Kirche einmal anders Weihnachtsmesse in Bad Neuenahr unter freiem Himmel

BAD NEUENAHR · Das Bad Neuenahrer Apollinarisstadion erlebte eine ungewöhnliche Weihnachtsmesse unter freiem Himmel. Nicht Fußball, sondern Jesus steht im Mittelpunkt.

 Nicht Fußball, sondern Jesus steht im Mittelpunkt der Weihnachtsfeier im Apollinarisstadion.

Nicht Fußball, sondern Jesus steht im Mittelpunkt der Weihnachtsfeier im Apollinarisstadion.

Foto: Martin Gausmann

Kirche ist überall, nicht nur in den Gotteshäusern. Wenn Gott ins Spiel kommt, dann tut sich was. Spielerisch mutete zunächst auch das neueste Experiment des Teams „Weihnachten anders“ der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler an. Eine Messe an Heiligabend unter freiem Himmel. Im Fußballstadion von Bad Neuenahr.

Das hatte sich das sieben Personen starke Vorbereitungsteam um Pastor Jörg Meyrer ausgedacht. Zwei Mal hatte das Team bereits fernab von Gotteshäusern zu Weihnachtsfeiern eingeladen, unter eine Brücke und in eine Tiefgarage. Jetzt das Stadion, das im Vorfeld eine Vielzahl von Metaphern laut werden ließ. Da war vom „heiligen Rasen“ die Rede, und davon, Gott komme ins Spiel.

Alles beginnt wie ein Fußballspiel

Tatsächlich war es zunächst einem Fußballspiel nicht unähnlich. Eine Kolonne vor Fahrzeugen schlängelte sich durch die Kreuzstraße, der Parkplatz war schnell voll, die 550 Personen fassende und blau illuminierte Tribüne auch. Ausverkauft also. Aber die Kassenhäuser blieben zu, am Kiosk verkaufte niemand Würstchen und Bier, der Verkaufsstand mit Schals und Trikots war nicht vorhanden und die, die gekommen waren, schwenkten keine Fahnen und feuerten niemanden an.

„Hier war ich noch nie“, meinte eine ältere Dame, die sich mit knapp 600 Besuchern auf den Weg Richtung Tribüne machte. Musik empfing die Besucher, Fanmusik des 1. FC Köln und des Ahrweiler BC. Das Spielfeld aber blieb dunkel, der Blick erhaschte lediglich die Turmkerze auf dem Neuenahrer Berg oder die vier großen Kerzen auf dem Wohnstift Augustinum.

"Das hier ist ewig"

Der Stadionsprecher war schnell durch mit der Verkündigung der „Mannschaftsaufstellungen“. Nur einer wurde genannt, ein "Gastspieler aus dem Nahen Osten": Jesus. Es ging bei diesem Spiel nur um ihn. Und um das Team, das nicht nur aus Spielern, sondern aus dem Drumherum und den Anhängern bestehe. „Spüren Sie, wie Gott ins Spiel kommt!“, war eher Aufforderung als Frage. Und so klang auch die vorgetragene Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium irgendwie anders, obwohl es doch die uralte Geschichte, die jeder kennt, war.

Und was sangen die Fans? Keine Lieder aus dem Gotteslob standen da auf dem Zettel, viel mehr der Song „Auf uns“ von Andreas Bourani, mit dem Deutschland 2014 sein erfolgreiches Fußballteam feierte. „Das hier ist ewig, ewig für heute“, sang die Menge im Lied „Tage wie diese“ von den Toten Hosen.

Falsche Freunde, Entzug und Zusammenbruch

Trompeten erklangen, „Kommet ihr Hirten“ spielten zwei Musiker und die vielen Hirten folgten dem Weihnachts-Team von der Tribüne auf den Rasen. Zwei Gaslampen leuchteten, ansonsten blieb es dunkel, als Menschen davon erzählten, wie Gott bei ihnen ins Spiel kam: aus der Kirche ausgetreten, diese gar mächtig kritisiert, weil Gott schon in frühen Jahren maximal bei ihr „auf der Ersatzbank saß“, berichtete Ursula Läufer aus ihrem Leben.

Nach der Scheidung und dem Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik kam Gott plötzlich in Spiel, in Gestalt des Klinikleiters und vieler neuer Freunde, zum Beispiel aus dem Priesterseminar in Lantershofen. Sie trat wieder ein, wurde Religionslehrerin und schnell zu einer Verehrerin von Vincenzo Pallotti. Anonym blieb eine andere Frau, deren Geschichte vorgetragen wurde.

Mit 16 Jahren vergewaltigt, wurde sie vollkommen aus der Bahn geworfen, fand falsche Freunde. Alkoholsucht und Prostitution waren die Folge, Entzug und Zusammenbrüche. Da kam Gott ins Spiel, in Form eines Kindes. Denn sie war schwanger, riss sich zusammen, organisierte sich und ist heute, zehn Jahre später, glücklich und bodenständig. „Abhängigkeit von anderen geht nicht mehr“, so ihre Devise.

Ein großes Team entstand

Der andere wirkliche Sinn von Weihnachten wurde spätestens deutlich, als die Besucher sich frei in den Fürbitten äußerten, wo Gott für sie ins Spiel kommt. Auf dem Feld wurde es eisig kalt, als sich alle an den Händen fassten, als tatsächlich ein großes Team entstand und auch die Musik weihnachtlich wurde. War es nun tatsächlich ein Spiel? Wenn, dann auf alle Fälle eines, über das diejenigen, die mitspielten, noch lange reden werden.

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