Klavierkonzert in Bad Neuenahr Weisen vom weltfernen Wandern

BAD NEUENAHR · Die Pianistin Jamina Gerl entführte mit ihrem Konzert unter dem Motto „Der Wanderer“ ein Liebhaberpublikum im Bad Neuenahrer Augustinum in immer neue musikalische Räume und konnte das Publikum begeistern.

 Jamina Gerl am Konzertflügel des Bad neuenahrer Augustinums.

Jamina Gerl am Konzertflügel des Bad neuenahrer Augustinums.

Foto: Martin Gausmann

Die Stücke von Komponisten der Romantik kreisten um das zu dieser Zeit beliebte Motiv des weltfernen Wanderns. Das Publikum zeigte sich von Gerls virtuosem, aber technisch sicheren Spiel begeistert und spendete reichlich Applaus.

Die Wanderreise begann im Schottland, wie es sich Felix Mendelssohn-Bartholdy vorgestellt hat. In dessen „Sonate écossaise“ op. 28 schlug Gerl das Publikum das erste Mal an diesem Abend mit einer Mischung aus Virtuosität, Klarheit und Tiefe in ihren Bann. Mit demselben Komponisten ging es in drei „Venezianischen Gondelliedern“ in die Lagunenstadt, die wie eine ferne, melancholische Erinnerung vor dem Zuhörer aufstieg. Bei Franz Liszt „Waldesrauschen“ und „Gnomenreigen“ waren die Namen Programm. Waghalsige Tremoli präsentierten einen Wald im nächtlichen Sturm und die Berggeister ließ die Pianistin in zahlreichen Sprüngen über die Klaviatur wuseln.

Als Seelenwanderung – eine „Pilgerreise“ laut Komponist – konnte die Vertonung des 47. Sonetts des mittelalterlichen Dichters Francesco Petrarca durch Liszt gelten. Nicht nur die Musik träumte sich dabei zur Liebsten zurück, die einem jeden neuen Tag versüßt: Geschlossene Augen und ein seliges Lächeln zeigten sich auf den Gesichtern vieler Besucher.

Über den Tellerrand der Romantik hinaus wiesen die Stücke von Dmitri Schostakowitsch und Claude Debussy. Schostakowitschs „Drei phantastische Tänze“ op. 5 sind Miniaturkompositionen mit dem Hang zum spontanen Ausbruch. Besonders der erste Tanz ist eher eine Aneinanderreihung unterschiedlicher Situationsbilder, denn eine stringente Komposition. Ganz dem Impressionismus verschrieben zeigte sich Debussys „L’isle joyeuse“, welches aus Farbtupfern ein Panorama entstehen lässt, das auch nicht frei von Brüchen ist. Es wirkte, als ob der Blick des Wanderers rastlos über eine Vielzahl von Klangeindrücken huscht und eine Weise schöner ist als die andere.

Höhepunkt war jedoch das durch Liszt für Klavier arrangierte Kunstlied „Der Wanderer“ von Franz Schubert nebst der Ausarbeitung des Motivs in einer merhsätzigen Fantasie. Im zugrundeliegenden Text von Georg Philipp Schmidt von Lübeck muss sich der Wanderer am Ende eingestehen, dass es letztlich keinen Ort der Ruhe auf Erden gibt. Das tiefe Gefühl, welches das Stück auf die Künstlerin ausübt, ging spürbar auf das Publikum über, das mit dem Klatschen nach dem Stück erst einmal zögerte. Vielleicht ist für Schubert die Musik der Ort, an dem die Seele zur Ruhe gelangt, weshalb sich die Fantasie längst nicht so melancholisch gerierte, wie das Lied. Für diesen abwechslungsreichen Abend mit viel Tiefe konnte es trotz eines kleinen Publikums nur eines geben: Bravo-Rufe und stehende Ovationen.

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