Rechte Szene an der Ahr Staatsanwaltschaft will eingestellten Neonazi-Prozess aufrollen

Koblenz · Das Zerren um den Koblenzer Mammutprozess gegen mutmaßliche Neonazis findet vorerst kein Ende. Nach seinem Abbruch wegen „überlanger Verfahrensdauer“ dringt die Anklagebehörde auf einen Neustart. Wie geht es weiter?

Die Staatsanwaltschaft Koblenz will die Einstellung eines der umfangreichsten Neonazi-Prozesse in Deutschland nicht hinnehmen. Sie legte dagegen fristgerecht sofortige Beschwerde ein, wie sie am Dienstag mitteilte. Das Landgericht Koblenz hatte den Prozess Ende Mai nach 337 Verhandlungstagen wegen der „überlangen Verfahrensdauer“ von fast fünf Jahren spektakulär ohne Urteil eingestellt. Hintergrund war, dass der Vorsitzende Richter Hans-Georg Göttgen mit Erreichen der Altersgrenze Ende Juni aus dem Dienst scheiden muss und es keinen Ergänzungsrichter mehr gab.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird noch von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz geprüft. Dann müsste das Oberlandesgericht Koblenz darüber befinden. Das könnte auch wegen möglicher Stellungnahmen der Prozessbeteiligten etwas dauern. Wäre die Staatsanwaltschaft mit ihrem Vorstoß erfolgreich, würde der Prozess beim Landgericht Koblenz erneut beginnen.

Das Verfahren zu Straftaten aus dem Umkreis der mutmaßlich rechtsextremen Organisation Aktionsbüro Mittelrhein hatte im Sommer 2012 gegen ursprünglich 26 Angeklagte begonnen, zuletzt waren es noch 17. Die fast 1000-seitige Anklage lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft liegt kein „Prozesshindernis der rechtsstaatswidrigen überlangen Verfahrensdauer“ vor, weil Anklagebehörde und Gericht nicht für die Verzögerungen verantwortlich seien. Zulässiges Verhalten der Verteidiger spiele hier keine Rolle. Die Staatsschutzkammer hatte den Anwälten vorgehalten, den Prozess „erfolgreich zu sabotieren“ und sehr in die Länge zu ziehen.

Die Staatsanwaltschaft kritisierte die Kammer zudem für die Vorhersage, dass auch ein erneut aufgerollter Prozess sehr lange dauern würde. Ohnehin sei das Verfahren gegen etwa ein Drittel der ursprünglichen Angeklagten bereits rechtskräftig abgeschlossen. „Auch erlauben die im Lichte der bei der bisherigen Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse eine Straffung des künftigen Verfahrens“, argumentierte die Anklagebehörde.

Die CDU-Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag hatte gemahnt, der Prozessabbruch könnte das Vertrauen in den Rechtsstaat beschädigen. Justizminister Herbert Mertin (FDP) kündigte an, bei der Konferenz mit seine Amtskollegen am 21. und 22. Juni im pfälzischen Deidesheim über mögliche Anregungen für eine Anpassung der Strafprozessordnung an derartige Großverfahren zu sprechen. Mertins Sprecher Christoph Burmeister verwies auch auf die nun schrittweise steigende Altersgrenze von Richtern auf 67 Jahre in Rheinland-Pfalz sowie mögliche künftige Änderungen des Landesrichtergesetzes. (dpa)

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