GA-Liveblog von "Rock am Ring" "Rock am Ring" setzt Zeichen gegen den Terror

Nürburgring · Rund 87.000 Menschen haben bei „Rock am Ring“ allen Drohungen zum Trotz ein ausgelassenes Fest gefeiert.

Irgendwie bleibt alles anders bei Rock am Ring. Im vergangenen Jahr war es ein Donner-, in diesem ein Paukenschlag, der das Festival lahmlegte: Um kurz nach 21 Uhr am Freitagabend, mitten im Set der Düsseldorfer Pathos-Punks Broilers, betritt Festivalchef Marek Lieberberg mit einem Moderator die Hauptbühne. Dieser ist bemüht, den richtigen Ton zu treffen, Unruhe macht sich breit unter den Zehntausenden, die teilweise schon den ganzen Tag ausharren, um den Headliner Rammstein zu sehen, als der Mann mit dem Mikro von einer „terroristischen Gefährdungslage“ spricht. Dann teilt er mit, dass das Festival unterbrochen werden müsse.

Überall auf dem Gelände bilden sich kleine Menschengruppen, die aufgeregt in ihre Handys sprechen und nach noch fehlenden Freunden Ausschau halten. Andere Besucher hingegen holen sich noch ein letztes Bier für den Rückweg und reihen sich erst in die Menge am Hauptausgang ein, als die Sicherheitskräfte bereits mit einer Barriere aus Flatterband das Gelände evakuieren. Zu diesem Zeitpunkt ist Marek Lieberberg schon dabei, im Medienzentrum einen denkwürdigen Auftritt hinzulegen.

Der emotional aufgewühlte Festivalchef zeigt wenig Verständnis für die Maßnahme der Sicherheitsbehörden und redet sich in Rage. Lieberberg sieht sich als „Prügelknabe einer Situation, die wir nicht verschuldet haben“ und sagt, er als Veranstalter zahle jetzt die Rechnung für Fehler, die die Behörden im Fall Amri gemacht hätten. Für seine teils gewagten Vergleiche und Forderungen, etwa dass Muslime „zu Zehntausenden“ gegen Terror auf die Straße gehen sollten, erntet er zeitweise Applaus von einer Vielzahl von Medienvertretern, die in dieser unübersichtlichen Lage offenbar ihre Distanz aufgegeben haben.

Mit einigen Äußerungen über das Ziel hinaus geschossen

Später wischt er in einem Interview den Vorwurf vom Tisch, ihm sei es aus Sorge um den Profit um eine schnelle Fortsetzung des Festivals gegangen: „Wir sind gegen Terrorismus versichert. Mir ging es bei dem, was ich gesagt habe, ausschließlich um die Fans und um das Festival. Und darum, eine richtige Entscheidung herbeizuführen.“ Mit einigen Äußerungen sei er über das Ziel hinausgeschossen.

Einen Tag später kommen die Hintergründe ans Licht. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz sagt auf einer Pressekonferenz in aller Deutlichkeit: „Sicherheit geht vor, das ist die Maxime. Keine andere kann gelten.“ Die Ermittlungen hatten ergeben, dass Personen mit salafistischem Hintergrund auf dem Gelände waren, um für einen Subunternehmer zu arbeiten. Die Sorge, sie könnten dort eine Bombe oder ähnliches hinterlegt haben, bestätigt sich aber nicht, so dass das Festival mit kleineren Änderungen im Spielplan fortgesetzt werden kann und die Fans zu ihrem Recht kommen: Feiern bei Livemusik.

Prophets Of Rage liefern einen epischen Auftritt ab

Gleiches lässt sich über die Beginner sagen. Eißfeldt und Denyo sind mit DJ Mad bei ihrer Show so etwas wie das musikgewordene Radiojingle: Alle Hits von früher und das beste von Heute haben die Rap-Veteranen aus Hamburg im Gepäck. Trotz Regens feiert das Publikum bei sattem und perfekt abgemischtem Sound das von einem dröhnenden Schiffshorn eingeleitete „Ahnma“ und Klassiker von „Füchse“ über „Hammerhart“ bis „Rock On“. So ausgefuchst wie die Beginner agiert sonst kaum jemand auf Deutschlands Bühnen.

Nicht minder ausgelassen ist die Stimmung als Rapper Marteria mit fast 48 Stunden Verspätung das erste Lied anspielt. Sein Auftritt ist am Freitag der Unterbrechung zum Opfer gefallen. Umso mehr feiern ihn die Besucher, als er doch noch auf der Bühne steht – um dann direkt in den Flieger zu steigen und nur knapp dreieinhalb Stunden später beim Schwesterfestival Rock im Park in Nürnberg ebenfalls zu spielen. Als einen „logistischen Kraftakt“ bezeichnet es der Veranstalter, als einen „einzigartigen Moment“ der Rapper. Denn zuvor gab es noch keinen Act, der am selben Tag auf beiden Bühnen stand.

Eine weitere Premiere feiern Kraftklub, die als Band mit den meisten an der Show beteiligten Menschen auf der Bühne stehen. Mädels in roten Jacken tanzen auf einem Gerüst und tragen so zu einer stimmigen Optik bei – auch wenn die Show musikalisch sonst eher wenig Eindruck hinterlässt.

Seinen großen Abschluss findet das Festival dann unter anderem im Auftritt von Prophets Of Rage. Sie spielen Klassiker von Rage Against The Machine, Cypress Hill und Public Enemy – den Ursprungsbands der Mitglieder. Und dann kommt noch von Serj Tankian von System Of a Down dazu, der mit dem gemeinsam performten Stück „Lika a Stone“ der kürzlich verstorbenen Grunge-Legende Chris Cornell gedenkt. Ein epischer Auftritt, bevor System Of a Down ein letztes Mal alle eskalieren lassen, die nicht mit ihrer Freundin zu den Kölner Herzschmerz-Jungs Annenmaykantereit mussten.

"Rock am Ring" 2017 im GA-Liveblog

Unsere Reporter Moritz Rosenkranz, Britta Röös und Andreas Dyck haben über "Rock am Ring" vor Ort berichtet. Den Liveticker zum Nachlesen gibt es hier:

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