Vortrag in Sinzig Stephan Pauly versüßt die Aufmerksamkeit

SINZIG · Er stellte Fragen, quittierte richtige Antworten mit Schokolade, und als die fünfte und letzte Tafel, Geschmack zartbitter, vergeben war, hielt die Spannung bis zuletzt. Stephan Pauly sprach im Schloss über Freiheit und Stadt, auch am Beispiel von Sinzig.

 Stephan Pauly referierte im Sinziger Schloss.

Stephan Pauly referierte im Sinziger Schloss.

Foto: Martin Gausmann

Es geschah, wie von Bürgermeister Wolfgang Kroeger nach Grußworten des Landtagsabgeordneten Horst Gies angekündigt: Der forsche Referent Stephan Pauly erwies sich im Schloss als „Garant für beste Unterhaltung und Informationsdichte“. Er versagte es dem Publikum, „sich bequem zurückzulehnen“, half ihm im Gegenzug aber, sich auf das Thema des Abends „Freiheit und Stadt am Beispiel Sinzig“ zu konzentrieren.

Pauly erinnerte: Die 1951 erfolgte Umbenennung der vormaligen Judengasse (in der Nazizeit Horst-Wessel-Straße) in Gudestraße sei „ein unglaublicher Akt von Peinlichkeit“ und sie wieder Judengasse zu nennen, „überfällig“. Nicht nur für Juden, die auch in Sinzig hohes Schutzgeld zahlen mussten und im 13. Jahrhundert dort zwei Pogrome erlitten, war es mit der Freiheit in der mittelalterlichen Stadt nicht weit her.

Von Ständen...

Ab dem Jahr 1000 bis 1350 zeigt sich die Gesellschaft hierarchisch in Stände gegliedert: Adel, Klerus und Bürger/Bauern als dritter Stand. Freiheit als unveräußerliches Recht auf Selbstbestimmung kannte man nicht. Wer man war und wohin man gehörte, machte die Geburt klar. Innerhalb der Stände verlieh beim Adel der Kaiser/König den Besitz an Mark-, Land-, Pfalz- und Burggrafen und diese wiederum an Verwalter und Ritter.

Beim Klerus mit dem Papst an der Spitze kamen nach ihm die Kurie, die Geistlichkeit und die Laienbrüder, sogenannte Konversen. Zur unterständischen Gesellschaft gehörten Berufsgruppen wie Scharfrichter und Prostituierte sowie Umherziehende. Drei geistliche und vier weltliche Fürsten hatten das alleinige Recht im Heiligen Römischen Reich den König zu wählen.

Da Freiheit an Landbesitz gekoppelt ist, genügt ein Blick auf die Eigentumsverhältnisse, um massenhaft Unfreiheit zu erkennen: „95 Prozent der Bevölkerung hatten keinen Besitz.“ Eine weitere erstaunliche Zahl präsentierte Pauly, indem er mitteilte, dass neun Zehntel der Bewohner des Mittelrheins damals im Weinbau arbeiteten, unter der Knute derer, denen die Weinberge gehörten. Die Menschen empfanden die Ständeordnung als gottgewollt und das Kirchenjahr regierte ihren Lebensalltag.

Wenn „Stadtluft macht frei“ hieß, dass vor ihrem Gutsherrn geflohene Hörige „nach Jahr und Tag“ frei von ihm seien, dann entkamen sie doch nicht dem Ständesystem. Zudem gab 1231/32 der Reichsspruch von Worms (Statutum in favorum principum) die Regelung zugunsten der Fürsten auf. Der Reichsspruch beschnitt in vieler Hinsicht die Macht von König Heinrich VII., dessen städtefreundliche Politik die Fürsten verärgert hatte.

...und Privilegien

Auch Königsvater Kaiser Friedrich II. musste die Privilegien der Fürsten bestätigen. Er hatte bereits 1220 das Gesetz „Confoederatio cum princibus ecclesiasticis“ erlassen, als Zugeständnis gegenüber den deutschen Bischöfen für die Mitwirkung der Bischöfe bei der Wahl von Sohn Heinrich zum König. Beide Rechtsprinzipien, Statutum und Confoederatio, „legten die Grundlagen für den Föderalismus im Reich und seine Nachfolgestaaten.

Mehr Freiheiten entwickelten sich. Es gab keine Zentralmacht mehr. Als 1267, Bezugsdatum für das Jubiläum 750 Jahre Stadtwerdung, der Kölner Erzbischof Engelbert Sinzig eroberte, bestätigte er den Bürgern per Urkunde bisherige Rechte und Freiheiten. Wer diese ursprünglich verliehen hatte? Es könnten Konrad IV., Heinrich VII. oder Kaiser Friedrich II, gewesen sein, so Pauly, der prasselnden Applaus für seine mit Verve und großer Kenntnis vorgetragenen Vortrag entgegennahm.

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