, höhere Räume und größere Fenster. Barock inspiriert ist auch das 1820 errichtete stadtbildende Gebäude Mühlenbachstraße 40, das der Denkmalverein erhalten sehen will. Dem Klassizismus wiederum sind das Rathaus von 1836, der Bahnhof, Wohnhäuser am Markt- und Kirchplatz zu verdanken, während die Neugotik die Zehnthof-Orangerie und das Schloss kennzeichnet.

Als modernes Material wird ab etwa 1860, als zwei Ziegeleien zwischen Sinzig und Westum stehen, Ziegelstein verwendet. Der Historismus mischt mitunter unbekümmert verschiedenste Stilformen. Und der Jugendstil macht sich etwa an Häusern der Schlossstraße fest.

In der Aufbruchzeit wird die Stadtmauer zum Abbruch freigegeben, um Wohnraum zu gewinnen. Es fallen Stücke zwischen Torhausgasse und Amtsgericht, dann zwischen Mühlenbachstraße und Kalkturmstraße sowie vom Harbach bis zur Grabenstraße.

Mit dem Ersten Weltkrieg enden die Baustile abrupt. Gegen den erneuten Wohnungsmangel werden Lohpförtchen und Wallstraße hinter der einstigen Mauerlinie bebaut. Die von der Stadt errichteten Häuser der Wallstraße sind einfach und effizient, wie die Doppelhäuser Anfang der 1930er Jahre an der Rheinstraße.

Nach dem 2. Weltkrieg führt die Not zu Behelfsbauten, später einfachen Siedlungshäusern. Die Stadt erweitert sich schließlich in alle Richtungen. Der Wohlstand steigt und die 1990er Jahre weisen die stärkste jemals verzeichnete Bautätigkeit auf. Bis zuletzt, als die Referenten mutiges zeitgenössisches Bauen, sei es das Pfarrheim Sankt Peter oder das mit Riesenlichtschacht ausgestattete Haus „UM“ am Mühlenbergweg anführten, warben sie für Beachtung der vielfältigen Gestaltungsfacetten.

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