Abschied in Sinzig „Auch Retter brauchen Hilfe“

SINZIG · Dechant Achim Thieser verlässt Sinzig und geht als Oberpfarrer zur Bundespolizei nach Berlin. Bis er am Sonntag in der Messe verabschiedet wird, hat der Geistliche noch einen vollen Terminkalender.

 Achim Thieser (links) beim jüngsten Neujahrsempfang der Pfarreiengemeinschaft im Haus der offenen Tür in Sinzig. FOTOS: GAUSMANN

Achim Thieser (links) beim jüngsten Neujahrsempfang der Pfarreiengemeinschaft im Haus der offenen Tür in Sinzig. FOTOS: GAUSMANN

Foto: Martin Gausmann

Nach gut sieben Jahren geht er von Sinzig nach Berlin. Doch er ist noch nicht mal mit einem Bein dort. Bis sein Dienst am 23. Juni endet, passiert laut Dechant Achim Thieser „einfach noch zu viel“: der Betriebsausflug mit den Angestellten der Kirchengemeindeverbände Sinzig und Brohltal, das Hochfest Dreifaltigkeitssonntag, Fronleichnam. „Und man will alles gut übergeben“, sagt er. „Alles“ umfasst in seinem Fall ein riesiges Aufgabengebiet.

Als er am 25. März 2012 als Pfarrer der katholischen Pfarreiengemeinschaft Sinzig eingeführt wurde und so die Nachfolge von Gerhard Hensel antrat, war es gewissermaßen ein Wechsel von Umbruch zu Umbruch. Denn Thieser nahm 2002 im Saarland seine erste Pfarrerstelle in den Pfarreien Altforweiler, Berus und Felsberg ein, aus denen 2007 die neue Gemeinde Sankt Oranna entstand.

Auch die Pfarreiengemeinschaft Sinzig war zu Thiesers Amtsantritt ein noch junges Konstrukt. 2011 der Bistumsstrukturreform entsprungen, schloss es die fünf Pfarreien Bad Bodendorf, Franken, Westum, Löhndorf und Sinzig samt Filiale Koisdorf zusammen, so dass sich die Gemeindemitglieder neben dem Verbund mit einem neuem Pfarrer anzufreunden hatten. Der kam, vom Bischof vor die Wahl „Adenau oder Sinzig“ gestellt, gerne an den Rhein. Denn 1997 war Thieser Kaplan und 2000 Vikar in Niederbreisig, Oberbreisig, Waldorf und Gönnersdorf, für ihn „eine prägende Zeit mit guten Erfahrungen, die erste Stelle als Priester, die erste Liebe“.

In Sinzig aber forderte der Wandel heraus. „Es gab Verlustängste bei den einen, aber auch Menschen, die sich darauf einließen, teils aus Notwenigkeit, teils aus Neugier.“ Auf dem Weg zum Miteinander war das erste Fest der Pfarreiengemeinschaft Sinzig 2014 bedeutsam. „1000 Menschen, Schützen, Langenfelder Bruderschaft, Frauengemeinschaften, alles, was das Label Kirche hat, fand sich ein“: ein Zeichen für das erfolgreiche Zusammenwachsen der Pfarreiengemeinschaft. „Das haben pastorale Gremien und der Pfarreienrat sehr gefördert“, erklärt Thieser. Im Jahr davor ließ das Glockenfest aufhorchen. Ebenso bilden seit 2013 die Neujahrsempfänge Wegmarken der Zusammengehörigkeit.

„Kirche hat eine Botschaft, aber heute auch das Problem sie zu vermitteln“, weiß Thieser. Das mache Veränderungen von innen nötig. Gerade die Synode des Bistums Trier habe versucht, „die Zeichen der Zeit zu erkennen und mit dem Glauben die Zukunft tragfähig machen“. Alles Bisherige erhalten – „nicht möglich“. Den Pastor, der für alles zuständig ist, kann es nicht mehr geben. „Das muss nicht negativ sein, wir haben in der Kirche viele Berufe, wie die Pastoralreferenten“, betont der Geistliche und stellt für die Pfarreiengemeinschaft fest: „Wir sind hier ein gutes Team.“

Ab Anfang 2020 werden nach Synodenbeschluss aus bisher 887 Pfarreien 35 große „Pfarreien der Zukunft“. Die fünf Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Remagen-Brohltal fusionieren dann zur „Pfarrei der Zukunft Sinzig“ und sind wieder gefordert, kirchliches Leben neu zu entwickeln. Auch ohne neuerlichen Strukturwandel war Thieser herausgefordert, als Pfarrer, ab 2013 stellvertretender Dechant und seit 2014 Dechant im Dekanat Remagen-Brohltal. Fast drei Jahre leitet er außer Sinzig auch die Vakanzverwaltung in der Pfarreiengemeinschaft Brohltal. „Als Dienstvorgesetzter von rund 70 Angestellten entspricht das dem Aufwand wie für einen mittelständischen Betrieb.

Außerdem wurde immer irgendwo gebaut: Dachsanierung der Löhndorfer Kirche, Restaurierung im Westumer Altarraum, Orgel in Sinzig, Trockenlegung in Franken und Wohnungen für Flüchtlinge.

Da bleibt kaum einmal Mußezeit für die monatliche Zigarre, die Thieser gerne auf der Terrasse genießt. Was ihn indes wirklich bedrückt, ja „weh tut“, sind die Kirchenaustritte. „Warum ich diesen Dienst mache“, das spürt er umso mehr bei der Seelsorge, etwa wenn er die Krankensalbung spendet, mit Angehörigen spricht, die Messdiener anleitet, die Kommunionskinder für den Glauben begeistert, als Notfallseelsorger bei der Feuerwehr der Stadt Sinzig hilft, mit Gottes Botschaft überzeugt und eine Erwachsenentaufe erlebt.

Ab September wird er Oberpfarrer bei der Bundespolizei in Berlin. Es war sein Wunsch aus der vielfach gemachten Erfahrung, „dass Retter, ob Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, die für uns den Kopf hinhalten, auch selbst Hilfe brauchen“. Bischof Ackermann lässt ihn für sechs Jahre ziehen. Nun heißt es für Thieser und seine Mutter, die bei ihm im Pfarrhaus wohnt, Abschied nehmen. Das fällt ihm, der Menschen, Erfahrungen, eine Arbeit und Orte zurücklässt, die ihm Freude bereiteten, gleichwohl „nicht leicht“.

Letzte Predigt: Was Achim Thieser den Gläubigen seines Wirkungsbereichs mitgeben möchte, werden sie in seiner letzten Predigt bei der Verabschiedungsmesse am 23. Juni, 15 Uhr, in der Sinziger Pfarrkirche erfahren. Im Anschluss gibt es einen Empfang im Pfarrheim Haus Sankt Peter.

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